Ein sexueller Übergriff in der Kindheit und innerhalb der Familie ist leider keine Seltenheit. Darüber zu sprechen, wie wichtig Verständnis und der Glaube von der Außenwelt ist, die Aufarbeitung und letztendlich dem Täter verzeihen zu können sind Themen dieser Podcast Folge.
In diesem Interview ist Gloria zu Gast, die mit 8 Jahren innerhalb ihrer Familie sexuell missbraucht wurde. Heute ist sie 22 Jahre alt und hat einen eigenen Blog und Podcast, wo sie über alles plaudert, was ihr auf dem Herzen liegt, wofür sie sich interessiert oder was sie gerade so hinterfragt.
Ich bin durch eine Freundin auf sie aufmerksam geworden und freue mich sehr sie interviewen zu dürfen. Sie erzählt uns ihre Geschichte und gibt Tipps, wie andere Opfer in einer ähnlichen Situation mit umgehen können.
Im zweiten Teil erfährst du dann, wie sie jetzt zu dem Teil der Familie steht, in dem der sexuelle Übergriff geschehen ist, und was deren Reaktionen waren, als sie davon erfahren haben, dass jemand aus der Familie sie sexuell missbraucht hat.
Mai: Herzlich willkommen zu einem neuen Interview. Gloria Gehrke ist heute bei mir, sie bezeichnet sich selbst als ehrliche Podcasterin und Bloggerin.
Sie nimmt ihre gesamten Podcasts in einem Take auf, das heißt, sie lädt sie hoch, wie sie sind, ohne die Versprecher heraus zu schneiden.
So ehrlich und authentisch wie Gloria eben einfach ist. Ich freue mich riesig, dass sie heute hier ist. Hi Gloria.
Gloria: Es freut mich, dass ich dabei sein darf.
Mai: Zum Einstieg habe ich drei Entweder-oder-Fragen für dich:
Berge, Strand oder Balkonien?
Gloria: Strand.
Mai: Ski/Snowboard oder Schneewandern?
Gloria: Ski.
Mai: Badeanzug/Bikini oder FKK.
Gloria: FKK.
Mai: Sehr sympathisch.
Mai: Gloria, magst du dich nochmal selber vorstellen? Ein bisschen habe ich ja schon verraten.
Gloria: Klar, ich bin Gloria, bin noch 22 Jahre alt, wohne momentan in Berlin. Was gibt es großartig über mich zu sagen? Du hast schon viel über mich gesagt, womit ich mich identifiziere.
Ich bin Podcasterin und Bloggerin wobei mein Blog gerade etwas still steht. Aber mein Podcast ist meine Leidenschaft und ich rede viel über den Alltag.
Was mich ausmacht, ist wirklich die Ehrlichkeit, da ich viel Wert darauf lege, ein ehrliches Leben zu führen und deswegen auch sehr viel hinterfrage. Probleme, die mich bedrücken, schiebe ich nicht weg, sondern ich kümmere mich darum.
Wenn Leute mich fragen, womit ich mein Geld verdiene, bin ich nebenberuflich Bewerbungscoach mit einem Start-up, und bin seit vier Jahren Babysitterin und passe auf eine Vierjährige auf.
Ich komme ursprünglich aus Österreich, habe da auch 15 Jahre lang gewohnt.
Mai: Gloria beschäftigt sich mit unglaublich vielen Dingen, das werdet ihr in diesem Interview auch merken. Außerdem ist sie für ihre 22 Jahre sehr reflektiert. (Wieder an Gloria gerichtet:) Das habe ich schon im Vorgespräch mit dir gemerkt, wie viel du schon über Dinge nachgedacht, reflektiert und für dich adaptiert hast.
Ein Beispiel aus ihrem Podcast: Sie isst zwar selber Fleisch, hat aber eine Folge zu Veganismus gemacht. Einfach weil es sie interessiert, da es gerade überall präsent ist.
Gloria: Ja das war mir auch wichtig, weil ich selber immer alles ausprobiere und mir das wichtig ist, dass man nicht sagt: Kenne ich nicht, mach ich nicht. Bin da auch einfach durch meinen Papa viel geprägt worden, der immer gesagt hat: Probiert wird. Meistens ging es ums Essen.
Das ist eben hängen geblieben und das lebe ich jetzt immer noch so. Habe mich davor aber auch schon viel damit beschäftigt. Mein Freund ist Vegetarier. Das ist ab und zu schwierig.
Ich habe letztens mit Freunden darüber gesprochen, die meinten: “Du wirkst eben sehr vegan.” Die haben mich prompt für einen Veganer gehalten.
Was man nach außen ausstrahlt. Ich mache eben nicht publik, dass ich Fleisch esse, sondern ich mache das einfach. Ich muss ja nicht darauf herumtrampeln. Ich gucke, dass das Fleisch vernünftig ist.
Keinen übertriebenen Massenkonsum. Deswegen war es mir wichtig, darüber zu reden und es macht ja auch Spaß, Sachen auszuprobieren.
Mai: Über mehrere Ecken habe ich von dir und deinem Podcast erfahren, wo du auch unter anderem in einer Folge darüber geredet hast, dass du sexuell missbraucht worden bist.
Habe mich dann über die Kathrin Weidner, die Coach für offene Beziehung ist, die ich auch schon interviewt habe, mit dir kurzgeschlossen. Ich habe ja eine kleine Mission. Eigentlich eine riesige Mission.
Gloria: Eine verdammt große Mission, da hast du dir einen großen Schuh angezogen, Hut ab.
Mai: Ich habe mir die Mission gesetzt mit den Blogposts und Podcast-Folgen, Opfern, Betroffene, Überlebende, wie auch immer sie sich nennen mögen, eine Stimme zu geben.
Um einerseits ihre Geschichte erzählen zu lassen, andererseits, was noch viel heilsamer ist: Für alle anderen, die zuhören, die noch nicht so weit sind darüber zu sprechen, die vielleicht noch nicht mal so weit sind es sich einzugestehen - noch nicht in Psychotherapie sind oder irgendeine Hilfe von außen bekommen.
Denen einfach das Gefühl zu geben, dass sie nicht alleine mit ihren Gedanken und Gefühlen sind. Dass es was Systemisches ist, und es vielen Opfern gleichermaßen ergeht. Dass es Gedanken sind, die ganz viele haben und sie nicht falsch sind, sondern sie genau richtig sind, wie sie sind.
Sie daran arbeiten und vielleicht auch irgendwann strahlen dürfen und ehrliche Blogposts und Podcasts in die Welt hinaus rufen. Wie zum Beispiel die Gloria. Da bin ich superfroh und dankbar, dass sie so spontan auf ein Interview Lust hatte.
Gloria: Klar, wenn es um das Thema geht, bin ich immer da. Ich hätte mir früher jemanden gewünscht, der das so offen herumträgt. Mit dem man sich Austauschen kann, weil es einem am Anfang schon schwerfällt, sich selber zu glauben.
Man glaubt einem selber nicht, weil man Angst hat und es ist so wichtig, dass man da auf sein Gefühl vertraut und realisiert, dass es keine Einbildung gewesen ist, sondern Fakt ist.
Das hat bei mir erst mit der ganzen #MeToo Bewegung angefangen. Deswegen finde ich das auch so wichtig und schön, dass du einen eigenen Podcast darüber gemacht hast. Das freut mich sehr.
Mai: Danke. Ich habe das jetzt schon von so vielen Frauen gehört, dass es bei Ihnen wirklich mit der #MeToo Bewegung begonnen hat, wie bei mir auch. Deswegen heißt der Podcast ja auch so. Dieser Begriff: “Ich auch, mir ist das auch passiert.” Das war für mich so kraftvoll.
Ich nenne es meinen ersten #MeToo Moment, als ich das allererste Mal in meinem Leben jemanden getroffen habe, dem das auch passiert ist.
Da haben sich Berge von meinem Rücken gelöst und sind heruntergefallen, weil ich endlich nicht mehr alleine war. Ich war endlich nicht mehr dieses Einhorn, welches das Gefühl hatte, ganz alleine und einsam auf dieser Welt zu sein.
Gloria: Ich kenne dieses Gefühl, es erleichtert einen. Aufgekommen ist es bei mir in der #MeToo Phase, beschäftigt habe ich mich aber aktiv erst ein halbes Jahr oder länger danach.
Das war auch mehr so Zufall, ich hatte ein Coaching bei einem Sexual-Coach gewonnen. Ich hatte davor noch nie etwas gewonnen, also es war wohl an der Zeit es raus zu lassen.
Dann bin ich da hingegangen und habe darüber mit ihr gesprochen und das war mein erster Schritt in die richtige Richtung. Nicht das die andere Richtung falsch ist, aber in die richtige Richtung für mich.
Mai: Der Weg Richtung Heilung. Bevor ich jetzt irgendwelche Suggestivfragen stelle, magst du einfach mal ganz frei darüber erzählen? Wie kam es für dich dazu?
Einerseits erzähle so viel wie du magst über das, was überhaupt passiert ist und was sich für dich stimmig anfühlt. Andererseits wie du dann eben zur Aufarbeitung gekommen bist.
Ich frage einfach immer mal zwischendrin rein.
Gloria: Um zu der Geschichte selbst zu kommen. Es ist innerhalb der Familie passiert. In der Familie vertraut man Menschen. Onkel, Tante, Opa, Oma, Vater, Mutter je nachdem.
Man hat ein Urvertrauen zu der Familie und fühlt sich sicher. So ging es mir damals auch. Ich war damals 8 Jahre alt und früh pubertär.
Ich hatte mit 8 Jahren meine erste Periode und ich kam schon langsam in die Pubertät. Ich war ein Riese und ein Lauch. Ich war einfach nur ein sehr großes Kind.
Das Ganze fing beim Spazierengehen an. Dass er mich angefasst hat, also meine Hand gehalten hat. Wir waren mit dem Hund draußen und er hat sich meine Hand dann in seine Hose gesteckt.
In diesem Moment dachte ich schon: Ist das richtig? Gehört meine Hand dahin? Man hat, als Kind schon einen Mechanismus, an dem man merkt, was richtig oder falsch ist, aber man kann es nicht einordnen.
Es ist halt immer wieder passiert und immer in den Sommerferien als ich über mehrere Wochen hinweg zu Besuch war.
Wir waren mit dem Hund draußen und jedes Mal landete meine Hand bei ihm in der Hose. Das war so richtig unangenehm.
Die hatten einen Swimmingpool und ich war dann oft schwimmen und wenn die Person auch drinnen war. Hat er mich immer von hinten und vorne an sich herangezogen, sodass man halt, Dinge gespürt hat, die man als Kind nicht spüren möchte.
Trotz das dieser sexuelle Übergriff passiert ist, weiß ich nicht mehr genau, was noch alles passiert ist. Es sind so Sachen, an die ich mich bewusst erinnere und Dinge, wo ich sagen kann, dass ich sie das erste Mal ausspreche.
Er hat mich an Stellen angefasst, wo ein erwachsener Mensch ein Kind nicht anfassen sollte. Der sexuelle Übergriff war mir so unangenehm und ich habe immer versucht, dass zu verdrängen.
Bewusst und aktiv dem Menschen aus dem Weg gegangen bin ich mit 12. Vier Jahre danach. Wo ich dann langsam realisiert habe, dass es nicht richtig ist, was passiert ist.
Das ein sexueller Übergriff wirklich stattgefunden hat. Wie gesagt kann ich mich an vieles nicht mehr erinnern, wahrscheinlich, weil ich es bewusst verdrängt habe.
Von jemand anderem habe ich erfahren, dass es zu mehr hätte kommen können, dass er zu mehr in der Lage war. Deswegen will ich nicht sagen, dass nur das passiert ist. Es ist nur einfach unangenehm, daran zu denken, dass ein erwachsener Mensch und innerhalb der Familie so etwas tut.
Jahrelang habe ich das ignoriert und mir eingeredet, dass er das bestimmt nicht so gemeint hat. So fängt das dann an, dass man das Thema und ein sexueller Übergriff selbst einfach verdrängt.
Man hat viel über diese Themen gehört und ich habe schon als Kind oder Jugendliche Dokumentationen sexueller Übergriffe und Missbrauch gesehen. Ich glaube, das war auch die Phase, wo Natascha Kampusch wieder aufgetaucht ist.
Man hört halt viel, was Kindern passiert und dann sitzt man trotzdem als Kind oder Jugendlicher da und denkt sich: “Das war nicht so schlimm.” Man merkt es dann erst im Nachhinein.
So war es zumindest bei mir. Ich habe mit meinem ersten Freund gemerkt, dass ich doch damit Probleme habe, wenn mich ein Mann anfasst.
Ich wollte nicht, dass es enger, intimer wird. Ich war 15, als ich meinen ersten Freund hatte und wollte ihn auch unbedingt küssen, aber das hat sich nicht gut angefühlt.
Man hat immer irgendwas gehabt, wo man meinte, dass da etwas nicht passt. Ich hab dann auch wirklich jahrelang gesagt, dass nie etwas passiert ist. Selbst nach den ersten sexuellen Erfahrungen war das dann immer noch so. “Das hat nichts damit zu tun.”
Gloria: Dann kam die Situation, das ist auch mein Weg zur Heilung gewesen: Ich war vor 3 Jahren bei meiner Mutter in der Küche, da war ich 18 Jahre alt. Ich habe Gemüse geschnitten und meine Mutter hatte einen Satz fallen lassen in die Richtung: “Der hat ja immer die Frauen angefasst.”
Ich habe dann beim Gemüseschneiden, so völlig hirnlos und in meiner Trance gesagt: “Nicht nur die Frauen.” Und meine Mutter so: “Wie bitte?” Meine Schwester hat das dann wiederholt und dann kam eben noch die Situation, dass eine andere Person aus meiner Familie, die das gehört hatte, angefangen hat zu weinen. Das war der Trigger-Punkt.
Die Situation hatte sich dann aber ein bisschen beruhigt und ich wollte dann erst mal nicht mehr darüber sprechen. Bis ich dann ein halbes Jahr später die Person, die geweint hatte, angerufen habe. Ich habe der Person dann gesagt, dass ich ihr etwas erzähle, sie solle nur sagen, ob das bei ihr auch so war oder nicht.
Ich habe nur fünf Minuten geredet und das wiedergegeben, was ich vorher erzählt habe, was abgelaufen ist und innerhalb von fünf Minuten hat die Person geheult.
Da habe ich mich so krass bestätigt gefühlt, dass ich es mir wohl doch nicht eingebildet habe.
Nicht, weil die Person angefangen hat zu weinen, sondern einfach, weil die Person anscheinend das Gleiche fühlte wie ich. Ich wollte auch losheulen, ich wusste nur nicht wie.
Der sexuelle Übergriff war ein Thema über das wir dann weiterhin gesprochen haben. Ich habe dann beschlossen, dass ich es meiner Mutter und meinem Vater erzählen muss.
Die andere betroffene Person hat mir dabei geholfen und hat gesagt, sie würde es ihnen dann auch erzählen. Es war schwierig, weil ich das über Videocall machen musste, da meine Eltern noch in Österreich wohnen und ich frisch in meine Wohnung eingezogen bin. Ich saß also in Berlin und hab, das über Videocall erst mal nur meiner Mutter erzählt.
Ich bin das Küken meines Vaters und meine Mutter wusste nicht, wie der sexuelle Übergriff ihn reagieren lassen würde. Nach einer Woche konnte ich aber nicht mehr, ich musste es ihm einfach erzählen.
Nicht weil ich mich gefreut habe, dass ich darüber gesprochen habe, sondern einfach, weil es ein Teil von mir ist. Mein Vater weiß gefühlt alles von mir, abgesehen von meinem Sexualleben. (Gloria lacht.)
Der sexuelle Übergriff ist etwas, das sollte er wissen, weil es die Familie betrifft. Er kennt die Person auch. Das war mir so wichtig, weil ihm die Person wichtig ist und mir früher auch wichtig war. Dann habe ich es meinem Vater auch noch erzählt.
Gloria: Das war der größte Schritt in der Entwicklung für mich, dass mein Vater mir ohne, dass ich einen Beweis oder irgendwas anderes gebracht habe, einfach geglaubt hat.
Er hat nicht gefragt, was passiert ist. Er hat nicht gefragt, wann es passiert ist. Er hat nichts gefragt. Er saß einfach da und hat gesagt: “Ich glaube dir.”
Früher habe ich mir selber nicht mal geglaubt und jetzt glauben mir das zwei, drei andere Leute auch noch, obwohl sie dafür nicht mal ansatzweise einen Beweis dafür haben. Meiner Meinung nach ist ein Beweis für sowas auch sowieso richtiger Schwachsinn. Wenn man sich so etwas ausdenkt... also ich weiß auch nicht.
Dieses Gefühl, dass einem jemand glaubt, ist befreiend. Das macht schon ganz viel. Deswegen ist es so wichtig, darüber zu reden. Deswegen ist es mir auch so wichtig offen darüber zu sprechen, weil ich dann nämlich angefangen habe mir darüber Gedanken zu machen, was ich jetzt machen soll.
Man sitzt dann da und weiß: Die Glauben mir und was mache ich jetzt? Zeigt man ihn an? Das hat ja nicht wirklich Verjährungsfrist. Tut man sich das an, vors Gericht zu gehen? Wird das überhaupt vor Gericht gehen? Geht man zum Therapeuten? Ruft man eine Hotline für Missbrauchsopfer an?
Ich habe mir dann eine Woche lang Gedanken darüber gemacht, was ich jetzt machen will. Bis ich dann irgendwann selber gemerkt habe, dass allein darüber zu sprechen, mir total geholfen hat und ich mich gut damit fühle.
Und dann lag das wieder erstmal eine lange Weile. Ich glaube, so etwas zu verarbeiten, braucht lange. Zeig mir ein Opfer, das innerhalb von drei Tagen geheilt wurde. Das funktioniert nicht. Jeder hat eine andere Art damit umzugehen, andere gehen dann einmal die Woche zum Therapeuten.
Ich habe für mich entschieden, das nicht zu tun. Wenn der Zeitpunkt gekommen ist und ich merken würde, dass ich Hilfe brauche, würde ich definitiv welche annehmen.
Gloria: In dem Moment, wo ich dann dieses Coaching gewonnen hatte, habe ich das erste Mal offen darüber gesprochen.
Über die Fragen, die mir im Kopf waren: Warum tun Menschen so etwas? Wieso hat der das bei mir gemacht? Gab es vielleicht noch andere Opfer? Solche Fragen, bei denen man sich vielleicht bei jemandem, den man kennt, doof vorgekommen wäre.
Diese Frage: “Warum ich?” Sie hat mir das dann ganz faktisch erklärt, dass manche Erwachsene Vorlieben für sehr kindliche Menschen oder einfach Kinder haben.
Bei manchen Menschen ist das normal, ich will auch gar nicht sagen, dass diese Menschen krank sind. Sie können wirklich nichts dafür meiner Meinung nach. Aber das dann auszuleben finde ich traurig. Kinder können das nicht unterscheiden.
Als Babysitterin sehe ich oft genug ein vier jähriges Mädel, wo ich mir denke, wie schlimm das wäre, wenn da etwas in die Richtung passieren würde.
Einfach weil man selber weiß, wie es ist. Was ein Mensch aus einem anderen Menschen quasi macht. In dem Coaching ist mir dann auch vieles bewusst geworden. Wieso ich Probleme mit Männern hatte.
Gloria: Als ich nach Berlin gezogen bin, hatte sich mein Ex-Freund von mir getrennt und das war eine Phase, in der ich ausprobieren wollte. Da dachte ich mir oft, warum ich nicht wie andere Frauen, Spaß am Sex haben kann?
Ich hatte letzten Sommer so eine Art Freundschaft Plus und mit dem hatte ich das erste Mal geschlafen.
Da habe ich dann aus heiterem Himmel einfach angefangen zu heulen.
Einfach nur weil das Geräusch und das Gefühl von seinem Bauch, der gegen meine Oberschenkel klatscht, für mich unerträglich war.
Das war der Trigger. Ich lag danach da und dachte mir nur, das ist nicht so wie sonst. Ich habe sonst immer alle meine Partner vorgewarnt. “Wenn ich anfange zu weinen, ist das nicht deine Schuld, du hast mir nicht wehgetan, außer ich sage es dir.”
Ich wusste in dem Moment natürlich, warum ich so reagiert habe. Ich habe meine Probleme damit. Ich hatte dann auch ganz offen mit ihm darüber gesprochen und habe ihm erzählt warum. Er hatte völliges Verständnis dafür und wir haben es dann erstmal gelassen.
Das hilft auch viel, wenn Sexualpartner völliges Verständnis dafür haben. Mein jetziger Freund nimmt da auch einfach Rücksicht darauf. Es ist nicht hilfreich, wenn ein Partner beim Sex keine Rücksicht auf seine Freundin nimmt, die ein sexueller Übergriff erlebt hat, und man nicht darüber redet.
Ich rede wie gesagt viel darüber. Öffentlich habe ich den sexuellen Übergriff letztes Jahr im Juli mit meinem Podcast gemacht. Vor einem Jahr. Da bin ich richtig stolz auf mich.
Damit habe ich dann auch den Rest meiner Familie getriggert. Bis zu dem Zeitpunkt wussten es nur diese drei Personen. Meine Eltern und das andere Familienmitglied.
Danach kamen dann die Fragen von der restlichen Familie. Ich habe reihenweise Anrufe bekommen, wie ich mich jetzt damit fühle, als wäre ich geistig behindert. Da dachte ich mir: Ich bin nicht krank, ich habe das nur öffentlich gemacht.
Ich habe aber auch viele Nachrichten von Freunden bekommen die gesagt haben, dass sie stolz auf mich sind, dass ich das gemacht habe. Eine Freundin, die selbst auch ein sexueller Übergriff erleben musste, mit der ich bis heute immer wieder Kontakt habe, fragt mich regelmäßig, wie ich damit umgehe. Ich bin auch immer für sie da.
Sie hatte in letzter Zeit viel Probleme mit dem schlafen. Da habe ich ihr dann mitten in der Nacht geantwortet, versucht ihr zu helfen, sie solle es doch so machen wie ich mit meiner Vierjährigen: Nimm dir eine Lampe, renne durch deine Wohnung und sag: “Hier ist niemand.” Versuche einfach Sachen aus!
Gloria: So habe ich das auch gemacht. Ich habe Sachen ausprobiert, weil ich auch ganz lange mit der Selbstbefriedigung Probleme hatte, weil das für mich ganz lange eklig war. Ich meine für viele junge Mädchen ist das eklig.
Aber ich hatte das ganz lange, dass ich mich danach eklig gefühlt habe, weil das wohl nicht das Richtige war, das fühlte sich erzwungen an.
Das braucht Übung. Ich bin mir sicher, dass das von diesem gestörten Verhältnis von sexuellen Handlungen aus meiner Kindheit kommt. Deswegen arbeite ich das gerade mit unterschiedlichsten Sachen auf. Hauptsächlich reden, weil das wirklich wichtig ist.
Da bestehe ich drauf, wenn mich jemand nach meinem Problem fragt, dann erzähle ich die ganze Geschichte. Ich sage immer: Wie soll ich jemanden verstehen, wenn ich seine ganze Geschichte nicht kenne? Ich kann jemanden nicht beurteilen und völlig bescheuert finden, weil er komisch geredet hat. Vielleicht redet der komisch, weil er ein Problem mit sich selber hat.
Deswegen versuche ich alles direkt auf den Tisch zu packen, damit die Leute nicht denken, jetzt ist sie voll Banane.
Mai: Und selbst wenn? Ein bisschen das ist völlig okay. (Mai lacht.)
Mai: Noch eine Anmerkung für die Leser, vielleicht ist es euch schon aufgefallen. Gloria verrät die Person nicht genau im Familienzusammenhang. Darüber haben wir im Vorhinein gesprochen, denn dadurch, dass es in der Familie passiert ist, ist es einfach noch mal was anderes. Es sind dadurch auch andere betroffen, die denjenigen kennen.
Es ist häufig so, dass sobald ein sexueller Übergriff innerhalb der Familie stattfindet, entweder gar nicht darüber gesprochen wird oder darüber geschwiegen wird, um das Familien-System zu schützen und aufrechtzuerhalten.
Dieser Schutz vom Familiensystem, das ja früher für uns überlebensnotwendig war, ist einfach so tief veranlagt in uns Menschen. Gleichzeitig dürfen wir uns heute als erwachsene und mündigen Menschen von unserer Familie abgrenzen, wenn sie uns nicht mehr gut tut.
Gloria: Genau. Ich werden diese Person nicht mein Leben lang hassen. Ich habe ihn eine Weile lang gehasst und Leute, die mich kennen wissen, dass wenn ich jemanden hasse, dann hat derjenige wirklich was angestellt.
Gloria: Noch ein wichtiger Schritt, wahrscheinlich der wichtigste Schritt meiner Heilung war vor zwei Jahren zu Weihnachten. Ich saß im Büro und habe gerade was von Laura Malina Seiler angehört, in Bezug auf Vergebung.
Wo ich mir dann dachte das, dass das eigentlich keine schlechte Idee wäre. Und dann saß ich da im Büro und hab mir überlegt, ob ich mich mein Leben lang mit dem Hass herumschlagen will.
Das wollte ich nicht. Ich will weder die Person noch den Hass mein Leben lang mit mir herumschleifen. Ich möchte diese Person nicht in meinem Leben haben. Ich hatte schon ein Jahr lang keinen Kontakt mehr zu den Familienmitgliedern von der Person und zu der Person selbst auch nicht.
Ich habe mich dann im Büro hingesetzt und habe das, wie Laura es erklärt hat, gemacht. Es geht darum sich hinzusetzen und sich vorzustellen, das mit der Person zu klären. (Hier geht's zu "Dem Täter vergeben" - Mai's Geschichte)
Ich habe mir ihn dann vorgestellt und in Gedanken gesagt: “Schön, dass du da bist, wir müssen mal reden.” So wie ich einfach bin. Ich habe dann gesagt, dass ich ihn nicht in meinem Leben haben will, das ich ihn nicht hassen will, ihn nicht lieb haben will, ihn in meiner Familie haben will, ihn bei Namen nennen will. “Ich will einfach nur, das du weg bist.”
Gar nicht im bösen Sinne, sodass er stirbt oder sonst irgendwas, sondern einfach nur, dass er kein Teil mehr meines Lebens ist. Was schwierig ist, da er immer irgendwo einer bleiben wird.
Ich habe imaginär zu ihm gesagt das, was er gemacht hat, war wirklich scheiße und ich werde es auch nicht gutheißen und ich werde auch nicht sagen: Schwamm drüber.
Es ist blöd gelaufen. Ich weiß nicht, was deine Gründe waren. Ich weiß nicht, was er für Probleme hat, aber ich vergebe ihm, weil ich ihn nicht mehr weiterhin in meinem Leben haben will.
“Ich vergebe dir, weil du auch ein Mensch bist, der leidet und ich möchte, dass du jetzt gehst.” Dann hat er sich umgedreht und ist gegangen. Hört sich immer ein bisschen nach Esoterik an.
Doch die Bestätigung, dass es für mich richtig war, kam ein paar Tage später als mich meine Mutter angerufen und gesagt hat: “Er ist gestorben.”
Dann saß ich da im Stiegenhaus bei meiner Firma und ich habe geheult. Nicht weil ich mir gedacht habe, dass er jetzt gestorben ist, sondern weil ich das Richtige getan habe.
Dass ich gesagt habe, dass ich ihn nicht da haben möchte. Es hat sich auch für wie eine Erlösung angefühlt. Ich habe jetzt auch wieder Gänsehaut.
Mai (berührt, mit leiser Stimme): Die haben wir gerade beide.
Gloria (lächelt): Ich habe gemerkt, dass ich es nicht nur getan habe, um es einfach zu sagen. Es hat alles wirklich gestimmt, was ich ihm da gesagt habe.
Hätte ich in dem Moment gemerkt, wo sie mir gesagt hat, dass er gestorben ist, immer noch Groll auf ihn habe oder ich mich gefreut hätte, dass er gestorben ist, dann würde irgendwas falsch laufen. Dann war es nicht richtig.
Aber ich saß halt wirklich da und dachte nur daran, dass es endlich vorbei ist. Nicht nur für mich, sondern auch für ihn. Das war der Punkt, wo ich gesagt habe, dass ich alles richtig gemacht habe, was ich bis jetzt gemacht habe.
Das Ding war halt einfach, als ich aus Österreich weggezogen bin und dann bei dieser Person 1 ½ Jahre gewohnt habe. Ich habe dort gewohnt und ich habe mir jahrelang eingeredet, dass ich ihn nicht mag, weil er Alkoholiker war. Dabei mochte ich ihn einfach nicht, weil er Mist gemacht hat.
Danach ergibt das alles Sinn. Dann sitzt man da und auf einmal ist alles vorbei. Es wird nie ganz vorbei sein, es wird immer ein Teil von mir sein und immer ein Teil meines Lebens sein, weil immer neue Sachen hochkommen werden.
Es werden immer Sachen hochkommen beim Sex mit meinem Partner oder bei der Selbstbefriedigung, oder einfach irgendwo beim Spazieren gehen, wo ich merken werde, dass da noch etwas ist, was weg muss. Raus aus der Schachtel: “Ich bin das Opfer.” Und in die Schachtel: “Ich habe es geschafft”.
Das wird immer nur teilweise passieren. Ein Meilenstein für mich war, dass ich das andere betroffene Familienmitglied zum gleichen Coach, wo ich war, geschickt habe. Und sie da rauskam und nun wusste, wie sie ihre Gefühle ordnen muss, weil sie viel mehr damit zu kämpfen hatte, da es bei ihr viel schlimmer war.
Das fühlt sich gut an, wenn man merkt, dass man mit dem, was man selber geschafft hat, wem anders schon guttun. Auch, wenn es nur so eine Kleinigkeit ist. Da bin ich echt stolz drauf. Ich werde mein Leben lang daran arbeiten. Da ist nichts falsch daran.
So traurig es ist: Ich kann jedem Opfer die Illusion nehmen, es wird nie vorbei sein. Es wird nur das Gefühl vorbei sein, dass Opfer zu sein.
Mai: Es wird nur nicht auf ewig schlimm sein, es wird nicht auf ewig Ohnmacht sein. Man kann sich die Macht zurückholen.
Gloria: Genau und das ist auch das Wichtige: dass wir das verstehen, dass wir sehen, dass wir nicht unser Leben lang das Opfer bleiben werden. Ich fühle mich gut damit, darüber zu reden, weil ich auch einfach weiß, was das bei anderen bewirkt.
Mai: Ich finde in deiner Geschichte total bemerkenswert, dass du vergeben konntest.
Erst mal, dass du es überhaupt konntest und dann wie du vergeben konntest. Als ich das mir das erste Mal jemand kam mit: “Du musst ihm nur vergeben, dann wird alles besser”, war ich richtig sauer.
Mittlerweile weiß ich auch warum, weil Vergebung ist ein Prozess. Ich habe das Gefühl, dass ganz viele von außen und viele aus der spirituellen Szene auf ihrer Wolke daher geschwebt kommen und dir sagen, dass du nur vergeben musst. Da krieg ich persönlich bis heute noch das Kotzen.
Es ist ein Weg. Die Vergebung kann und darf am Ende stehen, muss aber nicht. Sie ist auch keine logische Konsequenz. Wenn ich als Opfer mich dazu entscheide nicht zu vergeben, weil so viel Dreck passiert ist und ich noch so viel Wut und so viel Ärger in mir habe, dann bringt es auch nichts, wenn ich hundertmal sage: “Ich vergebe dir.” Da kann ich das tausendmal sagen, wenn ich es nicht fühle, dann bringt das nichts.
So wie du es gerade auch total klar ausgedrückt hast, wenn du das bei der Todesnachricht noch gespürt hättest, dann wäre deine Vergebung nicht echt gewesen.
Deswegen ganz großes Plädoyer von meiner Seite: Gehe in deinem Tempo und den Weg, der sich für dich richtig anfühlt. Ich mache gerade eine Ausbildung zur Heilpraktiker-Psychotherapie und da gibt es einen schönen Ausdruck, der nennt sich: Das Leid des Patienten ehren und anerkennen.
Wenn ein Patient kommt, dem es schlecht geht und man dann direkt mit einem Zehn Schritte Plan kommt wie das Opfer, der Patient da jetzt rauskommen kann, dann fühlt er sich nicht gesehen und nicht wahrgenommen.
Es geht im ersten Schritt immer erst einmal darum, das Leid anzuerkennen und das eben auch bei einem selber.
Ich selber musste erst einmal zweieinhalb Jahre lang anerkennen, wie sehr ich gelitten habe. An so vielen Stellen musste ich auch erst im Alltag merken, wo ich überall leide, wo ich überall ein Problem habe. Mir war vorher gar nicht klar, dass das auch von dem sexuellen Übergriff kommt.
Man darf sich selber sein Leid anzuerkennen wie ein Psychotherapeut es auch tun würde. Danach können und dürfen die nächsten Schritt folgen - sie müssen es aber nicht!
Vergebung kann sich auch sehr erleichternd anfühlen, wie bei uns, aber ich kenne auch andere Geschichten, wo das nicht passiert ist, und das ist auch genau richtig.
Gloria: Das stimme ich dir voll zu. Das andere Familienmitglied hatte viel länger damit zu kämpfen und hatte viel länger darüber nicht gesprochen, obwohl es bei ihr viel schwerwiegender war. Auch, wenn ich damals mit der Person darüber gesprochen hatte, dachte ich mir, dass es so wichtig ist, dass sie spricht.
Sie ruft auch bis heute noch ab und zu an. Sie braucht manchmal einfach kurz meinen Rat. Wie es mir damit geht, wie ich mich damit fühle. Sie weiß auch Bescheid, wie ich damit umgegangen bin, aber sie braucht einfach viel länger. Es ist ein anderer Weg. Man kann nicht immer davon ausgehen, dass jeder gleich schnell ist.
Meine erste Reaktion auf Leute, denen ich das nebenbei mal erzählt habe, die gesagt haben, dass man reden muss, war auch: Ich will nicht. Es ist auch okay, wenn man nicht reden will, aber es kommt irgendwann der Punkt, wo dein Körper, Kopf und auch deine Seele sagt, dass du jetzt musst, so weh es auch tut.
Das ist halt einfach irgendwann der Punkt und wenn er mit 80 Jahren kommt, dann kommt er mit 80 Jahren. Jeder soll so langsam wie möglich gehen, wie es für ihn in Ordnung ist. Wie gesagt die andere Person hat einfach viel länger gebraucht.
Mit ihr war ich erst letztes Jahr im Sommer bei dem Coach, sie hat das anderthalb Jahre nach mir aufgearbeitet und das ist auch völlig okay.
Vergebung ist wichtig. Sie kann ein wichtiger Teil vom Heilungsprozess sein, aber sie ist keine logische Konsequenz. Die logische Konsequenz von so was gibt es glaube ich gar nicht. Das ist keine Rechnung, die man ausrechnen kann.
Mai: Was ich auch ganz spannend finde, auch wenn man es nicht klar ausrechnen kann, finde ich total wichtig, zu sehen, wie lange schleppe ich das schon mit mir herum? Ich meine du warst acht Jahre alt und hast es mit neunzehn rausgelassen. Du hast es also schon zehn Jahre mit dir herumgeschleppt.
Was für ein Überwesen wärst du denn bitte, wenn du eine Wunde die sich zehn Jahre lang festgebissen hat und geeitert hat, in ein paar Tagen oder in paar Monaten geheilt wäre. Wäre schon ziemlich krass.
Man muss das ja in Relation sehen, wie lange sich etwas aufgebaut hat und wie lange man braucht, um es wieder abzubauen, um daraus was Schönes zu machen. Deswegen auch da wieder das Anerkennen des Leidens. Nicht zum Psycho-Doc zu gehen und zu verlangen, dass der dich wieder heile machen kann, niemand kann dich heilen, das kannst nur du selber.
Gloria: Klar kann man zu einem Coach gehen oder zu einem Therapeuten, aber der Einzige der wirklich helfen kann, bist du selber. Dein Freund, Partner oder Ehemann noch deine Eltern können dir helfen, wenn du nicht möchtest. Das geht nicht.
Wie gesagt, ich habe ihr auch immer gesagt, dass ich ihr helfe, egal was sie will, aber sie muss sich erst helfen lassen oder es zumindest wollen. Anders kann ihr niemand helfen. Daran halte ich immer fest. Man muss schon selber wollen.
Wenn du gerne in deinem Mitleid badest, dann bade so lange, ich helfe dir, wenn du fertig bist mit baden.
Mai: Dieses selber wollen finde ich auch so wichtig, gerade auch mit der Methode, die du erzählt hast, um zu vergeben, dass du dir die Person vor dir vorgestellt hast. Du hast es als esoterisch bezeichnet. Du bist ja eher eine down-to-earth Person. Du bist zwar spirituell und glaubst, aber du stehst schon sehr mit beiden Füßen auf dem Boden.
Dass du dich dann trotzdem auf so eine Methode eingelassen hast, zeugt ja davon, dass es dir wichtig war, voranzukommen. Dass du da die Fähigkeit, die Kraft und den Willen hattest, finde ich supercool.
Mai: Kurz noch als kleine Information: Tatsächlich ist das gar nicht so esoterisch, wie man glaubt zu meinen, denn das Werkzeug, das du benutzt hast ist aus der systemischen Therapie.
Also, dass du dir die Person vorgestellt hast und dann mit ihr gesprochen hast, das ist ein sehr übliches Werkzeug in dieser Therapiemethode. Die systemische Therapie ist seit 2018 als Therapiemethode von den deutschen Krankenkassen anerkannt.
Aktuell gibt es in Deutschland nur drei Therapieverfahren, die von der Krankenkasse gezahlt werden: Verhaltenstherapie, Psychoanalyse, Tiefen-Psychotherapie. Bald wird auch die systemische übernommen. Das ist mega gut!
Ich habe es früher nicht geglaubt. Ich war früher eher skeptisch, was solche Sachen anging. Erst als ich dann das erste Mal auf einem Workshop war, wo das dann passiert ist... Ich war ich eine Woche lang auf einer systemischen Ausbildung und habe gedacht ich guck mir mal an, wie das so ist.
Da sind die verrücktesten Sachen passiert. In der Light-Version wie du es gemacht hast, man sitzt einfach alleine da und spricht mit der Person. Dann gibt es aber auch systemische Aufstellung, wo auch die klassische Familientherapie herkommt. Da werden Menschen aufgestellt für die Personen, die mit dir in Beziehung stehen.
Da steht dann auf einmal jemand für meine Oma, jemand für meinen Papa, jemand für meinen Opa etc. Die Leute, die aufgestellt werden, wissen oft nicht mal, wen sie darstellen und interagieren dann trotzdem miteinander. Wo du daneben stehst und denkst, das hätte jetzt eins zu eins von meinem Papa kommen können, wie kann der das wissen?
Ich habe einmal erlebt, da stand dann einer und meinte, dass sein ganzes rechtes Bein taub wird. Und dann kam raus, dass der Opa sein rechtes Bein im Krieg verloren hat. How is that possible?
Meine beste Freundin sagt immer: “If it works it’s not stupid.”
Gloria: Das muss ich mir merken, das ist sehr wahr.
Mai: Denkt da einfach an die Glori und meine beste Freundin, probiert aus, was für euch funktioniert. Egal wie dämlich ihr euch dabei vielleicht im ersten Moment fühlen mögt. Das kann die Heilung sein. Alles, was du bisher getan hast, führt dich zu der Person, die du heute bist.
In dem Moment, in dem du etwas anders machst als bisher, kannst du dich erstmal ein bisschen komisch fühlen, weil es ja anders ist als bisher. Das ist voll okay!
Gloria: Das ist so wichtig, dass man nicht vergisst, dass man nicht die Person von gestern ist, sondern die von heute. Man kann nicht wissen, was morgen passiert und vielleicht höre ich mir das Interview in 5 Jahren nochmal an und denke mir "Wow! Ich bin echt stolz auf dich".
Wenn man bereit dafür ist, dann merkt man das. Dann muss man nicht darauf warten oder nochmal darüber schlafen, sondern man weiß es einfach.
Wenn man weiß, dass man jetzt darüber reden möchte, dann mach das bitte. Gehe zu einer Person, wo du einfach nur glaubst, dass es richtig sein könnte, ohne die Angst, dass die Person dich vielleicht auslachen könnte.
Das passiert nicht. Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der darüber gelacht hätte und wenn dann wäre ich auch ganz schnell wieder umgedreht. Niemand von meinen Freunden hat gelacht oder mich für komisch erklärt oder sonst was. Alle hatten Verständnis dafür.
Sie fragen auch regelmäßig nach, ob ich irgendwelche neuen Fortschritte mache, oder sind auch einfach begeistert, wenn ich ihnen sage, ich habe jetzt einen Freund. Weil sie wissen, wie schwer ich mir damit getan habe, diese Bindung einzugehen, zum anderen Geschlecht.
Es war für mich schon immer schwer. Ich bin immer Kumpel gewesen mit Männern aber nie auf romantische Art und Weise, weil ich das immer so ein bisschen weggeschoben habe.
Man hat halt irgendwo seine Macken und das ist auch okay. Bis heute habe ich Macken, wo ich weiß, dass der sexuelle Übergriff der Auslöser dafür ist, aber es ist okay, eine Macke zu haben. Es ist auch okay, wenn man einen Knacks in der Birne hat.
Lieber so als traurig. Leute mit Behinderung haben oft nicht weitere Einschränkungen und sind oft viel glücklicher als "normale Menschen".
Wenn du erfahren möchtest, wie der Rest der Familie darauf reagiert hat und warum sie sich dann von der Familienseite abgewandt hat und wie der eigene Körper genau weiß, was in solch einer Ausnahmesituation zu tun ist. Dann lies gerne auch den zweiten Teil des Interviews.
Bis bald!
Deine Mai
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Hi, ich bin Mai 😊 Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht Opfern sexuellen Missbrauchs zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Auch wenn eure Scham und Angst etwas anderes erzählen: Das ist nicht wahr! Und es kommt noch besser: Der richtige schöne Teil eures Lebens liegt noch vor euch! Ich habe es geschafft, aus dem schlimmsten Erlebnis meines Lebens, eine enorme Kraft zu ziehen & mein Leben nach meinen Ideen neu zu gestalten - also kannst du das auch! Deine Mai 💛
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