Wie ein Trauma den Körper auf Zellebene verändert 😮

Wie ein Trauma den Körper auf Zellebene verändert

Juni 08
Ein Trauma beeinflusst uns auf Zellebene

Trauma? Was bedeutet dieses Wort eigentlich? In meinen Gesprächen geht es immer wieder um Traumata, aber was macht es mit unserem Körper und Geist wirklich?

Ganz oft wird in unserer Gesellschaft so getan, als ob psychische Krankheiten im Kopf passieren, und das gar nichts mit dem Körper zu tun hat. Das ist spannenderweise überhaupt nicht wahr.

Wenn du aber wissen möchtest, wie die unterschiedlichen Gehirnareale bei Panikattacken reagieren und wie du mit verschiedenen Methoden diese runterregulieren kannst, dann lese hier weiter.

Es ist wissenschaftlich bewiesen und erforscht, wie sich ein Trauma in unserem Körper abbildet. Tatsächlich verändert es unseren Körper physisch und biochemisch sehr stark. Darum soll es heute gehen.

Wenn dich das Thema weiter interessiert, kann ich dir das Buch von dem Autor Bessel van der Kolk: "Verkörperter Schrecken: Traumaspuren in Gehirn, Geist und Körper und wie man sie heilen kann" empfehlen.

Großartiger Autor, fünfhundert Seiten hat das Buch, aber ist sehr spannend. Ich bin verliebt in das Buch und ganz viele Fakten über die ich heute Berichte kommen dort her.

Teilweise auch aus meinen Vorlesungen für Heilpraktiker Psychotherapie, wo ich gerade in Ausbildung bin und natürlich aus meiner Erfahrung, meinem Wissen und Gesprächen mit anderen Opfern.

Dies ist nun keine wissenschaftliche Arbeit, aber gerne kannst du dir die Quellen dazu anschauen. Ich hoffe, ich kann euch hiermit viel Neues erzählen. Mich hat es total geflasht, als ich die Informationen zum ersten Mal durchgelesen habe, war ich sehr überrascht. Das ein Trauma unseren Körper auf Zellebene und nicht nur auf emotionaler Ebene beeinflusst.

Das war für mich sehr revolutionär und hat mir total viel Druck genommen. Ich bin nicht schuld daran, dass ich immer noch traumatisiert bin.

Genauso bin ich nicht schuld, dass ich weiterhin Flashbacks habe. Das sind Sachen, die mein Körper mit mir macht. Das ist etwas, was ich jedem der Opfer geworden ist, mitgeben mag.

Statistiken zu Traumata und die posttraumatischen Belastungsstörungen

Trauma Statistiken

Trauma Statistiken

Nicht jedes Trauma wird zu einer posttraumatischen Belastungsstörung. Ein Trauma ist ein schweres Ereignis aus unserem Leben, welches für unseren Körper, unser Gehirn und unseren Geist kaum oder nicht verarbeitbar ist. 

Etwas, was komplett außerhalb unseres alltags passiert, schwer zu begreifen ist.

Wir hatten Rebecca schon im Interview gehabt, die erzählt hat, dass sie keine posttraumatische Belastungsstörung von der Vergewaltigung erlebt hat.

Laut Statistik erleiden 15 Prozent aller Menschen, die einen schweren Unfall erleben, danach eine posttraumatische Belastungsstörung.

Menschen, die im Krieg waren oder schwere Krankheiten erlitten haben, haben eine 20-prozentige Wahrscheinlichkeit, an einer posttraumatischen Belastungsstörung (Abkürzung: PTBS) zu erkranken.

25 Prozent der Menschen, also jeder vierte Mensch, der ein Gewaltverbrechen erlebt, kann danach eine PTBS bekommen.

50-60 Prozent erleiden eine PTBS, wenn sie sexuell missbraucht und oder vergewaltigt worden sind. Jede zweite Frau.

Wenn man jetzt bedenkt, dass jede dritte Frau in ihrem Leben sexuelle und oder körperliche Gewalt erlebt (die Zahl stammt von der EU-Kommission) und diese beiden Zahlen miteinander kombiniert, dann hat jede sechste Frau eine posttraumatische Belastungsstörung. Vollkommen abgefahren.

Frauen die Zusammenhalten #metoo

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In einer anderen Folge werden wir noch mal viel mehr auf posttraumatische Belastungsstörung eingehen. Im Juli habe ich ein Interview mit der Deutschen Gesellschaft für Psychotraumatologie geplant.

Es gibt eine Gesellschaft die beschäftigt sich nur damit, was Traumata mit uns machen und wie man sie psychisch, psychologisch aufbereiten und aufarbeiten kann.

Da habe ich eine Leiterin aus einer Arbeitsgemeinschaft an Bord bekommen, die für ein Interview bereit ist, und dann werden wir in dem Interview noch mal viel intensiver darauf eingehen, was eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist und was sie mit uns psychologisch gesehen macht.

Hier mag ich mit euch eher auf den Körper eingehen um zu verstehen was dort passiert, wenn man daran "erkrankt".

Ein Trauma bildet sich im Körper ab, die drei Wissenschaftsbereiche

Hole dir Hilfe wenn du sexuelle Gewalt und Trauma erleben musstest

Hole dir Hilfe wenn du sexuelle Gewalt und Trauma erleben musstest

Der Bessel van der Kolk, der Autor des Buches, welches ich am Anfang erwähnt habe, sagt, dass ein Trauma zu physiologischen Veränderungen führt. Das heißt, es gibt reale, physische Veränderungen im Gehirn.

Es sind genau genommen drei Wissenschaftsbereiche, die in Kombination miteinander, uns genau das aufzeigen können.

Einerseits ist es die interpersonale Neurobiologie die untersucht wie unser Verhalten, die Emotion, die Biologie und auch die Geisteshaltung unseres Gegenübers beeinflussen kann.

Dann gibt es die Entwicklungspsychopathologie, also die Wirkung von negativen Ereignissen auf Geistesebene: Wie verändern wir uns, wenn wir etwas Negatives erleben.

Die Neurowissenschaft, die die meisten vom Namen her noch am ehesten kennen. Welche Rolle spielt eigentlich unser Gehirn, das Organ bei mentalen Prozessen?

Alle drei in Kombination zeigen, dass sich unser Gehirn durch ein Trauma verändert. Dass dies wissenschaftlich nachgewiesen werden kann, ist für mich immer noch mindblowing.

Lass uns nun tiefer die drei Gehirnareale besprechen. Das folgende sind Experimente, die sehr häufig durchgeführt worden sind, und es ist immer zum gleichen Ergebnis gekommen.

Man hat mit traumatisierten Menschen, zweierlei Gruppen gearbeitet: Missbrauchte/schrecklich vergewaltigte Menschen und Kriegsveteranen, die alle unter PTBS gelitten haben. Man hat mit Ihnen ihr Trauma aufbereitet, das bedeutet, es wurden alle Details genau aufgeschrieben.

Während die Personen dann im Scanner lagen, wurde ihnen ihre eigene Geschichte, die traumatisierende Geschichte vorgelesen bzw. ein Band abgespielt, um zu beobachten, was im Hirn passiert.

Das passiert im Gehirn, wenn man sich sein Trauma wiedererzählt

dein individueller Heilungsprozess nach einem Trauma

Dein individueller Heilungsprozess nach einem Trauma

Es geht um die Amygdala, visueller Cortex, Broca-Areal und die linke Gehirnhälfte

Was jetzt kommt, ist unglaublich spannend und ich denke die bekannteste Reaktion, die wir alle kennen, ist, dass im Gehirn die Amygdala, das ist ein Teil des rechten limbischen Systems, übermäßig erregt wird.

1. Die Amygdala

Die Amygdala ist dafür zuständig, dass wir in Alarmbereitschaft sind, dass wir bereit sind zu kämpfen, zu fliehen oder im Notfall einzufrieren.

Durch eine überreizte Amygdala, die zu sehr arbeitet, sind wir sehr schreckhaft. Sie ist auch dafür zuständig ist das wir Adrenalin ausstoßen.

Diese ganzen Körpergefühle: schnellerHerzschlag, Herz pochen in der Brust, der Blutdruck rauscht einem durch die Ohren. Das ist alles durch die Amygdala.

Die körperlichen Reaktionen darauf sind genauso stark, wie wenn die Person das Trauma gerade noch einmal erlebt. Nicht schwächer, sondern genauso.

Das passt zu dem, was immer wieder berichtet wird und was ich auch erlebt habe. Dadurch das man es erzählt, es sich anfühlt, als sei man wieder mitten drin.

Durch den erhöhten Adrenalinspiegel passieren bestimmte Dinge/Nebenwirkungen: Man hat Gedächtnisprobleme, man ist reizbarer und man hat Schlafstörungen. Alles zusammen passt zum “Fight, Flee or Freeze” Mechanismus.

Wenn ich wirklich im Überlebensmodus bin, ist es egal, dann muss ich mich nicht genau an die Situation erinnern. Ich muss nicht wissen, ob der Löwe fünf oder fünfzig Zentimeter lange Schnurrbart Haare hatte.

Ich muss mich auch nicht dran erinnern, ob der Löwe eher braun oder hellgelb war. Vollkommen egal. Es geht nur noch ums Überleben.

Das heißt, unser Gedächtnis setzt aus, wir sind reizbarer. Das liegt im Sinne des Wortes: Reizbar, wir sind offen für alle Reize, die da sind und reagieren deswegen auch schneller und eben auch aggressiver und wütend. Im Überlebensmodus kann es eben auch um Kampf gehen.

Schlafstörung auch logisch: Wenn ich im Überlebensmodus bin, schlaf ich nicht so viel. Schlafen kann ich, wenn ich aus dem Modus draußen bin. Hier kommen wir zu dem Problem.

Wir kommen nicht so gut raus. Menschen mit einer PTBS haben eine dauerhaft überreizte Amygdala. Das bedeutet, sie denkt dauerhaft "gleich passiert was" und das ist einfach abgefahren.

Das heißt, wir haben mit einer PTBS über einen langen Zeitraum zu viel Adrenalin. Wir denken die ganze Zeit, dass die Welt untergeht, gleich werden wir getötet, gleich müssen wir fliehen.

Auch, wenn wir aktiv von der Kognition, von der Rationalität her wissen, dass uns hier nichts passieren kann, ist die Körperreaktion trotzdem da.

Diese chemische und physische, reale Veränderung im Gehirn die ist 100 % vorhanden. Viele von uns traumatisierten Menschen die eine PTBS haben müssen sich mit solchen Dingen herumschlagen.

2. Der visuelle Cortex

So funktioniert unser Gehirn bei Traumata

So funktioniert unser Gehirn bei Traumata

Kommen wir zum zweiten Bereich im Gehirn, der im Experiment auffällig war: Der visuelle Cortex, wird auch Brodmann Areal genannt. Dieser Bereich ist stark erregt, wenn man wieder ans Trauma denkt oder wenn man mitten im Trauma ist.

Der visuelle Cortex ist, was der Name schon sagt, für Bilder, und zwar ganz bestimmte Bilder, nämlich für die, die ganz frisch, ungefiltert und unverarbeitet durchs Auge hereinkommen zuständig.

Der erste Sammler von Bildern. Wenn der visuelle Cortex normal funktioniert, werden die Bilder einfach an andere Hirnareale weitergeleitet, die daraus dann einen Sinn bilden.

Plakatives Beispiel: Ich sehe eine Kerze und erst einmal kommt nur ein grobes Bild an: Zylinderförmig mit einem Stängel in der Mitte, erst dadurch das es weitergeleitet wird, wird daraus ein bestimmter Sinn gemacht: Dies ist eine Kerze. Kerzen kann man anzünden. Vielleicht hole ich ein Feuerzeug und zünde die Kerze an.

Was passiert, wenn Menschen traumatisiert sind, wenn Menschen eine PTBS haben dann funktioniert diese Bildverarbeitung nicht, weil sie in dem Moment, in dem sie traumatisiert worden sind, das nicht verarbeiten konnten.

Sie konnten daraus keinen Sinn bilden. Es hat nirgendwo hingepasst und deswegen ist das Bild dort stecken geblieben, im wahrsten Sinne des Wortes.

Diejenigen die eine PTBS haben kennen das zu 99,9 Prozent und allen anderen erkläre ich es gerade noch mal: Wenn jemand einen Flashback hat, wenn sich jemand ganz plötzlich wieder an sein Trauma erinnert, dann erscheinen bei den meisten, Bilder.

Die wenigsten haben die Gesamtsituation, im Sinne von einem genauen Ablauf, wie bei einem Video vor Augen. Die meisten haben nur einzelne Standbilder vor Augen.

Da ist der visuelle Cortex der Grund dafür, dass einzelne Bilder bei uns im Hirn hängen geblieben sind, die wir nicht weiterverarbeiten konnten.

Als ich das zum ersten Mal gelesen habe, hat es für mich endlich Sinn ergeben. Ich habe immer gedacht, irgendwas stimmt mit mir nicht und mich gefragt, wie es denn sein kann das ich mich an einzelne Situationen, in denen ich missbraucht/vergewaltigt worden bin mich total klar erinner aber immer nur an Standbilder.

Ich wusste, was vorher und nachher passiert ist, es gab aber immer nur das eine Bild in meinem Kopf. Vollkommen crazy und erst, als ich das gelesen habe, dachte ich: “ Das ergibt Sinn.

Ich bin nicht doof, komisch, sondern das ist einfach die Eigenschaft unseres Gehirns, wie es mit Trauma umgeht.” Abgefahren.

Ich Liebe einfach die Wissenschaft und das, was man erlebt, miteinander in Einklang zu bringen und Mythen aufzulösen.

Ich habe oft das Gefühl das gerade wir als Opfer uns die größten und schlimmsten Vorwürfe machen: Warum ich mich nicht dran erinnere. Etc.

Da einfach mal aus diesem: “Ich hätte es besser machen können, müssen, sollen”, herauszukommen und zu sehen, so funktioniert das menschliche Gehirn. Es ist normal und bei allen so, die Flashbacks haben.

Das finde ich so wichtig und hat mir unglaublich auf meinem Weg der Heilung geholfen.

3. Das Broca-Areal

Traumata sind heilbar

Traumata sind heilbar

Drittes spannendes Hirnareal ist das Broca-Areal. Das war spannenderweise im Gegensatz zu den anderen beiden Arealen absolut niedrig. Es hat deutlich weniger gearbeitet, als es eigentlich arbeiten sollte.

Das Areal ist für die Sprache zuständig. Um euch mal ein Bild davon zu geben, wie niedrig sie war: Wie wenn man einen Schlaganfall hat, so niedrig war die Hirnaktivität bei Menschen mit Flashbacks.

Das passt auch wieder so gut, weil wenn ich ein Trauma erlebe, dann ist es wie unaussprechlich, es fällt unglaublich schwer, dafür Worte und Gedanken zu finden. Für die Gefühle die man hat Worte zu finden und allein deswegen fällt es vielen Opfern schwer überhaupt darüber zu reden.

Das vor Augen zu haben finde ich so wichtig.

Das waren die drei Hirnareale, die sehr auffällig waren, bei Menschen, die ins Trauma zurückgeholt worden sind, Flashbacks hatten.

Das Über-Areal

Spaetfolgen und Trauma heilen sexuelle Gewalt

Spätfolgen und Trauma heilen - sexuelle Gewalt

Jetzt gibt es noch ein Über-Areal: Es gab Auffälligkeiten zwischen der rechten und der linken Gehirnhälfte. Die rechte ist eher für Fühlen und für die Intuition zuständig. Die hat ganz normal gearbeitet.

Das tut die linke Gehirnhälfte, wenn du dich an dein Trauma zurückerinnerst

Die linke Gehirnhälfte hat so gut wie gar nicht gearbeitet. Also Sprache ist z. B. in diesem Bereich, das Broca-Areal. Die linke Gehirnhälfte ist auch für Logik und für Reihenfolgen zuständig.

Jetzt stell dir vor, du bist entweder mitten im Trauma oder wieder in einem Flashback und dein logisches Denken setzt aus. Also das, was wir als rationales und logisches Denken bezeichnen, setzt aus.

Das ist so abgefahren, weil das auch so gut zu allem passt, was sowohl ich erlebt habe als auch andere Opfer, mit denen ich im Gespräch war, die immer wieder sagen, dass sie sich nicht mehr genau daran erinnern können, was passiert ist.

Sie wissen nicht mehr in welcher Reihenfolge, sie wissen nicht mehr, wann es passiert ist, wo es passiert ist, was sie anhatten oder was er anhatte.

Das ist alles vollkommen normal. Das ist so, weil deine linke Gehirnhälfte auf einmal komplett aussetzt. Da ist keine Logik mehr, da gibt es keine Reihenfolge mehr, Ursache und Wirkung werden ausgehebelt.

Logik erklärt uns "weil ich das getan habe, ist das passiert". In dem Moment, in dem wir keine Logik mehr haben, wissen wir nicht mehr wie die beiden Sachen in einem kausalen Zusammenhang zueinanderstehen.

Habe ich erst eins getan und dann ist zwei passiert oder ist zwei passiert, weil ich eins getan habe?

Die Zahlen sind jetzt ein bisschen abstrakt aber ganz banal mal an meinem Beispiel: Hat der Onkel mich angefasst, weil ich neugierig war und ins Zimmer hereingekommen bin oder hat er mich ins Zimmer reingeholt, um mich anzufassen. Ich weiß es nicht.

Das ist etwas, was ich mich ganz lange gefragt habe und mir auch vorgeworfen habe. Da taucht das Thema Scham und Schuld bei Opfern ganz stark auf.

"Wenn ich mich doch nur besser erinnern würde, dann könnte ich ihn anzeigen, wenn ich doch nur nicht in das Zimmer hereingegangen wäre und einfach weggelaufen wäre. "

Sich dann eben selbst die Schuld zu geben, weil Ursache und Wirkung durcheinander gewürfelt werden.

Da sich einfach klarzumachen das es nicht die eigene Schuld ist, dass man sich nicht daran erinnert, dass das normal ist. Da werden wir auch mit der deutschen Gesellschaft für Psychotraumatologie mehr drüber sprechen.

Es gibt sogar Amnesien und Teilamnesien. Dinge, die wir erlebt haben so schlimm sind, dass unser Gehirn den Teil komplett raus löscht, Blackout. Auch das ist normal und gesund.

Das finde ich so wichtig, dass wir das uns immer wieder in Erinnerung rufen. Wir brauchen uns für nichts schämen, was passiert ist. Und wir brauchen auch nicht zu tun als sei nichts geschehen.

Was mache ich bei einem Flashback?

no more metoo

no more metoo

Typisches Opfer Muster, wenn wir zum Beispiel im Alltag getriggert werden und einen Flashback bekommen, dass wir dann so tun als sei nichts.

Das kostet extrem viel Kraft. Tu dir das nicht an, wenn du gerade mit Menschen umgeben bist, die du besser kennst, Freunde oder Kollegen. Sag, dass du gerade getriggert worden bist, und kurz brauchst, um durchzuatmen.

Wenn du auf der Arbeit bist oder Kollegen um dich herum hast, wo es eben nicht so einfach geht, dann ziehe dich für einen Moment zurück, gehe aufs Klo.

Ruf dir in Erinnerung, dass wenn du einen Flashback hast, dein Gehirn in den Zustand des Traumas zurückgeht. Da bist du nicht zurechnungsfähig, da funktionierst du nicht so wie normalerweise. Da kannst du jetzt nicht auf der Arbeit weiter durchziehen.

Mach eine kurze Pause, atme kurz durch, hol dich zurück ins Hier und Jetzt und mache dann weiter.

Trauma Heilung in vier Schritten laut Bessel van der Kolk: Anerkennung, Sprache, Physiologie und soziales Umfeld

burnout erschoepfungsdepression - spaetfolgen sexueller misshandlung

Trauma heilen

Damit richten wir auch noch einen kurzen Blick in Richtung Heilung, nachdem wir uns angeschaut haben, was im Gehirn so passiert.

Auch hier führt der Bessel van der Kolk vier superschöne Themen an, er nennt es "Wahrheiten". Er sagt, es gibt vier Dinge, die für uns als Menschen wichtig sind.

1. Anerkennung das du dein Trauma heilen kannst

Das erste ist anzuerkennen das wir heilen können, die meisten Menschen erkennen an das wir Menschen kaputt machen können, wir können vernichten, alles um uns herum zerstören.

Van der Kolk sagt, das Gegenteil von Vernichten ist Heilen und wenn wir vernichten können, können wir auch heilen. Wir können uns selber heilen, wir können Beziehungen zu anderen Menschen oder zu einer ganzen Gemeinschaft, zu unserer Gesellschaft heilen.

Diese Annahme als wahr anzuerkennen ist der erste Schritt. Zu sagen: “Ja wir sind als Menschen fähig und ich bin als Mensch fähig zu heilen. Das ist der allererste wichtige Schritt.

2. Die Sprache schafft Realität und Heilung vom Trauma

me too - du bist nicht allein

Me Too - Du bist nicht allein

Nutze deine Sprache. Erinnert euch an das Broca-Areal, welches für die Sprache zuständig ist. Solange wir keine Worte finden für das, was wir erlebt haben, wird es unaussprechlich bleiben.

Für die Harry-Potter-Fans unter uns der dessen Namen wir nicht nennen dürfen, solange wir über etwas nicht sprechen wird es unaussprechlich bleiben.

Aber in dem Moment, in dem wir wie Harry ganz mutig sagen: Voldemort, und die Dinge so benenne wie sie sind und sage: “Ja, so war es.” Es war ein sexueller Missbrauch, es war eine Vergewaltigung, es war der Onkel, es war der Opa, wer auch immer.

In dem Moment in dem ich Dinge verbalisieren nehme ich ihnen den Schrecken und das ist superwichtig. Das gibt uns Macht und Kraft. Sprache ist superwichtig.

Genau deswegen habe ich sehr lange überlegt, ob ich den Begriff “Opfer” oder den Begriff “Betroffene” in meinen Untertitel schreibe. Und ich habe mich für beide entschieden, weil Sprache schafft Realität.

Bin ich ein Opfer oder bin ich ein Betroffener? Und egal in welchem Stadium du gerade bist, mach dir immer bewusst, dass du wählen kannst, ob du Opfer, Betroffener oder vielleicht Überlebende sein willst. Egal was, es ist richtig, aber du hast die Macht.

3. Physiologie

wie traumata den koerper veraendern

Wie Traumata den Körper verändern

Physiologie, das klingt immer so hochgestochen. Worum es da geht, ist genau das was wir bei der Amygdala erleben: dieses Herzrasen, voller Alarm sein. Dass wir das, was unser Körper uns an Signalen aussendet, ganz bewusst beeinflussen können.

Wir können zum Beispiel ganz bewusst tief ein und ausatmen. Mir hat das schon ganz oft geholfen, wenn ich irgendwie in Panik gerate oder irgendwas ist, dass ich einfach tief ein und ausatme. Und wieder im Hier und Jetzt bin.

Bewegung. Gerade wir als Opfer sind ganz oft im “Freeze-Mode”, weil das die einzige Möglichkeit war zu überleben. Da ganz bewusst zu lernen, wenn ich wieder in so einer Situation bin, in einem Flashback das ich ganz bewusst aufstehe, ganz bewusst in die Selbstwirksamkeit gehe, mich bewege.

Berührung. Liebevolle Berührung, du kannst dich selber streicheln, durch Streicheln kannst du dich wieder herholen. Um das weniger Abstrakt zu machen, kannst du das in deinem Alltag üben. Acro-Yoga oder Yoga, Thai-Massage, tanzen gehen und so weiter.

Es gibt ganz viele Möglichkeiten, wo du üben kannst deine Atmung zu kontrollieren, in Bewegung zu kommen, dich oder andere Menschen zu berühren.

Wenn Acro-Yoga für dich spannend ist und du Partner, Partnerin oder irgendjemand zu Hause hast, der mit dir Acro-Yoga machen würde, dann leg ich dir meinen Acro-Yoga Kurs ganz nah ans Herz.

Das ist ein Online-Kurs, den du Zuhause machen kannst. Sobald ihr zu zweit seid, funktioniert der Kurs.

Du kannst auf deinen Körper einwirken. Du kannst dich aktiv beeinflussen. Jetzt muss ich gerade an den Oli denken, meinen Freund, der liebt Apnoe-Tauchen, das Tauchen ohne Flasche.

Dabei lernst du, den Atem Reflex zu kontrollieren, um länger unter Wasser sein zu können, aber trotzdem deine Körper Zeichen zu lesen, um zu wissen, wann du wirklich wieder hochgehen solltest. Du lernst frühzeitig unterschiedliche Merkmale an deinem Körper kennen.

Genau darum geht es auch hier: Zu wissen du stirbst jetzt nicht, auch wenn es sich anfühlt, als ob dein Herz gleich aus deiner Brust fällt.

Du kriegst jetzt gleich kein Herzinfarkt auch, wenn es sich so anfühlt, als ob dein Blutdruck viel zu hoch ist. Dich selber kennenzulernen und dich und dein Körper kontrollieren zu können.

Du kannst entweder den Körper durch das Denken beeinflussen oder das Denken durch den Körper beeinflussen. Und wenn dein Körper gerade am Ausrasten ist, dann kannst du schauen, auf welcher Ebene du ihn beeinflussen kannst.

Geht es dadurch, dass ich ihm einfach sage: Nein es ist alles in Ordnung. Ich bin im Hier und Jetzt oder geht es dadurch, dass ich mich in Bewegung setze, mich streichle oder mich von jemandem umarmen lasse? Das hilft auch megagut.

4. Dein soziales Umfeld - Trauma auflösen

Traumata aufarbeiten

Traumata aufarbeiten

Es ist so wichtig, dass du dir ein Umfeld schaffst. Sowohl dein räumliches Umfeld, dein Zuhause, dass du ein schönes Zuhause hast, als auch dein soziales Umfeld.

Dass du dich mit Menschen umgibst, die dir guttun, die heilsam sind die dich heilen, die für dich da sind. Das ist superwichtig, dass du das für dich schaffst und schaffen kannst.

Ich weiß aber auch, dass es ein langer Prozess ist, weil wir soziale Wesen sind und wenn wir jetzt gerade auch Freunde haben, die uns nicht so super guttun, aber sie eben Freunde sind oder man schon so lange befreundet ist.

Ich kann das total verstehen, dass sich da jemand weigert einfach Freundschaften abzuhacken. Wo soll ich jetzt neue Freunde herbekommen?

Vielleicht gehen auch deine Freunde den Heilungsprozess mit und ihr lernt, wie ihr einander guttun könnt. Es ist superwichtig, dass du da für dich immer wieder sorgst und schaust, dass es dir im Innen und im Außen gut geht.

Du bist in Therapie, aber hast noch Kontakt zum Täter?

Gegen Gewalt gegen Frauen

Gegen Gewalt gegen Frauen

Hier auch noch eine kleine Anmerkung, die aus der Heilpraktik für Psychotherapie kommt: Wenn jemand in Therapie kommt und an seinem Trauma arbeiten möchte bzw. an der PTBS, aber ist noch im Täter-Kontakt, dann wird das Trauma nicht bearbeitet.

Es ergibt keinen Sinn das Trauma selber zu bearbeiten, denn durch den Täter-Kontakt wird das Trauma immer wieder aufs Neue ausgelöst. Vielleicht vergeht sich der Täter sogar noch immer wieder an der Person, am Opfer, an der Klientin, am Patienten. Dadurch kann das Trauma nicht abgeschlossen werden.

Solange das Trauma noch im Prozess ist, sollte nicht daran gearbeitet werden, aber ihr könnt natürlich trotzdem in Therapie gehen, auch wenn ihr noch in Kontakt mit dem Täter oder der Täterin seit.

Ihr könnt dann an anderen Dingen arbeiten, ihr könnt dann zum Beispiel an der Physiologie arbeiten also an der Atmung, da gibt es Beruhigungsmethoden, autogenes Training oder durch Sprechen in der Therapie.

So kannst du deine Sprache nutzen, um in die Verbalisierung zu kommen. Jeder Schritt ist ein guter Schritt.

Das waren jetzt alles viele Informationen. Ich hoffe, es hat dir genug Informationen geliefert und dir geholfen deinen Weg zu finden.

Wenn du keine PTBS hast, dir das nicht geschehen ist, hast du nun vielleicht ein besseres Verständnis für deine Liebsten und für die Menschen um dich herum. Was da eigentlich bei einem Flashback oder bei einem Trauma im Gehirn passiert.

An alle die PTBS haben und die Flashbacks erleben: Du bist nicht schuld, das ist ganz normal und das ist gesund. Dein Gehirn versucht, dich zu schützen.

Und wenn dir irgendwann mal jemand sagen sollte, du sollst dich nicht so anstellen, leite demjenigen diesen Artikel weiter.

Me Too - Du bist nicht allein mit deinem Trauma

Me Too - Du bist nicht allein mit deinem Trauma

Zeige ihnen, erkläre ihnen, dass das vollkommen normal ist, dass du nicht überreagierst, dass du nicht verweichlicht bist, dass du nicht hypersensibel bist, sondern dass es eine normale Reaktion ist.

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Wenn das Thema Trauma immer noch Fragen offenlässt, oder du noch mehr erfahren möchtest, dann bleib gespannt auf den Artikel/Podcast im Juli dort wird es zu einem Interview mit der deutschen Gesellschaft über Psychotraumatologie geben, wo wir noch tiefer in die Materie eintauchen werden.

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Deine Mai

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About the Author

Hi, ich bin Mai 😊 Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht Opfern sexuellen Missbrauchs zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Auch wenn eure Scham und Angst etwas anderes erzählen: Das ist nicht wahr! Und es kommt noch besser: Der richtige schöne Teil eures Lebens liegt noch vor euch! Ich habe es geschafft, aus dem schlimmsten Erlebnis meines Lebens, eine enorme Kraft zu ziehen & mein Leben nach meinen Ideen neu zu gestalten - also kannst du das auch! Deine Mai 💛

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