Heute wieder eine #metoo-Story. Vergewaltigt in der Kindheit innerhalb der eigenen Familie. In diesem Interview ist Jasmin Methner zu Gast, sie erzählt uns ihre #metoo-Story von den Vergewaltigungen bis hin zum Gerichtsprozess und ihren Weg zur Heilung.
Im zweiten Teil geht sie noch tiefer auf die Methoden, die ihr bei der Heilung geholfen haben, ein. Sie erzählt dort von ihrem Schlüsselerlebnis zur Heilung: die Anerkennung der Schönheit ihres eigenen Körpers. Außerdem berichtet sie, wie sie inzwischen mit ihrer Sexualität umgeht, wie ihr Beziehungsleben aussieht und was ihr Herzensprojekt ist.
Mai: Hi und herzlich willkommen zu einem weiteren Interview der #metoo-Story Reihe. Ich habe heute die Jasmin Methner als Gast für euch dabei. Vorne weg: Sie ist eine Tänzerin und eine Amazone. Sie hat mal Wirtschaftspsychologie studiert. Und sie ist auch noch Trainerin und Bewusstseinscoach.
Jasmin und ich haben schon vor kurzer Zeit ein sehr intensives Gespräch gehabt, uns kennengelernt und haben gleich gemerkt, dass wir gut harmonieren. Wir wollten auf jeden Fall ein Interview zusammen machen.
An die Leser*innen die uns lieber dabei sehen möchten, können gerne (link) hier auf YouTube vorbeischauen und uns sogar bei unserem Gespräch zuschauen.
So und jetzt zu dir: Hi Jasmin, cool das du da bist!
Jasmin: Schön, dass ich da sein darf. Dankeschön.
Mai: Sehr gerne. Ich habe schon ein bisschen über dich verraten. Magst du noch ein bisschen über dich erzählen?
Jasmin: Ja, ich bin die Jasmin. Ich wohne in Oberursel bei Frankfurt. Bin eigentlich aus dem schönen Heidelberg, da wo du jetzt lebst, bin ich geboren. Mich hat es dann aufgrund meines Jobs nach Frankfurt verschlagen.
Jetzt bin ich hier und fühle mich in der Natur des Taunus sehr wohl. Du hast eigentlich schon alles gesagt. Ich bin sehr viel tatsächlich, ich mag es nicht mich in Schubladendenken, zu definieren. Ich nenne mich immer liebevoll Projektmanagerin, weil ich ganz viele Projekte habe (Mai lacht), ich habe sowohl wirtschaftspsychologische Projekte bei Firmen, aber auch das Privatkundengeschäft mit ganz wundervollen Seelen, die ich begleiten darf.
Feinfühlige Menschen, die einfach ein bisschen mehr emotionale Stabilität im Leben brauchen, aber eben auch ein selbstbestimmtes Leben führen, wie ich eben auch.
Mai: Was hast du mit dem #metoo-Thema zu tun?
Jasmin: Ich bin selbst (ich mag das Wort überhaupt nicht) Opfer einer Straftat geworden, sprich einer Vergewaltigung in meiner Kindheit. Keiner Psychischen, sondern tatsächlich einer physischen, einer körperlichen Vergewaltigung durch einen Mann aus meiner Familie. (Nachträgliche Anmerkung der Redaktion: Aus persönlichen Gründen, benennt Jasmin den Täter öffentlich nicht näher.)
Die #metoo-Story ist mein Lebensthema. Gleichzeitig muss ich sagen, ich glaube an Gott und ans Universum. Und ich bin auch auf eine Art und Weise dankbar dafür, dass mir das passiert ist.
Wobei das für viele Menschen da draußen glaube ich, sehr komisch klingt, aber ich habe so viel lernen dürfen durch diese Erfahrung, die ich da in meiner Kindheit machen musste.
Es hat mich zu einer stärkeren Persönlichkeit werden lassen.
Mai: Sehr kontroverse Aussage und gleichzeitig höre ich das von sehr vielen Opfern. Es kann ein großes Geschenk sein, aus den schlimmen Sachen, die man erlebt hat, trotz dieser oder vielleicht sogar deswegen, bestimmte Fähigkeiten zu entwickeln, die man in einem “normalen Leben” nicht entwickelt hätte. Dann hätte sich nicht so viel Resilienz, Kraft und Mut oder ähnliches aufbauen können/müssen.
Jasmin: Ja, wohl war. Dieser Überlebensmodus hat ganz lange bei mir eine Rolle gespielt, in meiner ganzen Kindheit bis ich dann schließlich ausgezogen bin. Dann erst habe ich wirklich zu mir selber gefunden und bin auf der Reise auch zu mir selber gekommen.
Es soll nicht den Eindruck erwecken, dass ich dann mit einem Schnippen gedacht habe: “Schön, dass es mir passiert ist.” Um Gottes willen, es war ein langer Kampf.
Mai: An die Leser*innen, wir verraten euch nicht, welcher Mensch das aus der Familie war. Das bleibt bei Jasmin. Es war ein männliches Familienmitglied und wir benennen die Person fortan einfach “Täter” oder “der Mann”.
Mai: Wie ist das bei dir damals gewesen mit dem Missbrauch/ der Vergewaltigung? Ist das etwas Einmaliges gewesen oder ist das regelmäßig passiert? In welchem Zeitraum lag das? Wie können wir uns das vorstellen?
Jasmin: Es ist mehrmals passiert von meinem neunten Lebensjahr bis zu meinem zwölften Lebensjahr. Dann habe ich meine Periode bekommen, wo es dann Gott sei Dank aufgehört hat, weil die Schwangerschaft wäre dann ja ein Problem gewesen.
Es ist folgendermaßen Zustande gekommen: Ich hatte tendenziell als Kind Angst vor Gewitter, da habe ich bei dem Täter Schutz gesucht. Ich bin also freiwillig zu dem Mann hin und hab gesagt, dass ich Angst habe. In der Situation ging es mir merklich nicht gut und ich habe Schutz gesucht.
Diese Situation hat er dann ausgenutzt. Anstatt mir eine starke Schulter anzubieten und für mich da zu sein, hat mich ausgenutzt und sehr viel mehr Körperkontakt mit mir aufgenommen, als schicklich gewesen wäre. Heute stehe ich dazu, dass ich Angst vor Gewitter und Donner habe. Aber mittlerweile weiß ich, dass ich eine starke Frau bin, da drüber stehe und nicht den Schutz eines Mannes brauche.
Ich kann mich an manche Situationen leider nicht mehr erinnern, weil es immer derselbe Ablauf war. Immer, als ich Schutz gesucht habe, wurde das ausgenutzt. Es ist definitiv mindestens dreimal passiert. Es ging sogar so weit, dass er mich angesprochen hat und mich gefragt hat, ob es mir denn nicht gefallen würde.
Da sind so ein paar Sätze in meinem Kopf hängengeblieben, die mich triggern. Die ich dann auch jahrelang danach Stück für Stück verarbeiten und bearbeiten durfte.
Mai: Und das hat dann tatsächlich einfach aufgehört, als du deine Periode bekommen hast? Habt ihr jemals darüber gesprochen oder war das für dich einfach klar?
Jasmin: Das war für mich klar. Wir haben darüber nie gesprochen. Er hat definitiv immer gesagt, dass es ein Geheimnis von uns beiden sei und ich es keinem sagen soll. Gefühlt das Übliche, was der Täter zu seinem Opfer sagt. Dabei blieb es dann auch.
Ich bin dann aber auch relativ stark und schnell in die Pubertät gekommen und wurde dann auch sehr rebellisch. Von daher bin ich selbst so eigenständig geworden, dass ich diesen Schutz in keiner Weise mehr gesucht habe.
Mai: Hast du als Kind schon immer gewusst, dass es nicht richtig ist, dass das nicht richtig ist, was da passiert.
Jasmin: Nein, tatsächlich nicht. Man lebt mit so einer falschen Realität, weil man denkt, das sei normal. Ich habe lange Zeit gedacht, es sei völlig normal, dass so etwas innerhalb der Familie passiert. #metoo-Story
Bis ich dann erstmal im jugendlichen Alter mit 13 oder 14, als ich angefangen habe, mich für Jungs zu interessieren (oder zumindest meine Freundin sich für Jungs interessierten) und man so ein bisschen ins Gespräch kam.
Da habe ich dann mal das eine oder andere Wort fallen lassen, dass mir das ja auch mal passiert sei und dass derjenige das in der Familie macht, ist doch völlig normal... Bis dann meine liebe Freundin Johanna damals zu mir meinte: “Stopp, was hast du da erzählt?” Ich habe das dann weggedrückt und verdrängt.
Als ich 17 war, hat sie mich noch mal angerufen und meinte: “Jasmin? Sag mal ganz ehrlich: Stimmt das eigentlich, was du damals erzählt hast?” Ab ging mein Weg der Heilung dann los.
Da habe ich dann endlich gemerkt, dass ich das von 13 bis 17 (also eigentlich in meinem komplette Pubertät) alles total verdrängt habe. Ich hab mich immer gewundert, warum ich, wenn ich dann einen Freund hatte und wir Sex hatten, ich danach immer geheult habe.
Ich hatte es unbewusst nicht verstanden, aber im Unterbewusstsein war es immer da und ist dann wieder zum Vorschein gekommen, als Johanna mich damals anrief.
Mai (Gänsehaut): Es ist so abgefahren wie die menschliche Psyche funktioniert und wie sie bei jedem anders funktioniert. Das ist für mich so wichtig, das hier immer wieder für die Leser*innen herauszustellen. Es gibt kein Opfer-Stereotyp. Kein Opfer ist gleich. Es gibt nicht DAS Opferverhalten.
Wenn ich mir alleine unsere beiden Geschichten anschaue. Du hast das einfach rausgehauen, weil du davon ausgegangen bist, dass es normal sei. Bei mir war es genau andersherum. Ich wusste von Anfang an: Das ist falsch, da stimmt was nicht und ich habe mich nicht getraut mit irgendjemandem darüber zu reden.
Ich habe ein einziges Mal versucht meiner besten Freundin anzudeuten, was nicht richtig geklappt hat und dann hab ich komplett die Klappe gehalten bis ich erwachsen war.
Ich wusste immer, dass da etwas nicht stimmte, dass was falsch war und hab mir selber die Schuld dabei gegeben. Ich dachte immer, ich sei nicht richtig und ich hätte doch dies und jenes machen müssen. Es ist so krass, dass ein ähnliches Ereignis komplett andere Reaktionen bei den betroffenen Menschen hervorrufen kann.
Auch das mit nach dem Sex weinen. Das hatte ich nie. Ich hab den Großteil meines Lebens sehr gerne und sehr viel Sex gehabt. Ähnliches erlebt und trotzdem komplett anders damit umgegangen.
So spannend und so wichtig wie unterschiedlich du, ich und jeder andere Mensch damit umgeht.
An die Leser*innen: Nur weil jemand sich entsprechend verhält, kannst du nicht sagen, dass derjenige gar kein Opfer sein kann, weil die Person immer so lebensfroh war.
Schaut euch Jasmin und mich an. Ich glaube, wenn uns jemand neu kennenlernt, glaubt niemand, was wir da für einen Scheiß mitgemacht und erlebt haben.
Jasmin: Ich habe auch mal ein wunderbares Buch dazu gelesen auch für meine Heilsgeschichte: “Die unsichtbare Wunde.” Körperliche Wunden siehst du immer direkt. Wenn du jemandem begegnest, siehst du die Narbe, aber solche Geschichten, wie unsere, die sieht man nicht direkt.
Unsere Narben sitzen oft so viel tiefer. Aber umso schöner, dass du uns so eine schöne Möglichkeit gibst, darüber einfach mal sprechen zu können und es in die Welt herausgeschrien werden darf.
Es gibt kein richtig und kein falsch. Das ist so wichtig.
Mai: Total. Wie ging es dann bei dir weiter? Heute bist du 30 Jahre alt. Was ist dann passiert? Wie bist du deine Heilsgeschichte gegangen?
Jasmin: Als ich 17 war, hatte ich einige Probleme mit meinem Ex-Freund, weil ich bis dato immer gedacht hatte, dass nur Männer Sex wollen. Ich hab nie im Sinn gehabt, dass auch Frauen Spaß daran haben können. Das war für mich nicht erforscht.
Das habe ich erst viel später verstanden. Ich bin dann erstmal ganz normal studieren gegangen. Ich habe BWL studiert, Fachrichtung Personal. Es hat mich dann Richtung Mannheim gezogen, dann bin ich ins Ausland gegangen, war in Ghana und in Chile. Im Ausland nach meinem Bachelor, habe ich mir dann gedacht, dass ich nicht mehr auf heile Familie machen will.
Ich hatte da überhaupt keinen Bock mehr drauf. Ich hasste es, den Schein der heilen Familie zu bewahren: “Alles ist doch so wundervoll und bitte sprich nie darüber.” Es gab nämlich, als ich in meinem Bachelor-Studium war, ein Gespräch mit dem Täter.
Damals war ich eine kurze Zeit bei einer Psychologin, die ich vom Frauennotruf vermitteln bekommen habe. Den Frauennotruf kann ich übrigens total empfehlen. Man wird gut vermittelt und man muss sich nicht sofort zu einem Psychologen verpflichten.
Da war ich zuallererst und da hab ich das allererste Mal darüber gesprochen, was mir passiert ist. Im Studium war die Prüfungszeit teilweise sehr hart und dann kamen psychische Probleme dazu.
Da habe ich mich dann gefragt, warum ich nicht so gut funktioniere. Das hat mich so getriggert und mich immer wieder zu dem Gedanken geführt, dass ich doch eigentlich mehr auf meine Psyche achten sollte.
Und dass ich schauen sollte, was da genau passiert ist und vor allem wie mich das eigentlich in der Gegenwart noch beeinflusst. Dann bin ich zu der Psychologin und dann hat das Gespräch mit dem Täter und mir stattgefunden. Ich habe lange nicht verstanden, warum jemand so etwas tut. Ich brauchte dafür einfach eine Erklärung.
Mai (überrascht): Und er war dazu bereit?
Jasmin: Er war dazu bereit. Das war für mich sehr krass. Damals war das aber total gut. Ich habe die Antwort bekommen: “Naja Jasmin, ich habe dich halt so sehr geliebt.” Das war die Antwort des Täters, mit der ich aber leider auch nicht leben konnte. Damit konnte ich nichts anfangen.
Ich war dann weiterhin in der psychologischen Betreuung, bis es mit der Psychologin leider nicht mehr gepasst hat. Dann bin ich einfach wieder ins Ausland, weil mir das auch alles einfach zu viel wurde.
In der Familie wurde das weiterhin totgeschwiegen.
Mai: Wussten es denn andere Familienmitglieder?
Jasmin: Ja, einige wussten es, aber noch lange nicht alle.
Mai: Okay, also es wurde einfach nicht darüber gesprochen?
Jasmin: Es wurde einfach nicht darüber gesprochen und bisweilen wurde mir auch der Mund verboten. Also im Sinne von: ”Sag doch derjenigen/demjenigen nichts davon”.
Im Ausland habe ich dann erstmal zu mir selber gefunden und bin dann, nachdem ich in Ghana und Chile war, mit dem festen Entschluss zurück nach Deutschland gekommen, den Täter anzuzeigen, inklusive aller Konsequenzen.
Mit der Konsequenz, dass ich dann erstmal kein Zuhause mehr habe, dass mich meine Familie vielleicht ausstößt und mir die Schuld dafür gibt, dass man die Familie zerstört wurde und so weiter. Mit allen Konsequenzen, hab ich gesagt, möchte ich leben und ich möchte diesen Schritt zur Anzeige gehen.
Das war dann auch ein langer Weg. Von der Anzeige bis zum Prozess hat es ein Jahr gedauert (also nicht so lange wie bei dir). Man muss auch dazusagen, wenn es innerhalb der Familie stattgefunden hat, verjährt es erst ab dem Moment, in dem man als Opfer auszieht und nicht ab dem 18. Lebensjahr.
Wenn jemand zum Beispiel bis 25 daheim gelebt hat, dann gilt die Verjährungsfrist erst ab dem 25. Lebensjahr (nur innerhalb der Familie).
Deswegen war das für mich gar nicht so schlecht, weil die Verjährung noch abgelaufen war. Er hat es dann tatsächlich auch vor Gericht gestanden.
Und ich habe mir nochmal psychologische Hilfe geholt. Ich wusste nicht, wie das ganze mit dem Prozess und mit dem Anwalt wird und wie das alles so läuft. Und wenn meine Erwartungen und Hoffnungen nicht zufriedengestellt werden, brauchte ich auf jeden Fall jemanden an meiner Seite, mit dem ich darüber reden kann, der nicht aus meinem engsten Familien- oder Freundeskreis ist, sondern eine neutrale Person.
Die Strafe war für mich dann eher niederschmetternd, um ehrlich zu sein. Innerhalb des Prozesses wurde sehr viel auf Alkohol geschoben. Das wirkte natürlich strafmildernd. Während das passiert ist, hatte er wohl auch psychische Belastungen. Ich weiß nicht, ob das stimmt oder nicht. Daran kann ich mich nicht mehr so recht erinnern.
Ich weiß auch gar nicht, was in ihm vorgegangen ist. Am Ende war es nur auf Bewährungsstrafe. Es war keine Haftstrafe. Und er musste mir Schmerzensgeld zahlen und an eine Organisation spenden. Mehr nicht.
Mai: Du hättest ihn aber gerne im Gefängnis gehabt?
Jasmin: Zu dem Zeitpunkt schon, weil ich dachte, das wäre vielleicht die “gerechte Strafe”. Aber was ist schon gerecht? Dann hat für mich erst der eigene Prozess angefangen - für mich in die Vergebungsarbeit zu gehen, vorher ging das gar nicht. Ich war zu sehr in meinem Hass und zu versessen darauf Gerechtigkeit für meine #metoo-Story zu erfahren.
Das war alles vor über sieben Jahren. Damals war ich 23/24 Jahre alt. In diesen letzten Jahren hat für mich eine viel stärkere Transformation stattgefunden: in meinem Charakter, meinem Wesen, in meiner eigenen Entwicklungsfähigkeit und im Entdecken meiner Sexualität.
Mai: Wie ist das heute? Habt ihr nach dem Gerichtsprozess noch einmal Kontakt gehabt oder ist der Kontakt seit dem abgebrochen?
Jasmin: Während des Verfahrens war der Kontakt zuerst noch da, man hat versucht mir klarzumachen, dass ich die Anzeige doch bitte wieder zurückziehen soll. Aufgrund der Tatsache, dass man damit den Familienruf schädigend würde.
Mai: Innerhalb der Familie wurde dir das nahegelegt?
Jasmin: Genau. Der Täter hat mir das am Ende des Tages nahegelegt. Da hab ich dann direkt gemerkt, dass ich das nicht will. Ich habe dann direkt meinem Anwalt Bescheid gegeben. Dieser hat er gemeint, ich solle erst mal gar keinen Kontakt mehr mit dem Mann haben und es bis zum Ende des Prozesses auch dabei zu belassen.
Das hab ich dann auch gemacht, bis ich letztes Jahr September das erste Mal wieder Kontakt aufgenommen habe. Ganz behutsam und noch nicht einmal zum Täter persönlich, sondern zu einem anderen, weiblichen Familienmitglied. Ich war sehr lange sauer auf sie, weil ich dachte, dass sie mich hätte beschützen können.
Das war für mich ganz schwer zu verstehen, dass ich ihm ausgeliefert war und dass jemand das möglicherweise sieht, aber nichts dagegen tut. Das musste ich erst mal sacken lassen und deswegen tat mir der lange Kontaktabbruch extrem gut, weil ich mal wieder wirklich durchatmen konnte, wieder zu mir kommen konnte, das Leben genießen konnte, mich sexuell ausprobieren konnte, Affären hatte und zu meinem Körper und zu mir selber finden konnte.
Letztes Jahr habe ich dann nach einer Cacao Zeremonie gespürt, dass wir Frauen total miteinander verbunden sind und ich dieser Frau lange nicht verziehen habe, dass sie mich nicht beschützt hat. Ab da bin ich dann irgendwie in das Vergeben reingerutscht. Ich habe Verständnis gefühlt. Vielleicht war sie auch gerade schwach? Vielleicht konnte sie das gerade einfach nicht?
Aus dieser Dankbarkeit heraus, dass wir Frauen eigentlich alle miteinander verbunden sind und dass es wichtig ist, dass wir verstehen lernen, dass wir alle eins sind und aus Liebe bestehen. Wir alle sind aus Liebe. Das hat mich stets überleben lassen und hat mich letztlich auch zu diesem altruistisch denken geführt.
Diesen beiden Seelen sowohl dem Täter als auch der Frau, die mich hätte beschützen können/sollen: Ihnen kann ich heute begegnen und ihnen einfach nur das Beste dieser Welt wünsche, weil ich weiß, dass ihre Seelen damit umgehen müssen und nicht ich.
Mai: Psychologisch gesehen ist es ganz oft so das gerade für weibliche Opfer der “Verrat” durch die weibliche Seite, egal ob Mutter, Tante, Oma die weggeschaut haben, obwohl deren Partner, Geschwister oder andere sich am Kind vergehen, ein ganz großes Misstrauen innerhalb des eigenen Geschlechts verursacht.
Dass sich da Konkurrenzdruck bildet, man lieber mit Jungs abhängt, dass dadurch der Umgang mit dem eigenen Geschlecht in Schieflage gerät. Wie ist das denn bei dir gewesen? Kannst du das auch beobachten, wenn du zurückschaust?
Jasmin: Ja, tatsächlich klar. Ich finde, bei uns Frauen ist es oft so, dass da nicht einmal etwas passiert sein muss und wir trotzdem in diesem blöden Konkurrenzdenken drin sind.
Ich mag das eigentlich überhaupt nicht, habe es aber lange nicht gecheckt, weil ich nach dem Studium direkt wieder zurück nach Deutschland bin und direkt mit meinem Job angefangen habe.
Damals bei einer Personalberatung und bin dann im Personalwesen von verschiedenen Firmen unterwegs gewesen. Und da habe ich schon gemerkt, weil in dem Bereich insbesondere Frauen arbeiten, dass es da natürlich Zickereien gab.
Ich fand Männer da ein Stück weit entspannter. Also ich hab mich schon immer unter Jungs und Männern wohlgefühlt. Man hat mir auch immer als Kind nachgesagt, (ich habe noch einen kleinen Bruder, der eher der Weichere ist), dass ich der Mann hätte werden sollen und mein Bruder die Frau.
(Jasmin lacht) Meine Oma sagt das bis heute noch, letztens habe ich ihr aber gesagt, dass ich dieses Statement nicht mehr hören möchte, weil ich mittlerweile auch anerkennen kann, dass ich beides in mir habe.
Männliche und weibliche Züge. Ich bin die toughe Frau, genau so bin ich aber auch weich und fragil und natürlich möchte ich auch von Männern erobert werden und als Prinzessin behandelt werden.
Es ist beides in mir und das ist auch gut so. Und von diesem Statement bin ich auch erst seit letzten Jahr so richtig überzeugt. Das sind zwei wunderbare Anteile von mir und ich bin eine wunderbare Persönlichkeit mit all dem, was mich ausmacht.
Das war der erste Teil von Jasmins #metoo-Story. Wenn du erfahren möchtest, wie Jasmin zu diesen Einsichten gekommen ist, welche Dinge sie noch unternommen hat, um sich selber zu heilen, was sie jedem Opfer rät und was ihr Herzensprojekt heute ist, schau gerne beim zweiten Teil des Blogposts vorbei.
Bis bald!
Deine Mai
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Hi, ich bin Mai 😊 Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht Opfern sexuellen Missbrauchs zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Auch wenn eure Scham und Angst etwas anderes erzählen: Das ist nicht wahr! Und es kommt noch besser: Der richtige schöne Teil eures Lebens liegt noch vor euch! Ich habe es geschafft, aus dem schlimmsten Erlebnis meines Lebens, eine enorme Kraft zu ziehen & mein Leben nach meinen Ideen neu zu gestalten - also kannst du das auch! Deine Mai 💛
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