Sexueller Missbrauch anzeigen und wie lĂ€uft eine Gerichtsverhandlung ab? Dies erfĂ€hrst du in diesem Interview (Teil zwei von zwei - hier gehts zu Teil eins), welches Eva Nitschinger mit mir gefĂŒhrt hat. Eva Nitschinger ist Psychologin, Heilpraktikerin fĂŒr Psychotherapie und hat die DSS die Selbstliebe Schule in die Welt gebracht. Schau gerne hier bei ihrem Podcast vorbei.
Ich bin als Kind sexuell missbraucht worden. 15 Jahre spĂ€ter habe ich mich getraut, den Mann dafĂŒr anzuzeigen. In diesem Interview geht es vor allem darum, wie meine Gerichtsverhandlung abgelaufen ist.
NĂ€mlich erstaunlich positiv und sehr auĂergewöhnlich. Es hĂ€tte fĂŒr alle Parteien gar nicht besser laufen können. Deswegen freue ich mich, dir zu zeigen, wie so eine Gerichtsverhandlung erfolgreich ablaufen kann. Ich hoffe, es macht dir Mut, die richtigen Schritte fĂŒr Dich selbst zu gehen.
Eva: "Wir kommen zu dem Teil, wo du in dem Video erzĂ€hlt hast, dass es ein TĂ€ter Opfer GesprĂ€ch gegeben hat und wie du da deine Meinung, vielleicht doch aber vor allem auch deine GefĂŒhle ihm gegenĂŒber geĂ€ndert hast. Und was dann da passierte."
Mai: "Fangen wir mit dem Tag 1 der Gerichtsverhandlung an. Es waren fĂŒnf Tage angesetzt und der erste Tag, als ich dann hingefahren bin, hatte ich groĂe UnterstĂŒtzung dabei. Mein Freund, meine Mama meine Schwestern waren alle da.
Und dann hieà es plötzlich, dass der Gerichtsprozess nicht stattfindet, weil er einen Unfall hatte. Das war irgendwie auch vollkommen abgefahren, weil ich mich so sehr darauf eingestellt hatte, dass es heute alles losgeht.
Aber gut, ich habe es dann so akzeptiert, und die Woche darauf war dann tatsÀchlich der erste Tag, an dem wir uns gesehen haben.
Das war dann der zweite Verhandlungstag. An dem stand er dann auch im Gang vor dem Gerichtssaal. Und ich hab mich dann ein paar Meter entfernt von ihm hingestellt. Man hat keine Möglichkeit, sich auf dem Weg zu gehen.
So wie man es im Kino kennt, ist es einfach nicht, da es keine unterschiedlichen EingÀnge gibt, sondern nur ein kleiner schmaler Gerichtssaal und es stehen alle Parteien erst mal auf dem Flur."
Eva: "Wie ging es dir denn da? Hast du ihn gesehen in der Zwischenzeit oder war es das erste Mal seit diesen vielen Jahren?"
Mai: "Das war das erste Mal seit 15 Jahren, dass ich ihn gesehen habe. Ich habe zum GlĂŒck sehr viel Vorarbeit geleistet. Ich war emotional stabil, und ziemlich ruhig, ein bisschen dieses GefĂŒhl wie die Ruhe in der Mitte eines Orkans.
Ich wusste, da wird gleich ganz viel passieren, aber ich war tief ruhig in mir. Gleichzeitig war allein sein Anblick einfach ein absoluter Trigger. Ich habe ihn gesehen und habe direkt Angst und Panik bekommen und wusste aber auch gleichzeitig, dass ich jetzt am lÀngeren Hebel sitze.
Du bist jetzt als Angeklagter dort und musst dich verantworten, egal was am Ende rauskommt. Dieses Wissen hat mir eine unglaublich groĂe Ruhe und Kraft gegeben. Gleichzeitig wollte ich mich trotzdem nicht mit ihm auseinandersetzen. Und so, habe ich mich von ihm weggedreht.
Und dann ist das vermutlich das unerwartetste Ereignis passiert, das ĂŒberhaupt sich jemand hĂ€tte vorstellen können. NĂ€mlich, dass er um mich herumgelaufen ist und sich vor mich hingestellt hat und sich vor mir auf die Knie geworfen und um Verzeihung gebettelt hat.
Man kann sich das wie im Film vorstellen. Er hatte einen Anzug an, er war auf den Knien, hat geweint und immer wieder nach vorne und zurĂŒck gewippt, und die Stirn fast auf dem Boden im Staub.
Und ich habe nur die HĂ€lfte der SĂ€tze verstanden. Aber die Message war klar. Es tut ihm unendlich leid und er weiĂ, was er mir angetan hat und ob ich ihm verzeihen könnte, und in dem Moment ist kein Herz gefĂŒhlt kurz stehen geblieben.
Dann hat es irgendwie unglaublich schnell geschlagen und ich wusste gar nicht, wie es um mich geschehen ist. Ein Zeitungsreporter saĂ spannenderweise daneben und hat aufgeschrieben, was er alles sah in diesem Moment.
Er saĂ zehn Meter weg von uns und hatte es aufgeschrieben, dass ich sichtlich gerĂŒhrt wĂ€re und das ich mir eine Hand schĂŒtzend aufs Herz gelegt habe.
Es ging alles so schnell, ich habe es gar nicht so klar vor Augen, aber ich hatte wirklich eine Hand auf dem Herz und irgendwie habe ich meine Schulter schĂŒtzend gehalten.
Mein Freund hat mir unglaublich gut den Raum gehalten. Er stand einfach hinter mir und hat mir eine Hand auf die HerzrĂŒckseite gelegt. War einfach voll da, sodass ich voll und ganz in dem Moment spĂŒren konnte, was ist.
Und das habe ich mir irgendwie eine Zeit mit angeguckt, klingt sehr banal, aber auch mit rein gespĂŒrt. Was passiert da gerade, was macht es mit mir, wie gehts mir und da gingen richtige GefĂŒhlswellen durch mich durch, weil ich zum ersten Mal gespĂŒrt habe, dass es diesem groĂen ĂŒbermĂ€chtigen Mann, diesem Monster, wirklich leidtut.
Ich habe ihn auch eine Zeit lang in meinen Postings Mister Arschloch genannt, da dieses riesengroĂe Bild das ich jahrelang von ihm noch hatte und aufrechterhalten habe.
Dieses Bild ist dann einfach komplett von ihm abgefallen und auf einmal sah ich dieses HÀufchen Elend vor mir. Dieser Mann im schlecht sitzenden Anzug, der versucht das Beste zu tun, was er tun kann, nÀmlich um Vergebung betteln und seine Schuld eingestehen.
Das war ein unglaublich heilsamer Moment fĂŒr mich, denn in dem Moment, in dem ich in ihm nicht mehr den TĂ€ter sehen musste, konnte ich auch in mir das Opfer loslassen.
Das war so ein Moment, wo fĂŒr mich beides abgefallen ist. Wo ich den Menschen in ihm sehen konnte und somit auch den Menschen in mir.
Und ich habe auch lange ĂŒberlegt: Habe ich jetzt einfach nur Mitleid mit ihm? Also habe ich jetzt einfach nur Mitleid mit diesem HĂ€ufchen Elend und bin zu nett. Oder spĂŒre ich das wirklich?
Und da bin ich dankbar, fĂŒr all die Ăbungen und all das, was ich die letzten Jahre erfahren durfte, dass mir klar war, dass ich zwar Mitleid mit ihm habe, aber ich spĂŒrte ganz klar, dass das seine Energie ist, und das es echtes Leid ist, das er mit sich herumtrĂ€gt. Wahrscheinlich eine Belastung die er schon seit 20 Jahren mit sich herumtrĂ€gt und dass er ganz genau wusste, dass es falsch war, dass er sich damals aber nicht halten konnte.
Diese Belastung hat er die ganze Zeit mit sich herumgeschleppt und wird es auch bis an sein Lebensende mit sich herumschleppen. Kein Gerichtsurteil kann so schlimm sein, wie er sich selber sein Leben lang verurteilen wird."
Eva: "Das ist möglicherweise wahr."
Mai: "Der Moment hat vieles verĂ€ndert fĂŒr mich. Da hab ich dann auch zum Schluss hin die Hand gereicht. Ich habe ihm die Hand gereicht, und ihm geholfen aufzustehen. Ich konnte aber noch keine Worte herausbekommen, und habe ihm nur zugenickt. Es kam einfach nicht mehr aus meinem Mund raus, aber ich denke, die Geste und die Mimik war Aussage genug in dem Moment.
Und somit hat unser erster richtiger Gerichtsprozess angefangen. Der aber damit quasi auch schon beendet war. Nachdem meine AnwÀltin dann erfahren hat, was da gerade passiert ist, hat sie mit Richter und Staatsanwalt und mit seinem Anwalt gesprochen und dann war klar:
Da darf und muss jetzt erst einmal ein TÀter-Opfer GesprÀch stattfinden. Ich hatte bis zu Beginn des Gerichtsverfahrens gesagt, ich möchte es nicht, weil ich mit diesem Mann nichts zu besprechen habe.
Bis ich ihn gesehen habe, wusste ich nicht, was ich mit diesem Mann besprechen sollte. Und als ich ihn gesehen habe, selbst da dachte ich, okay ich habe meinen Frieden, was soll ich jetzt noch mit ihm besprechen.
Das war fĂŒr mich ein ganz abstrakt, dass ich mit ihm jetzt noch mal an einem Tisch sitzen soll. Dem Richter war es aber wichtig und da bin ich ihm bis heute noch sehr dankbar fĂŒr.
Wahrscheinlich werde ich ihm dafĂŒr auch immer dankbar sein, dass er da dieses FeingefĂŒhl hatte und mir da auch von Justiz Seite mehr getan hat, als er hĂ€tte mĂŒssen und gesagt hat: "Nein fĂŒhren Sie das GesprĂ€ch, das ist wichtig."
Und so ging der Tag damit zu Ende, dass die Anklage verlesen wurde, und es waren alle wieder sehr erstaunt, besonders die Journalisten, weil es so ein abruptes Ende hatte.
Die erste HĂ€lfte des dritten Verhandlungstages wurde freigerĂ€umt fĂŒr das TĂ€ter-Opfer GesprĂ€ch und die Gerichtsverhandlungen hat dann erst am Nachmittag stattgefunden.
Das GesprĂ€ch war fĂŒr mich das Heilsamste, in den letzten drei Jahren fĂŒr mich. Wir saĂen in einem Raum mit einem Mediator vom Gericht und einem Dolmetscher, weil wir beide Vietnamesisch sprechen. Aber der Mediator muss das Mitverstehen, weil er dann auch an manchen Stellen eingreifen kann, darf, soll oder muss - wie auch immer.
Und es war ein unglaublich ehrliches GesprÀch, womit ich nie gerechnet habe. Ich habe Antworten und auch nicht Antworten (das sind ja auch Antworten) auf Fragen bekommen, die ich mir mein Leben lang gestellt habe und die mir teilweise dort erst klar geworden sind:
Wie geht es dir damit? Warum hast du das getan? Hast du es deiner Familie erzĂ€hlt? Hast du kein schlechtes Gewissen gehabt meinen Eltern gegenĂŒber?
All diese Fragen stellt man sich, und die stellen auch andere Menschen. Sie werden auch mir manchmal gestellt, wenn sich welche trauen. Auf all die Fragen hab ich irgendwo Antworten bekommen und wenn die Antwort ist: âIch weiĂ es nicht und ich frage mich das auch schon mein Leben lang.â
Und auch das ist in Ordnung, aber das zeigt ja nur, wie ehrlicher er ist. Er hÀtte mir ja auch vom Pferd erzÀhlen können und mir sonst was erzÀhlen können und stattdessen habe ich echte Trauer, echte Verzweiflung gesehen. Ich habe einen echten Menschen gesehen.
Ich konnte das Bild vom TĂ€ter, vom Monster, von Mister Arschloch loslassen und konnte einfach dieses arme HĂ€ufchen Elend von Mensch sehen, das sich dessen bewusst ist, dass es ein Leben zerstört hat also ganz direkt meins, an zweiter Stelle seins und seiner Familie und an nĂ€chster stelle meiner Familie. Und das war sehr heilsam fĂŒr mich.
Das hat eine RiesenverÀnderung in mir hervorgebracht, welche man ganz gut auf Facebook nachverfolgen kann, wenn man sich die alten Posts noch mal anguckt."
Eva: "Ich glaube, du hast mir noch erzÀhlt, dass du ihm noch die Hand gegeben oder sogar umarmt hast?"
Mai: "Noch keine Umarmung, aber genau ich gab ihm da die Hand und auch noch im Gerichtsprozess selber, hat er dann wieder um Vergebung gebeten und ist dann im Gerichtssaal aufgestanden auf unsere Nebenklageseite und hat sich vor meinem Tisch auf die Knie geworfen und sich nochmal entschuldigt.
Es ist ja spannend, weil es aus der Sicht von deutscher Kultur auch an gewisser Stelle missverstÀndlich ist.
Es wirkt sehr theatralisch. Einige Journalisten haben so berichtet, und ich wurde auch explizit vom Oberstaatsanwalt befragt, wie ich diese Geste deuten und interpretieren wĂŒrde, was es fĂŒr mich bedeute, weil es eben in unserem Kulturkreis in Deutschland eher unĂŒblich ist und zu viel der Entschuldigung, sogar dick aufgetragen wirken kann.
Aus der vietnamesischen Kultur heraus, aus der er stammt und die ich kenne, ist es die gröĂte Geste, die ein Mensch tun kann. Der Kniefall, und dann auch noch ein hierarchischer Kniefall. Also jemand, der höher steht, jemandem der deutlich niedriger ist, dem niederzufallen.
Das ist einfach ein unglaublich groĂer Akt, der sehr viel bedeutet. Und so habe ich es auch ganz klar dann damals auch dem Gericht gesagt.
Und genau da habe ich ihm dann auch die Hand gegeben und da hat er mich dann umarmt. Ich habe auch rein gespĂŒrt, ob die Umarmung fĂŒr mich okay war, und das war es.
Ich wollte ihn jetzt nicht zurĂŒck umarmen. Es war eine einseitige Umarmung, welche fĂŒr mich kein Ăbergriff war. Es war fĂŒr mich einfach der Schlussstrich des Friedens."
Eva: "Du hast ja auch wirklich viel Arbeit gemacht, dass du da tatsĂ€chlich bei dir bleiben konntest und noch bei dir sein konntest. Stimmt das jetzt fĂŒr mich, wirkt das echt, möchte ich zurĂŒck umarmen oder nicht? Da ist schon echt ganz groĂe Heilung passiert.
Du verdienst sehr viel Anerkennung, wenn man so gute Arbeit mit sich selbst macht und auch Komplimente an die Therapeutin. Es hat gut geklappt und so soll es sein, dass man irgendwann erwachsen ist und was du sagst, klingt fĂŒr mich einfach unglaublich erwachsen
Du warst kein Kind mehr, das herumgeschlagen hat, geheult hat oder sonst was, ihn unbedingt am Boden sehen wollte, sondern echt komplett erwachsen bei dir bleibst. â
Das heiĂt, er hat alles zugegeben und dann musstest du es nicht mehr das Ganze wiederholen? Es war ja relativ klar, oder ganz klar, dass das stimmt, was du sagst."
Mai: "Genau das ist tatsĂ€chlich etwas Wichtiges, das ich gelernt habe, und zwar, dass wenn ein TĂ€ter alle Anklagepunkte gesteht, dann kriegt er eine groĂe Strafmilderung.
Das Spannende ist, dass er sie nicht bekommt, weil er gesteht, sondern weil er dem Opfer es erspart, nochmal aussagen zu mĂŒssen.
Das finde ich auch eine unglaublich humane Regelung vom Gericht zu sagen, hey das Opfer hat nichts davon, ob du zwei oder zehn Jahre im Knast sitzt. Das macht dem Opfer in der Regel emotional kein Unterschied.
Aber es macht fĂŒr Opfer einen Unterschied, ob du sagst, Ja das war so, oder Nein und das Opfer muss noch mal Aussagen und dann muss das Gericht abwĂ€gen, was stimmt oder nicht stimmt.
Und das finde ich einfach unglaublich menschlich vom Gericht. Also fĂŒr mich war vorher Gericht und Justiz irgendwie ein groĂer grauer Block und ich bin höchst ĂŒberrascht, und zwar sehr positiv, was mir alles Positives widerfahren ist und wie viel Menschlichkeit ich erlebt habe.
Ich musste nicht mehr ĂŒber das Geschehen aussagen, da bin ich sehr dankbar fĂŒr. Aber es muss ja trotzdem irgendwie ausgesagt werden, damit das Gericht ein Urteil sprechen kann, und da hat das Gericht auch wieder sehr zu meinen Gunsten entschieden. Sie haben kurzfristig die Hauptkommissarin, die mich vernommen hat eingeladen.
Er hat sie quasi kurzfristig eingeladen, sodass sie das Interview (also die Vernehmung) mit mir vorgetragen hat und quasi meine Worte wiedergegeben hat, anstatt dass ich es hĂ€tte tun mĂŒssen. Da war ich so dankbar fĂŒr und es war irgendwie ein spontaner kurzfristiger Einfall vom Gericht.
Da hat sich der Staatsanwalt sogar noch bei meiner AnwĂ€ltin entschuldigt und meinte, dass er sie nicht ĂŒbergehen wollte, sondern ebenso kurzfristig kam ihm als Idee, dass er dachte, das wĂ€re sicherlich in ihrem Sinne. So menschlich ist es abgelaufen, dass sich der Staatsanwalt sich bei meiner AnwĂ€ltin entschuldigt hat.
Und ich habe dann quasi nur noch zu den Fragen ausgesagt, zu nach dem Ende der Tat. Was das mit mir gemacht hat und wie ich damit umgegangen bin und ob ich eben auch tatsÀchlich Krankheitsfolgen habe, welche aus meiner Karriere getriebenen Job angefallen sind.
Ja und da hab ich spannenderweise danach von meiner AnwĂ€ltin das Feedback bekommen, was mich auch sehr ĂŒberrascht hat, die seit 30 Jahren fast hauptsĂ€chlich Nebenklage Verfahren macht, also fast nur Opfer vertritt.
Dass es ihr noch nie so klar war, wie es einem Opfer wirklich geht. Weil ich so klar sei, so reflektiert, so eloquent sei in dem, was ich erzÀhle. Das seien nur sehr wenige.
Sie meinte viele Opfer trauen sich ja kaum oder wollen kaum bei der Gerichtsverhandlung dabei sein. Viele wollen kaum den TÀter noch mal sehen, geschweige denn so wie ich zu sagen: Ja ich möchte bei der gesamten Gerichtsverhandlung dabei sein.
Ich hĂ€tte auch einfach nur zu meiner Aussage kommen können und dass ich dann noch dies Reflektieren und wie sie sagte, diese Eloquenz habe, das so klar zu formulieren und die Menschen so klar abzuholen, dass sie sie mitfĂŒhlen und mitfiebern können, wie es mir in den unterschiedlichen Phasen ging, und dass sie nun verstehen können, wie vielschichtig das ist.
Sie meinte, es ist schon irgendwie klar, dass es einem Opfer schlecht geht und dass es einem Opfer schlechter als vorher geht und das ein Opfer vielleicht die Arbeit nicht mehr so verrichten kann und Panikattacken und AngstzustÀnde hat.
Aber in welchem AusmaĂ und in welchen Schichten. Das war fĂŒr sie neu. Das betrifft Freundschaft, SexualitĂ€t, Familie Kollegen und dass das auf so vielen Ebenen passiert.
Und eben auch diese Reflexionen mit Victom blaiming und Dingen, die mir heute klar sind, die mir damals nicht klar waren, die ich aber in meiner ErzÀhlung schon einflechten kann, weil ich sie heute so klar habe. Mich hat dieses Feedback vollkommen weggehauen. Es ist doch vollkommen klar. So etwas muss doch jedem klar sein."
Eva: " Ja ich bin schon ĂŒberrascht, wie wenig Wissen ĂŒber Trauma und die Folgen davon in der Welt ist, obwohl es ja seit den 90er-Jahren groĂartige BĂŒcher gibt in Deutschland.
BĂŒcher von Michaela Huber, Luise Reddemann, Michael Van Der Valk. Da steht es alles genau drin. Du hast noch einen Punkt ausgelassen, den du zwar vorher gesagt hast, aber aus meinem Bereich kenne ich das natĂŒrlich sehr: dass ganz viele ins Burnout gehen.
âEs kann sein, dass du dich irgendwann mitten im Burnout wieder findest zusammen mit einer fetten Depression.
Und alle denken dann, na ja, weil der Job nicht so gut lÀuft, oder weil der Job zu anstrengend war oder das Privatleben vielleicht nicht so lÀuft. Aber Quatsch das sind in 99 Prozent der FÀlle Kindheitstrauma und ganz viele Frauen genau aus dem Grund:
Missbrauch verdrÀngt, nicht aufgearbeitet, immer nur weiter gelebt, bis zur Depression. Und das ist wichtig, dass wir den Unterschied sehen, egal welchen Job wir machen.
Ich meine ich sowieso. Ich arbeite ja auch mit TĂ€tern (die ich im Ăbrigen nicht TĂ€ter nenne) und helfe diesen, hoffentlich schnell aus der Opferrolle zu kommen.
Und das hast du wunderschön beschrieben, wie das geht. Genau wie die AnwÀlte, die anders reden könnten, anders eingehen könnten, wenn sie nur das Wissen hÀtten.
Der Richter hat das gehabt, und er hat es sensationell gemacht. Auch der Staatsanwalt. Aber allgemein sollten noch viel mehr Menschen von Trauma und den Folgen Bescheid wissen.
WĂŒrde man solch ein Wissen haben, dann wĂŒrden solche Prozesse besser laufen. Es ist eh schon geschehen, man kann es nicht mehr Ă€ndern. Solche Dinge geschehen jeden Tag, das wissen wir. FĂŒr MĂ€dchen und Jungs mehrfach.
Und deswegen freut mich deine Einstellung so sehr, denn es ist ganz klar, wenn du klar bist und alles Gut in dir ist, dann ist auch alles im AuĂen gut.
Es ist erstaunlich, dass du echt so einen sensationellen Gerichtsprozess gehabt hast, der gehört ja fast verfilmt, damit man sieht wie es auch anders laufen kann.
Nein echt, da hat man auch schon andere Sachen gehört, wo man denkt okay, das war jetzt superfeine Retraumatisierung."
Mai: "Noch zwei Dinge. Das eine, was du gerade gesagt hast, zum Burnout, dass das in der Gesellschaft einfach noch gar nicht so angekommen ist. Denn Burnout hat oft nichts mit Arbeit selbst zu tun.
Arbeit ist eine Flucht. Ich flĂŒchte mich in die Arbeit. Und genau das Thema ist, worĂŒber ich mich gerade gestern so aufgeregt habe, weil ich ja ganz klar und ganz offen kommuniziert habe, dass ich ein Burnout hatte, aber auch immer wieder sage, dass es etwas Emotionales war und nichts mit der Arbeit selbst zu tun hatte.
Und trotzdem habe ich gestern von einem Follower, den ich nicht kenne, einfach ein Mensch der Meinung ist mich zu kennen einen Kommentar bekommen:
Er wĂŒrde meine Arbeit nicht unterstĂŒtzten, und sich nicht fĂŒr den Newsletter eintragen, weil er das GefĂŒhl hat, ich halse mir gerade zu viel Arbeit auf und laufe in den nĂ€chsten Burnout.
So was wĂŒrde er nicht unterstĂŒtzen wollen. Ich finde, das ist Ăbergriffigkeit vom feinsten. Danke nein danke.
Ich weià gar nicht, wo ich anfangen soll, das aufzudröseln, wie falsch es ist, aber ich lasse es einfach mal hier so stehen. Ich glaube, die Metapher kommt an."
Eva: "Das geht nun auch ĂŒber zu dem, was ich sagen wollte, ich habe nĂ€mlich einen Artikel von dir gelesen oder war es dein Video - und das ist jetzt der letzte Punkt fĂŒr heute. Sonst gibts noch ein Teil 3 (was mich auch nicht stört).
Dass dann Leute kommen, und meinen sie mĂŒssten sagen, das ist doch eine Entschuldigung vom TĂ€ter. Oder sagen, ja MĂ€del das kannst du doch nicht mitverantworten.
Denn das haben wir noch gar nicht erwĂ€hnt bis jetzt, du hast dann auf BewĂ€hrung plĂ€diert, anstatt zu sagen, dem mĂŒsstest du die Eier abschlagen, und solche bösen Dinge. Und du hast gesagt, hey Leute das ist ein Mensch.
Das hat mich so berĂŒhrt, dass es GĂ€nsehaut in mir ausgelöst hat. Wie du gesagt hast, er ist ein Mensch, er ist vor mir auf die Knie gefallen. Er hat geheult, und es voll gecheckt, dass er die mega ScheiĂe gebaut hat.
Und du hast auch vorher in gesagt, er konnte sich nicht halten. Also du hast anscheinend auch verstanden, warum er es getan hat. Deshalb mag ich dieses Wort Missbrauch nicht. Es gibt ja völlig unterschiedliche Motive, warum ein Mann so etwas mit einem MÀdchen macht.
Er konnte sich nicht halten. Diese Impulskontrolle, die man normalerweise haben sollte, in dem Fall, wenn man Bock hat oder geil wird oder Macht demonstrieren will, auch da gibt es ja ganz viele verschiedene Facetten, warum ein Mann mit einem achtjÀhrigen MÀdchen Sex hat.
Ja auch das ist extrem vielschichtig. Aber dann zu sehen okay. Er konnte sich nicht halten, etwas, was uns auch passiert, nur mit anderen Dingen.
Ich kann mich zum Beispiel nicht halten, wenn ich hungrig bin, und eine Pizza liegt vor mir. Oder vor der Haribo TĂŒte konnte ich mich frĂŒher nicht halten.
Da lachen vielleicht viele aber das habe ich fĂŒr mich so rausgefunden, dass dieser Impuls so stark ist, und da kannst du nicht mithalten. Das ist keine Entschuldigung vom TĂ€ter, sondern das ist ein Verstehen, wie wir Menschen sind.
Und einen so zu verknappen der sich auf die Knie schmeiĂt und heult und es auch hoffentlich nicht mehr tut, und auch in den letzten Jahren hoffentlich niemandem getan hat.
Der tut es jetzt nicht jeden Tag mit anderen MĂ€dchen, denn dann wĂ€re es was anderes, dann mĂŒsste man ihn stoppen, auch meiner Meinung nach.
Dass man so jemanden als Mensch sieht und aus der Opferrolle geht, dadurch wie du es so schön gesagt hast, ihn aus der TÀter Rolle entlassen konntest. Du konntest ihn dann als Mensch sehen, warum auch immer - er konnte sich nicht halten. Warum auch immer er hat diese Neigungen. Warum auch immer. Es war einfach so.
Das ist keine Entschuldigung fĂŒr die Sache, noch nicht mal eine Rechtfertigung, absolut nicht. Deswegen sag ich immer zu meinen Klienten, ja genau, zeige ihn an, also von mir hast du absolut das Go. Wir leben in einem Rechtsstaat und er hat eine Straftat begangen.
Aber im persönlichen Bereich kann ich doch sehen, dass es ein Mensch, der sich nicht im Griff hatte und seine GelĂŒste oder seine Macht GelĂŒste, was auch immer es bei ihm war (meistens ist es ja Macht).
Bei den meisten die so junge Menschen vergewaltigen, ist es Macht und nicht Geilheit. Manchmal aber auch beides. Er konnte sich nicht halten. Er hat es gemacht. Immer wieder.
Und das ist Leid genug, und zwar bis zu seinem Lebensende, und wird es hoffentlich nie mehr tun. Aber da kannst du mehr sagen, weil du mit ihm gesprochen hast und ihr dann auf BewÀhrung plÀdiert habt.
Du bist auf Facebook und Instagram deswegen stark verurteilt worden. Da kam so in mir nochmal dieses Natascha Kampusch hoch, mit der haben sie das ja auch gemacht.
Da sieht man wieder, wie wenig bewusst wir sind, und ihn einfach verklappen wollen, dem es ja auch sehr wenig bewusst war. Also alle lieben Leute die da so was drunter schreiben sind kein Millimeter bewusster als der."
Mai: "Ich habe noch eine groĂe Erkenntnis, die der Richter ganz am Ende noch erwĂ€hnt hatte. Also ich fange von hinten an, normalerweise nach einer UrteilsverkĂŒndung könnte das Gericht sagen, passt schon. Oder sie begrĂŒnden noch zehn Minuten.
Erst mal haben sie eine halbe Stunde lĂ€nger gesprochen, bis sie ĂŒberhaupt herausgekommen sind, um das Urteil zu sprechen. Das Urteil selber, waren dann zwei Jahre auf BewĂ€hrung und es war so, dass der Richter sich dann noch eine Stunde Zeit genommen hat, alles im kleinsten Detail zu erklĂ€ren warum, wie, was das wohl zustande gekommen ist.
Er hat unter anderem mich angesprochen. Er hat unter anderem ihn angesprochen. Viele allgemeine Dinge erklÀrt, viele juristische Sachen erklÀrt.
Etwas, was mir sehr hĂ€ngen geblieben ist, wo ich gemerkt habe, dass der Richter sich sehr viele Gedanken darĂŒber gemacht hat, dass er ihn ganz persönlich angesprochen hat und ihm gesagt hat:
"Sie hatten ganz offensichtlich zu der Zeit damals vor 15 bis 20 Jahren, pĂ€dophile Neigungen. Und dafĂŒr braucht man sich nicht schĂ€men. PĂ€dophilie ist eine Art der SexualitĂ€t.
Wie andere Menschen es mögen, geschlagen zu werden zu schlagen gefesselt zu werden, kuschelnd Sex zu haben was auch immer. Es ist eine sexuelle Art. Das Problem an dieser Neigung ist, dass diese Neigung nicht ausgelebt werden darf.
Im Gegensatz zu den anderen aufgezĂ€hlten Neigungen ist diese nicht erlaubt, weil sie nicht im Konsens passieren kann, weil Kinder geschĂŒtzt werden mĂŒssen, weil Kinder nicht aus freiem Willen ja oder Nein sagen können und da haben sie etwas Falsches getan.
Sie haben sich dort Ihrer Neigung hingegeben, auch wenn das nicht korrekt war und deswegen mĂŒssen sie bestraft werden." Das war wow, denn ich hatte frĂŒher mit dem allerschlimmsten Richter gerechnet. Aber das hat mich umgehauen.
Denn es gibt Berichte von Richtern, die in der Verhandlung anfangen die Akte zu blÀttern. Der Mann hat sich so sehr mit dem Thema PÀdophilie auseinandergesetzt, mit dem Thema Missbrauch, aber auch alles sehr durchdacht und dementsprechend gehandelt. Wirklich Hammer.
Das ist das eine. Und das andere dann eben auch. Es haben sich alle so viele Gedanken gemacht. Bevor der Gerichtsprozess angefangen hat, gab es Sondierung, also ganz normale SondierungsgesprÀche wo alle Prozessbeteiligten schon mal miteinander sprechen ausgenommen mir und dem Angeklagten, um zu schauen, wo geht der Prozess hin.
Wie viele Tage brauchen wir noch. Wenn er keine Aussage macht, ist es natĂŒrlich viel lĂ€nger, weil Zeugen geladen werden mĂŒssen etc. Und da war ganz klar fĂŒr den Staatsanwalt: Es wird eine hohe GefĂ€ngnisstrafe geben.
Punkt. Und auch das war fĂŒr meine AnwĂ€lte und mich klar: Wir wollen eine hohe Strafe haben. Dann diesen Wandel wĂ€hrend dieser kurzen Zeit. Diese fĂŒnf Tage waren auf vier, fĂŒnf Wochen aufgeteilt.
Dieser unglaubliche Wandel also auch die Art, wie er sich gezeigt hat. Die Art, wie gesprÀchsbereit er war und bittet und bettelnd um Verzeihung gebeten hat: Alles auf eine sehr ehrliche und authentische Art und Weise, das Eingestehen seiner Schuld und seines falschen Handelns.
Das hat alles verĂ€ndert. Also einerseits das GestĂ€ndnis ist eine hohe Strafmilderung in unserer Gesetzgebung. Die Bereitschaft zum TĂ€ter Opfer GesprĂ€ch ist auch eine hohe Strafmilderung und eben auch dass erfolgreiche TĂ€ter-Opfer GesprĂ€ch. Was natĂŒrlich nicht nur ihm zugutezuhalten ist, sondern auch meinem Willen und auch meiner Beurteilung.
Das sind alles groĂe StrafmilderungsgrĂŒnde. Dann ist es noch ein anderes Gesetz gewesen damals. Wir haben das Sexualstrafrecht, welches nĂ€mlich sehr verschĂ€rft wurde in den letzten Jahren und dadurch, dass der Fall so lange her ist, musste auch ein anderes StrafmaĂ angesetzt werden.
Weil man kann ja nicht fĂŒr etwas verurteilt werden, was zu der Zeit nicht strafbar war, oder anders strafbar war. Das einfach mal fĂŒr den Hinterkopf Zahlen vor der Klammer quasi stand mussten, um das einfach erst mal klar zu haben. Und das hat den Oberstaatsanwalt schon in eine groĂe Bredouille gebracht.
Und der hat dann auch erst mal um 20 Minuten gebeten, bevor er seinen PlÀdoyers gehalten hat. Da kam dann eben raus, seine Forderungen waren zwei Jahre und zehn Monate ohne BewÀhrung.
âZwei Jahre ist die Grenze, an der man BewĂ€hrung aussetzen kann, und fĂŒr mich war klar, dass er sehr mit sich gehadert hat, ob er eine BewĂ€hrungsstrafe aussetzt oder nicht.
Und es war irgendwo auf der Kippe und in dem Moment, in dem das auf Kippe steht, hat es bei mir innerlich etwas gemacht: Dann soll er doch die BewÀhrung bekommen.
Also nicht, weil ich Mitleid mit ihm habe, nicht weil ich ihn verstehe oder ihn entschuldige, sondern einfach nur, weil ich nichts davon habe wirklich gar nichts.
Wenn dieser Mensch im Knast sitzt, wĂŒrde ihm schlimmes unmenschliches, UnsĂ€gliches widerfahren. KinderschĂ€nder, wie man so banal sagt, haben den niedrigsten und schlechtesten Rang im GefĂ€ngnis und ihnen geht es dort wirklich dreckig.
Das Bild der runter fallenden Seife ist kein Klischee. Hat mir meine AnwÀltin auch ganz klar gesagt. Das ist normal. Das ist so und da hab ich gesagt: Ganz ehrlich da hab ich nichts von.
âDa hab ich nichts von, wenn dieser Mann zwei, drei Jahre im GefĂ€ngnis ist, und dort dann noch geschlagen, missbraucht oder sonst was wird, seine Frau und das Haus verliert, was sie sich gemeinsam gekauft haben.
Und seine Frau, die im Imbiss auf 450 Euro mitarbeitet, die bekommt jetzt auch keinen neuen Job mehr bis zur Rente und seine Söhne, wo, der jĂŒngere noch studiert und eben noch Geld vom Papa bekommt.
Da hĂ€ngen einfach so viele Dinge dran. Ich weiĂ ich bin dafĂŒr nicht verantwortlich. Ich weiĂ ich hĂ€tte auch sagen können: Verknackt ihn so lange, wie ihr wollt." Und gleichzeitig hab ich da nichts von.
Also fĂŒr mich ist das Thema durch. Rache wollte ich lange, aber in dem Moment war es einfach fĂŒr mich nicht nötig. FĂŒr mich wĂ€re es weiteres Leid, was sich hinten dran gestellt hĂ€tte, was nicht mehr hĂ€tte sein mĂŒssen.
Deswegen haben wir, meine AnwĂ€ltin und ich auf BewĂ€hrung plĂ€diert, was alle sehr ĂŒberrascht hat.
Sein Anwalt hat einfach nur noch zugestimmt und gesagt: "Das, was die Frau Kollegin sagt." Und im Endeffekt ist es dann genau das geworden.
Genau diese zwei Jahre, genau diese Zahl ist auf der Kippe auf BewĂ€hrung, auf drei Jahre ausgesetzt. In den drei Jahren darf er sich jetzt nichts zuschulden kommen lassen. Des Weiteren auch ein unglaublich schönes Urteil. Er muss tausend Euro dem WeiĂen Ring zukommen lassen als Spende in 50 Euro Raten.
Sie haben auch ganz klar seine FĂ€higkeiten, also das, was er an Geld zur VerfĂŒgung hat, klar bemessen. Also dieser Mann wurde gefragt, wie viel er verdient habe mit seinem kleinen Imbiss und er meinte in schlechten Jahren 20 000 Euro in guten Jahren 25 000.
Also sind 1 000 Euro netto verdammt viel fĂŒr so einen Menschen und dann wird es auch noch an den WeiĂen Ring gespendet, der mir so sehr geholfen hat."
Eva: "Das ich einfach eine unglaublich schöne und menschliche Geste vom Richter. Ăhnlich wie du sagst, denn es bringt wirklich keinem etwas auĂer ihm eine scheiĂ Zeit und seiner Familie eine absolute Tragödie.
Und ich glaube, dass es wirklich ganz wichtig ist, noch zu erwÀhnen, weil sonst werden wir hier beide wahrscheinlich geschlachtet. Du hast irgendwas gesagt, er hat es nie wieder getan und das finde ich so wesentlich.
Wie gesagt, wenn er es stĂ€ndig tun wĂŒrde, wĂŒrde ich mich auf gar keinen Fall darĂŒber freuen. Aber anscheinend hat er es nach dir nie wieder getan, oder irgend so was Ăhnliches hast du gesagt, richtig?"
Mai: "Es sind zwei Punkte also einerseits das offene GesprÀch, in dem ich ihn ganz klar gefragt habe. Wie schaut's aus? Hast du jemals noch ein anderes Kind angefasst, hast du so was wieder getan?
Er hat mir sehr ehrlich versichert: Nein er hat es nie wieder getan, sondern nur bei mir. Er kann sich nicht erklÀren warum, er weià es nicht. Er fragte sich schon sein Leben lang. Es ist wortwörtlich der einzige Schandfleck in seinem gesamten Leben.
Und das passt ja auch zum Bild, wenn man nicht weiĂ, was PĂ€dophilie ist, dann passt es ja total dazu. Ich habe es getan, aber ich weiĂ nicht warum, und zwar weil er nicht versteht, dass das seine SexualitĂ€t ist.
Aber er versteht, dass es so schlimm war, dass er das nie wieder tun wollte. Und da kann man gut auch wieder zu mir sagen: Vielleicht hast du dich anschwindeln lassen, du bist zu sentimental und glaubwĂŒrdig. Und damit habe ich mir wirklich sehr schwergetan.
Ich habe ewig darĂŒber nachgedacht. Also ich habe wirklich eine Nacht nicht schlafen können, weil ich genau darĂŒber nachgedacht habe. Ich habe meine Schwestern, meine beste Freundin gefragt, Leute, ist bei mir was falsch? Bin ich zu nett?
Dann, weil ich so verzweifelt war, habe ich meine AnwÀltin angerufen. Das war noch vor dem PlÀdoyer, wo wir uns schon darauf geeinigt hatten und habe sie gefragt, schauen Sie mal, was ist, wenn ich einen Fehler mache.
Was ist, wenn ich jetzt auf BewÀhrung plÀdiere und in den BewÀhrungsjahren er sich das nÀchste MÀdel schnappt. Was ist dann? Und dann hat sie mir den Kopf gewaschen.
Sie hat Folgendes zu mir gesagt: Schauen Sie mal, wir haben eine umfassende Ermittlung gehabt. Das muss man sich mal vorstellen.
Meine Aussage war so aussagekrĂ€ftig, so glaubwĂŒrdig, dass die Anklage nicht auf Amtsgerichtsebene (also auf dem untersten Gericht stattgefunden hat), sondern direkt auf Landesebene stattgefunden hat.
Das Amtsgericht darf nur bis zu vier Jahre verklagen und das heiĂt ja schon mal irgendwie was. Das ist ja quasi schon wirklich sehr hochgegangen. Das heiĂt aber auch, dass so schnell mit so einer krassen ProfessionalitĂ€t gearbeitet wurde.
Es hat bei ihm eine unangekĂŒndigte Hausdurchsuchung stattgefunden. Die Polizisten sind quasi in den Laden gekommen, das heiĂt, er war nicht mal zu Hause und haben ihn mitgenommen und haben alle seine technischen GerĂ€te beschlagnahmt und alles durchsucht und alle DatentrĂ€ger."
Eva: "Und da war sonst nichts?"
Mai: "Genau, das war das, was meine AnwÀlte meinte. Das Einzige, was sie finden konnten, waren tatsÀchlich kinderpornografische Bilder aus genau dieser Zeit. Die hatten genau den Zeitstempel von 2000, nÀmlich von vor 15 bis 20 Jahren und danach nichts mehr.
Das ist einfach ein unglaublich groĂer Hinweis darauf, dass er das irgendwie selber in den Griff bekommen hat, dass er aufgehört hat, weil er gemerkt hat, dass es falsch ist."
Eva: "Also bei eurem letzten Mal, hat er von sich dann aufgehört?"
Mai: "Nein, ich habe ihn weggeschlagen. Ich hab mich zum allerletzten Mal gewehrt. Und habe es danach aber auch nie wieder dazu kommen lassen. Also sobald ich gehört habe, dass er zu Besuch ist, bin ich im wahrsten Sinne des Wortes geflohen.
Also ich habe ihn tatsÀchlich nach der letzten Tat, in der ich mich gewehrt habe, nie wieder gesehen."
Eva: "Und du glaubst, dass das fĂŒr ihn so krass war, dass er dann wirklich darĂŒber nachgedacht hat oder hat er das auch gesagt?"
Mai: "Genau, also es war fĂŒr ihn so krass, nicht nur, dass er dann zum ersten Mal gemerkt hat, das er da, was falsch macht, sondern, dass es auch fĂŒr mich schlecht ist und somit auch fĂŒr alle anderen schlecht wĂ€re.
Eva: "Das hat er gar nicht kapiert vorher?"
Mai: "Ja und das ist ja auch klassisch. Ist ja klar. Viele PĂ€dophile lieben ja Kinder. Das ist ja ein Irrglaube, was ja manchmal in der Zeitung steht, wie zum Beispiel "PĂ€dophiler entfĂŒhrt Kind und tötet es".
Das wĂŒrde ein PĂ€dophiler niemals tun. Niemals, weil PĂ€dophile Kinder ĂŒber alles lieben, und sie glauben, sie tun ihnen Gutes."
Eva: "Sie wollen dem Kind nichts richtig Böses tun und denken dann auch das es nicht der Grund ist, dass es einem Kind schlecht geht.
Sondern es wird entweder verdrÀngt, oder es wird in manchen FÀllen in Kauf genommen, denke ich. Oder viele sagen ja das Kind wollte das ja. Da muss viel mehr Bewusstheit rein in unsere Welt.
Bewusstheit ĂŒber diese ganzen sexuellen Themen und Polyamorie passt ja hier dazu, wie man es sagt.
Wenn die Leute daheim in ihrer unglĂŒcklichen Ehe hĂ€ngen oder schon seit zig Jahren keinen Sex mehr haben und sich nicht ausleben sexuell ausleben dĂŒrfen, so wie sie es möchten, in allen Varianten. Dann wird das auch immer öfter passieren können.
Es wird eh immer passieren, aber vielleicht kommt es dann schneller raus, man kann öfter drĂŒber reden, und auch lockerer darĂŒber reden, das ist meine naive Vision, dass wir uns alle da gegenseitig aufklĂ€ren.
âDadurch wĂ€re vieles einfach schneller gesagt und es wĂŒrde schneller gemerkt werden. Man merkt es ja bei so einem Kind, da war ja wahrscheinlich auch bei dir ein Bruch, also meistens fĂŒhrt das zu einem Bruch:
Auf einmal zieht sich das Kind zurĂŒck, es wird so komisch, vielleicht ist das ein bisschen depressiv, lĂ€sst in der Schule nach, dann danach wird aggressiv, spĂ€testens da wird erst gemerkt, okay was kann das sein.
Vielleicht kommt man erst da auf den Gedanken, das ja immer dieser Typ zu uns nach Hause kommt und Zugang zum Kind hat. Das Kind ist mit ihm allein. Kann das sein, dass da ein Missbrauch lÀuft?
Das ist so meine völlig naive Vorstellung, aber ich weiĂ, da sind wir in einigen Familien noch Lichtjahre entfernt. PĂ€dophilie wird es immer geben. Aber mal ein bisschen anders handeln wĂ€re gut! Wolltest du sonst noch was sagen?"
Mai: "Ja, lass mich mal kurz meinen Gedanken noch zu Ende fĂŒhren. Genau durch die Hausdurchsuchung und die Durchsuchung aller seiner Festplatten wurde nichts mehr gefunden. Auch in den Jahren nach der Anzeige wurde nichts gefunden.
Und da hat meine AnwĂ€ltin zu mir gesagt - und das fand ich so schlĂŒssig - sie meinte zu mir: Schauen Sie mal. Also entweder ist dieser Typ ein absolutes Superhirn, was Internet angeht und was das Rechtssystem angeht, dass er genau die Bilder aus der Zeit darauf lĂ€sst und alles andere so gelöscht bekommt.
Das kann sein. Aber fĂŒr wie realistisch halten Sie das? Und wie wĂ€rs denn, wenn Sie einfach das realistischere Modell annehmen, dass er es tatsĂ€chlich geschafft hat und seitdem nie wieder ein Kind angefasst hat.
So banal es klingt: Im Zweifel fĂŒr den Angeklagten. Die Wahrscheinlichkeit ist einfach sehr hoch, dass er einfach die Wahrheit sagt und die Beweislage unterstĂŒtzt das zu hundert Prozent. Und es waren ja auch keine anderen MĂ€dchen da. Niemand vorher und niemand nachher."
Eva: "Das kenne ich aus einem Fall, dass man ja gerade in Facebook das mitkriegen wĂŒrde. Die MĂ€dchen die damals zu deiner Zeit dort gelebt haben, die hĂ€tten das ja auch mitgekriegt. In dem Fall, den ich jetzt gerade im Kopf habe, kommen die Damen und sagen: Du hör mal, das hat er mit mir auch gemacht.
In einem Fall, den ich kenne, haben sich die MÀdchen zusammengetan und alle haben sie bestÀtigt, der hat es mit uns auch gemacht. Bei dir hat sich niemand gemeldet und so etwas gesagt."
Mai: "Ja genau und andersherum sogar noch. Sogar noch nach der Anzeige habe ich Kontakt mit MÀdchen gesucht von deren Eltern ich wusste, dass sie ihn auch kennen. Ich habe mich ganz bewusst mit denen getroffen und ihnen erzÀhlt, was mir passiert ist und habe sogar gefragt, ist ihr das auch passiert?"
Eva: "Da hast du 100% deine Hausaufgaben gemacht."
Mai: "Ja ich bin da sehr investigativ vorgegangen, weil ich mir gesagt habe, okay, wenn es niemand Anderes macht, dann mach ich es. Ich wusste ja nicht was passiert."
Eva: "Ich bin dein Fan, ich freue mich auf dein Buch, ich höre dann dein Podcast und lerne mehr zu Polyamorie von dir. Vielleicht gehe ich sogar mal zum AcroYoga, da hast du mir echt Lust drauf gemacht.
Weil du gesagt hast, man muss damit nicht super sportlich sein, sondern man darf super sportlich werden und es gibt Grenzen, es geht um Vertrauen, es geht um mich, aber es geht um Lust.
Danke fĂŒr deine Teilnahme! Aus diesen 40 Minuten sind jetzt zweieinhalb Stunden geworden. Aber wir machen hier mehrere Teile draus.
(Hier geht es zu Teil 1, wenn du den nicht schon gelesen hast)
Ich freue mich sehr, dass du da so aus dir herausgekommen bist und so ein Geschenk dir selbst gegeben hast.
In deinem Leben wirst du ganz sicher noch vieles Gutes tun können, mit dem Wissen, mit den Erfahrungen, ja und so ein StĂŒck weit auch aufgewacht bist.
Aufwachen von diesem Traum, den viele noch trĂ€umen, dass es einen TĂ€ter gibt, dass es ein Opfer gibt, dass es Retter geben muss. Du hast dich selbst gerettet vom Feinsten und hattest dann die beste UnterstĂŒtzung, die es gibt.
Lieben Dank, möchtest du zum Schluss noch etwas sagen und sagen, wo man dich sonst noch findet?"
Mai: "Ich freue mich einfach ĂŒber jeden und jede, der mir aus dieser Podcast folge und dem YouTube-Video folgen mag und meinen Weg begleiten mag. Der verĂ€ndert sich kontinuierlich. Die letzten Jahre war ich hauptsĂ€chlich AcroYoga-Lehrerin. Jetzt merke ich, dass da noch so viel mehr ist.
Dass ich mich nicht spitz positionieren muss, wie das Marketing so schön sagt, sondern das ich einfach ich sein darf, und zwar mit all meinen Themen:
Mit AcroYoga, Thai Yoga Massage aber genauso mit Polyamorie offener Beziehung und Swingen, und eben auch sexuellen Missbrauch und Verletzlichkeit. Ja all die Themen das bin ich zu hundert Prozent authentisch und ja mein Buch wird auch ein spannendes Projekt.
Das wird auch ein Gemeinschaftsprojekt, ich interviewe auch Missbrauchsopfer. Wer also Lust hat dort mitzuwirken, darf sich gerne bei mir melden auch sehr gerne anonym.
Das wird groĂ und ich setze alles daran, dass es ein Bestseller wird, und das nicht meinetwegen und nicht des Geldes wegen, sondern ein Bestseller erreicht einfach die breite Masse und die breite Masse braucht dieses Wissen."
Eva: "Ich bin sehr dankbar, dass du mit mir so lang gesprochen hast und dass ich auch meinen kleinen Beitrag dazu beitragen darf. Ich habe ja auch schon einige Hörer und Seher und dass ich helfen darf, deine Message mit in die Welt zu bringen."
Mai: "Danke Dir und Danke fĂŒr die Einladung!"
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Hi, ich bin Mai đ Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht Opfern sexuellen Missbrauchs zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Auch wenn eure Scham und Angst etwas anderes erzĂ€hlen: Das ist nicht wahr! Und es kommt noch besser: Der richtige schöne Teil eures Lebens liegt noch vor euch! Ich habe es geschafft, aus dem schlimmsten Erlebnis meines Lebens, eine enorme Kraft zu ziehen & mein Leben nach meinen Ideen neu zu gestalten - also kannst du das auch! Deine Mai đ
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[…] Verhandlung hat 5 Verhandlungstage gedauert (wie bei mir) und es kam zu einer Verurteilung (auch wie bei mir). Beim Gerichtsverfahren hat sie eine sehr empathische AtmosphĂ€re und viel Menschlichkeit gespĂŒrt […]