Traumatherapie mit Somatic Experiencing nach Dr. Peter Levine 😇

Traumatherapie mit Somatic Experiencing nach Dr. Peter Levine – Sasja Metz im Interview

Sep 28
Traumatherapie - Trauma definition

Wann hat man ein Trauma? Viele Menschen suchen nach einer Erklärung für das traumatische Verhalten ihres Körpers, obwohl sie gar kein schlimmes Erlebnis erlebt haben. Ich habe Sasja zu Gast, sie ist Heilpraktikerin für Psychotherapie und bietet auch Traumatherapie an. 

Außerdem sprechen wir darüber wie man bestimmte Ängste wieder in den Griff bekommen kann, was ein Window of Tolerance ist und schließlich erzählt Sasja von ihrer eigenen Therapie-Erfahrung. Im zweiten Teil erfährst du alles zu der Körper Therapie - Somatic Experience.

Sasja stellt sich vor: Heilpraktikerin für Psychotherapie und Traumatherapie

Traumatherapeutin und Heilpraktikerin Sasja Metz

Traumatherapeutin und Heilpraktikerin Sasja Metz

Mai: Hi und herzlich willkommen zu einer neuen Podcast-Folge. Wie ihr sehen könnt, habe ich heute wieder einen ganz wunderbaren Gast dabei. Ich habe Sasja Metz bei mir. Sie ist Heilpraktikerin für Psychotherapie und bietet auch Traumatherapie an. Tatsächlich bin ich über Social Media bzw. Instagram auf sie aufmerksam geworden und finde ihr Wissen, das sie darüber verteilt und welche Aufmerksamkeit sie auf Trauma lenkt so unglaublich spannend. Also habe ich kurzerhand beschlossen sie anzuschreiben und zu fragen, ob sie Lust auf ein Interview hat. Und tadaa hier ist sie: Hi Sasja!

Sasja: Hallo! Ganz spannend, das ist mein erstes Podcast-Interview. (Mai jubelt und Sasja jubelt mit.) Ich freue mich total hier zu sein und mit dir über das Thema Trauma und Traumatherapie zu sprechen.

Mai: Mega gut! Danke dir für deine Bereitschaft und deine Zeit. Magst du erstmal etwas über dich erzählen? Ich habe ja gerade zwei, drei Eckpfeiler genannt, aber da gibt es sicherlich noch viel viel mehr. 

Sasja: Ja sehr gerne, ich bin Sasja Metz, bin mittlerweile (Pause und überlegt) 46 Jahre alt, komme ursprünglich aus dem Rheinland, aber wohne inzwischen in der Nähe von Bremen mit meinem Mann und verschiedenen Tieren (zeigt auf den Hund, der in der Ecke liegt). Das ist übrigens die Lessia, meine Co-Therapeutin. Seit 2016 bin ich selbstständig als Heilpraktikerin für Psychotherapie. Danach ist die Traumatherapie noch hinzu gekommen. 

Mai: Supercool und mega spannend! Lass uns einfach ins Thema einsteigen und schauen wo wir landen. Fangen wir mit etwas ganz Grundsätzlichem an, weil ich auch da schon ganz viele unterschiedliche Definitionen und Meinungen von den Leuten gehört habe: Was ist eigentlich genau ein Trauma? Wie ist Trauma definiert und wie würdest du es beschreiben?

Übrigens: Sasja hat einen super Selbstlern-Online-Kurs auf die Beine gestellt, um dein Nervensystem nachhaltig auf Trab zu bringen, um dein Trauma aufzuarbeiten. Mit dem Code: METOO10 bekommst du 10% Rabatt.

Wie Sasja zur Definition Trauma und Traumatherapie steht

Traumatherapie

Traumatherapie

Sasja: (atmet tief durch) Für mich fängt da schon die Problematik an. Was heißt denn Trauma vom Wort her? Es kommt aus dem griechischen und heißt einfach Wunde, Verletzung. Und das ist auch wie ich Trauma sehen würde. Schauen wir mal in die Psychologie oder in die ICD 10, das ist dieses Handbuch für Psychologen und Psychiater, wo man seine psychiatrische Diagnose bekommt, dann findet man tatsächlich ganz wenig  über Trauma. 

Als Traumafolgestörung gibt es nur die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und das ist für mich schon mal ein ganz großes Problem. (Holt das Handbuch raus und blättert) Ich lese jetzt hier einfach mal raus, ab wann man nach dem ICD 10 ein Trauma haben darf - und das könnten jetzt mögliche Trigger sein: 

Körperliche sexualisierte Gewalt, Vergewaltigung, gewalttätige Angriffe, Geiselnahme, Terroranschlag, Krieg, Kriegsgefangenschaft, politische Haft, Folterung, Konzentrationslager, Naturkatastrophen, schwere Unfälle oder die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit. Das passiert natürlich auch vielen Leuten. 

Du kennst dich sicher auch mit dem Thema aus, aber es gibt einen ganz großen Anteil, die Traumasymptome oder Traumafolgestörung haben und die in diesen Begriff nicht reinpassen. (Mai nickt zustimmend zu) Und für die gibt es dann zum einen keine Therapie und zum anderen keinen Therapieplatz. Und auch von der Gesellschaft gar keine Akzeptanz - nach dem Motto “Was hast du denn erlebt?”. 

Und auch wie diese Leute zu sich selbst sprechen “Ich hab ja gar kein Trauma. Naja, ich muss besonders empfindlich sein” oder “Ich muss besonders bekloppt sein, weil ich hab ja nichts. Da war ja alles gut. Ich hatte doch eine tolle Kindheit.” Aber wenn die dann zu mir in die Praxis kommen und wir bröseln das so ein bisschen auf, dann sehen wir halt: Okay, da gibt es doch Traumafolgen. 

Dann geht es gar nicht so sehr darum, ob wir jetzt was in dem ICD 10 finden, das abhaken und sagen: “Ja, du bist zum Glück traumatisiert. Jetzt bist du hier richtig.” Ich würde mir wünschen, dass dieser Begriff viel weiter gefasst wird und wir auf diesen ursprünglichen Begriff hinaus gehen. Das ist einfach Verletzung und Wunde. Ich biete die Traumatherapie Somatic Experiencing an. Und in dieser Therapie sagen wir, dass Trauma nicht immer am Ereignis liegt. 

Beim Trauma geht es darum, wie dein Körper reagiert und nicht was dir passiert ist

Traumatherapie - Hilfe suchen

Traumatherapie - Hilfe suchen

Es hat nichts damit zu tun, was dir widerfahren ist, sondern es hat damit zu tun, wie dein Nervensystem und dein Körper das verarbeitet hat. Wir schauen uns von einem ganz anderen Blickwinkel diese Sache an. Es passen mehr Leute in diesen Traumabegriff. Das ist immer wieder so erschütternd, wenn ich Frauen bei mir in der Praxis habe, die sagen: “Ja Mensch, ich hab doch alles. Ich hab einen Mann. 

Ich hab ein Kind. Sie sind gesund. Ich hab ein Haus. Ich hab einen Job, einen Golden Retriever.”  Auf den ersten Blick sieht das Leben toll aus. Aber innerlich sind die total zerrissen. Und gucken wir da weiter, dann finden wir doch das Trauma. Und wenn ich dann sage: “Ja, du hast allen Grund dafür, diese Symptome zu haben”, dann erhalte ich folgende Antwort von den Leuten (Sie seufzt laut): “Ach, endlich! 

Endlich versteht mich mal jemand.” Und auch beim Erzählen kriege ich eine Gänsehaut. Das berührt mich so sehr, dass diese Menschen so verloren sind. Die passen ja in keine Schublade rein. Und wenn wir da alle ein bisschen Mitgefühl und auch den Blick mehr weiten würden, dann wird es - aus meiner Sicht - auch in der Gesellschaft ein bisschen einfacher sein.

Mai: Ich finde es super schön und wertvoll, was du gerade gesagt hast. Ich kenne das so gut. In dem Moment, in dem man seinem Gegenüber sagt: “Das ist voll in Ordnung. Du darfst so und so sein.” Daraufhin gibt es dieses ganz laute Ausatmen. Das ist der Moment, in dem das Loslassen passiert und das ist so wertvoll. Das merke ich auch so sehr mit meinen Klientinnen. 

Weiterführung des Begriffs Trauma in der Traumatherapie

Traumata aus der Kindheit heilen - Traumatherapie

Traumata aus der Kindheit heilen - Traumatherapie

Ich mag trotzdem nochmal auf das Wort Trauma zurückkommen. Da gibt es unterschiedliche „Schulen“. Die klassische Schulmedizin greift auf ICD 10 zurück. ICD bedeutet international classification of diseases und ist hier ein Katalog an Krankheiten, der von der WHO regelmäßig herausgebracht wird.

Im ICD 10 steht bei der posttraumatischen Belastungsstörung, dass das Trauma durch ein Ereignis von katastrophalem Ausmaß ausgelöst sein muss. Ein Ereignis, das nahezu jeden an seine Grenzen bringen oder eben zur Verzweiflung bringen würde. Sehr emotional der Text (schmunzelt ein wenig). Das Ding ist bei mir in der Ausbildung so hängen geblieben. 

Dann kommen wir zu dieser krassen Auflistung an Kriegsverbrechen, Folter und Missbrauch. Wie siehst du das? Muss das wirklich dieses ganz krasse Ding sein oder kann ein Trauma „kleinere“ Sachen sein wie “Mama hat mich nicht gehört.” Ich sag mal „Alltag“, der aber ein Kind so sehr belastet, bei dem man normalerweise gar nicht so draufschaut und objektiv sagt: “Ok, das war jetzt gar nicht so schlimm.” Ist das für dich auch schon Trauma?

Sasja: Ja, auf jeden Fall. Und da gibt es noch diesen Begriff des Entwicklungstraumata. Und auf meinem Instagram Account geht in irgendeiner Art und Weise immer wieder über Entwicklungstraumata. Wir fassen da Traumata zusammen, die schon im Mutterleib, während der Geburt und der ersten drei Lebensjahren geschehen können. Was kann so ein Trauma sein? 

Im Mutterleib, wenn meine Mutter vom Tod des Vaters erfährt oder wenn dieser im Sterben liegt - dann wird der Körper die ganze Zeit von Stresshormonen überflutet. Als Baby bin ich dann wiederum in diesem Mutterleib gefangen und kriege diesen Stress Cocktail die ganze Zeit mit. Das hat natürlich Auswirkung auf mein Nervensystem und nachher wie ich durchs Leben gehe.

Und dann kommen noch viel mehr Sachen hinzu und das ist das, was du gerade gesagt hast: Eine Mutter, die nicht gesehen hat. Ich bin auch erst durch Instagram in diese ganze Blase mit bedürfnisorientierter Erziehung und Begleitung usw. gekommen. 

Ich kannte das vorher überhaupt nicht und dann ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Es geht darum, dass man das Kind auf Augenhöhe begleitet. Dass man immer erkennt, dass das Kind ein Bedürfnis hat und es gut begleitet. Es geht darum zu erkennen, im Kind nicht den kleinen Tyrannen zu sehen, der sein Willen durchsetzen will, sondern als Wesen, was Bedürfnisse hat, die er meistens oder zumindest am Anfang noch nicht alleine händeln kann.

Und wenn da irgendwas am Anfang mit dieser Bindung verkehrt läuft - deswegen wird es auch Bindungstrauma genannt - dann ist das die Blaupause fürs Nervensystem, für den Körper und auch wie ich nachher die Welt sehe. Dieser Blick ist dann oft verzerrt. Jetzt könnten wir auch schon ein bisschen von der Thematik Stresssituation anfangen. Ich liebe es über das Nervensystem zu sprechen. (lacht), weil es Dinge für mich so logisch macht. 

In der Traumatherapie weiß man: Der Körper reagiert instinktiv auf mögliche Gefahrsituationen

Zur Ruhe kommen - Traumatherapie

Zur Ruhe kommen - Traumatherapie

Wenn wir uns jetzt vorstellen: Wir zwei treffen uns jetzt bei dir zuhause und wir schnappen uns meinen Hund und gehen zusammen spazieren. Ich weiß jetzt nicht, ob du da irgendwo in der Nähe ein Wald hast (Mai nickt bejahend). Okay, dann gehen wir spazieren, sind am babbeln, weil wir ja Mädels sind und auf einmal knackt es. (Macht ein geschocktes Gesicht) 

Und da haben wir gar nicht drüber nachgedacht, dass dieser Körper sofort das geschockte Gesicht macht, sondern es passiert instinktiv. Das ist die natürliche Stressreaktion. Was ist genau passiert? Da ist der Sympathikus, der hat sozusagen das Gaspedal im Körper gedrückt und hat die Augen groß gestellt, das Lungenvolumen erhöht, die Herztätigkeit erhöht, Blut in die Arme und Gliedmaßen gesendet und Blut aus dem Gehirn abgezogen. Das passiert alles ohne, dass wir nachdenken. 

Das macht der Körper automatisch und auch so schnell, dass wir das gar nicht steuern können. Es hat also im Wald geknackt und wir drehen uns beide um. Da hat anscheinend ein Rabe eine Walnuss fallen gelassen. Sie ist auf den Boden geknallt und das war das Geräusch. Und warum gibt es diese Stressreaktion? Wenn wir da spazieren gehen, dann würden wir sehen: Das ist keine Gefahr. Wir können uns jetzt wieder entspannen. Der Parasympathikus wird angeschmissen, unser Ruhenerv, und sagt uns: “Okay, wir können wir jetzt hier runterfahren.” 

Danach werden alle diese Sachen wieder rückgängig gemacht. Und das ist diese natürliche Stressreaktion, die dazu dient, dass wir in einer Gefahrensituation sofort reagieren können. Das kommt tatsächlich noch aus der Steinzeit. Es hat sich in unserem Körper noch nicht so herumgesprochen, dass hier keine Säbelzähne mehr über die Straße laufen. Und aus dieser Zeit kommt die Reaktion und die macht Sinn. 

Hätte dieser Säbelzahntiger da vorne gestanden, dann würde es jetzt keinen Sinn machen zu überlegen: “Du Mai, was ist das für ein Säbelzahntiger? Gehört der zur Gattung der blabla?” In dieser Situation hätten wir beide entweder unsere Beine in die Hand nehmen müssen und schnell wegrennen oder wir haben Superkräfte und können kämpfen. Und wenn das beides nicht gelingt, dann gibt es eine noch ältere Stressreaktion und das ist Erstarrung. 

Der Freeze Mechanismus ist meistens der einzige Schutzmechanismus der als Kind oder Baby möglich ist

In Freezemodus gehen - Trauma als Kind erleben

In Freezemodus gehen - Trauma als Kind erleben

Warum erzähle ich das? Das steht jetzt auch im Zusammenhang mit dem Baby in dieser ersten Lebenszeit. Wenn wir uns mal vorstellen: Wir haben ein Baby, es liegt in seinem Bettchen und auf einmal merkt es: “Okay, ich habe Hunger.”

Dann fängt es an zu schreien, denn es kann ja mit seinen vielleicht sechs Monaten noch nicht zur Mama gehen und sagen: “Mama, ich habe Hunger.” Also liegt es in seinem Bettchen, hat Hunger und schreit. Jetzt hat die Mama dummerweise aus einem Ratgeber gelesen, dass jedes Kind schlafen lernen kann. 

Und da steht drin: “Man muss den Kindern beibringen, dass sie alle vier Stunden essen dürfen und durchschlafen sollen. Man muss das Kind einfach schreien lassen, denn es wird sich irgendwann schon wieder beruhigen und dann klappt das auch mit dem Schlafen. Das ist einfach alles nur eine Erziehungssache.” Was aber passiert tatsächlich im Nervensystem des Babys? 

Es kann ja nicht kämpfen oder flüchten. Da ist diese Erregung im Körper, denn dieses „Ich habe Hunger“ ist für ein Baby eine existenzielle Not. Das hört sich auf den ersten Blick erstmal doof an, aber es ist tatsächlich eine existenzielle Not. Schließlich hat das Baby noch nicht das Gehirn, um zu wissen: “Mama ist ja da. Ich werde nicht verhungern. Die hat jetzt diesen Ratgeber gelesen, deshalb krieg ich erst in 3 ½ Stunden wieder Essen.” Das Baby weiß nur: “Ich habe jetzt Hunger, ich habe jetzt ein Problem und ich brauche jetzt eine Lösung.”

Es stellt eine existenzielle Not dar, wenn das nicht behoben wird. Und das steigert sich in dieses Schreien rein und irgendwann merkt der Organismus: “Ich kann diese Stressreaktion nicht aufrechterhalten, denn es passiert nichts.” Daher hat der Körper eine andere clevere Strategie entwickelt. 

Wenn er merkt, dass die Energie oder die Stressreaktion die ganze Zeit relativ weit oben ist, dann sagt er: “Okay, hier wird zu viel Energie verbraucht. Das ist nicht gut. Wer weiß, wann wir das nächste Mal wieder Essen bekommen. Wir müssen mit unseren Ressourcen haushalten.” Dann geht er in die Erstarrung und das Baby ist ruhig. Das sind dann die braven Babys. 

Aber die sind nicht ruhig, sondern sie sind einfach erstarrt. Sie haben sich von ihrem Bedürfnis - „Ich brauche jetzt Kontakt, ich brauche Essen, ich brauche jetzt eine Streicheleinheit, ich brauche jetzt Sicherheit durch dich, Mama.” - abgetrennt. 

Wenn ich das bereits als Baby oder als kleines Kind lerne, dann wird das auch immer meine Strategie im Nachgang, im späteren Leben sein. Immer wenn irgendwas zu stressig wird, bin ich weg. Dann bin ich auch innerlich von mir weg. 

Und ich weiß das selbst. Denn ich bin 46 Jahre alt, Somatic Experiencing ist mir erst 2016 begegnet und bis 2016 war ich eigentlich kontinuierlich in diesem Erstarrungszustand. Zwar gab es durchaus lichtere Momente, wo ich mich etwas lebendiger gefühlt habe und jetzt nachdem ich selbst für mich ganz viel Therapie gemacht habe, und auch durch die Arbeit mit den Klienten, merke ich: 

Ich war nicht da. Ich habe nicht gelebt. Und das beruhigt mich. Denn je mehr man auch guckt und je mehr man auch Mitmenschen beobachtet, desto mehr sieht man: Die sind alle nicht da. Und das ist tragisch. Da könnte ich jetzt anfangen zu weinen, weil mich das so traurig macht. 

Mai: Danke dir für deine unglaubliche Offenheit. Dass du dich da gerade persönlich nochmal eingebracht hast und erzählt hast, wo du herkommst. Und wow, die Geschichte mit dem Baby in der Stressreaktion ist, so wie du sagst, ultra logisch. Das ist super krass und macht mich auch immer wieder fassungslos, was für vermeintliche Erziehungstipps und Ratgeber da durch die Gegend fliegen. Und Menschen glauben das auch wirklich. 

Aufpassen bei Erziehungstipps und Traumas die aus der Kindheit kommen

Erziehung von Kindern

Erziehung von Kindern

Mein Freund, der Oli, ist gelernter Erzieher. Er hat 10 Jahre als Erzieher gearbeitet und hat drei Kids. Wenn ich mit ihm spreche, lerne ich immer wieder von ihm. Er hat einen anderen Background. Er kommt aus der Hippie Szene, wo die Kinder so lange wie möglich barfuß durch die Gegend laufen. Bereits sein dreijähriger Sohn konnte damals Grenzen setzen und hat seinen Papa aus dem Zimmer geworfen. Er hat einfach gesagt: “Papa, jetzt raus hier.” Und der Oli ist gegangen. Denn Kind hat gesagt, er braucht seinen Raum. 

Solche Ratgeber sind wirklich erschreckend. Das ist für mich pure Gewalt am Menschen, am Kind, an denen die sich nicht wehren können. Es ergibt Sinn, dass das quasi der Blueprint für das Alter, für das Leben ist. Hat das einen Grund, dass ihr euch auf die ersten drei Jahre inkl. der Zeit im Mutterleib fokussiert. Ist das irgendwie so, dass die drei Jahre ganz besonders für das Gehirn sind?

Sasja: Das hat ein bisschen was mit dem Nervensystem zu tun. Als Baby kommen wir - auch wenn wir diese normale Schwangerschaftszeit haben - eigentlich als Frühgeburt auf die Welt. Unser Nervensystem ist noch nicht ausgereift, unser Gehirn noch nicht ausgereift, ganz viele Sachen sind noch nicht ausgereift und das macht es auch so tragisch. Wir denken ja - oder das ist der gängige Tenor in der Erziehung - dass ein Kind sich selbst beruhigen könnte. 

Aber das geht nicht. Das Nervensystem dazu ist nicht da. Auch dieser Parasympathikus ist noch nicht ausgereift. Es gibt noch keinen Entspannungsnerv. Und deswegen brauche ich - wir nennen es immer so ganz pathetisch - ein gut eingestimmtes Gegenüber, das sagen kann: “Ich bin da für dich, ich sehe dich, was brauchst du denn?” 

Wir brauchen diesen sicheren Hafen. Denn das Kind kann das für sich von der Biologie her noch gar nicht. Es ist so als ob wir einem Hund sagen würden: “Jetzt fang doch mal an zu fliegen”. Geht nicht. Und genauso wenig geht das mit der Eigenregulierung von einem Baby. So bis drei, da ist das Nervensystem besser drauf.

Transgenerationales Trauma, wird da in Traumatherapie angesehen?

Transgenerationales Trauma

Transgenerationales Trauma

Mai: Oh wow. Da kam eine Frage von der Community zum Thema: Wie ist es eigentlich bei transgenerationalen Trauma. Glaubst du, dass es transgenerationales Trauma gibt?

Sasja: Auf jeden Fall glaube ich das. Man weiß es ja auch mittlerweile, denn es ist in den Zellen und im Gehirn nachweisbar. Wir haben diese ganzen Apparaturen, MRT usw. Wir können es nachweisen, dass es das gibt. Spricht sich nur noch nicht so wirklich rum. Und es gibt noch Kollegen, die sagen: “Nein, es kann nicht sein”. Für mich ist es auf jeden Fall ganz klar, dass es das gibt. Wenn wir uns mal angucken, aus welchen Bauteilen wir denn entstehen: Ich habe auch Anteile von meiner Großmutter in mir. 

Die hat den 2. Weltkrieg noch mitgemacht, meine anderen Großeltern auch. Da war der Opa in russischer Kriegsgefangenschaft. Das war ja alles kein Zuckerschlecken und das tragen wir auch in dem Sinne in uns. Und zu der Frage was man da machen kann. Man hat ja in dem Sinne keine eigenen Erinnerungen. Was könnte jetzt das transgenerationale Trauma überhaupt sein? Das ist wie Stochern im Heuhaufen. 

Da habe ich sehr gute Erfahrungen mit der Aufstellungsarbeit gemacht. Da arbeitet man sozusagen mit Stellvertretern und der Energie der Person, die in der Familie sind. Das ist ein gutes Tool, um da noch weiter zu arbeiten. In der Regel kann man sagen: Gibt es bei jemandem diese transgenerationale Traumata, dann gibt es auch noch ein bisschen mehr. Ein Trauma kommt selten allein. 

Übrigens: Sasja hat einen super Selbstlern-Online-Kurs auf die Beine gestellt, um dein Nervensystem nachhaltig auf Trab zu bringen, um dein Trauma aufzuarbeiten. Mit dem Code: METOO10 bekommst du 10% Rabatt.

Der Ursprung eines Traumas hat mit der individuellen Reaktion zu tun

Woher weißt du ob du ein Trauma hast

Woher weißt du ob du ein Trauma hast

Mai: Ich hatte mal ein ganz interessantes Gespräch. Sie würde folgendes interessieren: Hast du eine Idee bzw. Meinung, wie das ist, wenn durch den Geschlechtsverkehr von schwangerer Mutter mit dem Vater eine verfrühte Geburt eingeleitet wird? Würdest du sagen, das ist ein Trauma oder das könnte ein Trauma sein? Oder hängt das einfach davon ab, wie das Nervensystem des Kindes das zu der Zeit auch kennt?

Sasja: Das ist ein Kennzeichen wie ich Trauma verstehe. Man kann jetzt nicht irgendwie sagen: “Okay, das verursacht auf jeden Fall Trauma, das verursacht auf jeden Fall kein Trauma.” Es hat immer mit der individuellen Regulation usw. zu tun, ob das Trauma war. Ich trage das Pferd immer von hinten auf und sage: “Wenn du jetzt irgendwelche Symptome hast, wenn du jetzt irgendwie eingeschränkt in deinem Leben bist, dann wird es einen Grund haben. 

Vielleicht können wir gemeinsam schauen was es für einen Grund gibt.” Aber wir suchen gar nicht nach der Geschichte im Sinne von “Was ist denn jetzt das Schlimme daran?”. An viele Sachen kann man sich auch gar nicht erinnern. 

Bis drei Jahre haben wir auch kein Gedächtnis in dem Sinne, sondern wir haben nur dieses Körpergedächtnis. Da ist es ein bisschen schwieriger ranzukommen, da braucht man andere Methoden. Deswegen haben wir auch ganz oft keine Geschichten, aber der Körper erzählt einfach genug und damit kann man dann arbeiten. 

Mai: Voll gut. Da gehen wir auch gleich nochmal mehr darauf ein. Das finde ich super spannend, was ihr in der Traumatherapie an Arbeit macht. Ich würde gerne noch eine Frage aufgreifen zum Thema: Wie ist es denn im Alltag? Also woran merke ich in meinem Alltag, dass ich ein Trauma erlebt habe? Wo verhalte ich mich vielleicht anders als andere Menschen? Oder: Wie spüre ich das?

Window of Tolerance - Methode in der Traumatherapie

Window of Tolerance - Trauma aufarbeiten

Window of Tolerance - Trauma aufarbeiten

Sasja: Da nehmen wir als Erklärungsmodell das “Window of Tolerance” und das beziehe ich wirklich ziemlich in jeder Stunde mit ein. (zeigt Bild) Das Window of Tolerance beschreibt ein Stressresilienz-Fenster. Wir haben optimale Bedingungen, wenn wir ein Wunschkind sind, Mama und Papa haben sich lieb, es gab eine perfekte Schwangerschaft, perfekte Geburt. Die ersten drei Lebensjahre waren perfekt. 

Das kann so per se schon mal nicht sein, denn perfekt gibt es nicht. Aber wir stellen uns das mal vor es wäre so, dann haben wir ein ganz großes Fenster. Aus diesem Fenster kann man gut rausgucken und viel sehen. Und jetzt habe ich bereits von dieser natürlichen Stressreaktion gesprochen. Bei einer Gefahrensituation kommt diese natürliche Stressreaktion in Gang und diese hat innerhalb dieses Fenster wirklich Platz.

Die Aufregung steigt an, hat ihren Maximalpunkt erreicht. Dann sehen wir: “Okay, es ist alles eigentlich sicher und wir können wieder entspannen.” Und die Stresskurve geht wieder runter. Das ist der optimale Fall. 

Was wir viel häufiger haben, ist ein nicht so optimales Window of Tolerance. Das ist einfach kleiner, so wie ein Butzenfenster, schmierig und wo man schlecht rausschauen kann. Auch hier kommt diese Stressreaktion vom Körper. Sie ist einfach autonom und wir können sie nicht steuern. 

Wir können nicht sagen: “Wir machen ein Meditationsretreat und da wird die Stressreaktion kleiner.” Sie ist einfach vom Körper vorgegeben. Dieses Fenster ist kleiner, die Stressreaktion ist aber die gleiche. Da bin ich mit dieser Stressreaktion entweder oben am Fenster und falle dort raus oder unten aus dem Fenster und falle dort auch raus. 

Je nachdem wo wir uns in diesem Fenster befinden, da finden wir dann auch Symptome. Und das äußert sich dann im Alltag in Übererregung. So nennen wir diesen oberen Bereich, wenn wir aus dem WoT fallen.

Und da haben wir alles, was zu viel ist: Wut, Ärger Aufregung, Herzrasen, Bluthochdruck. Wir haben das Gefühl, wir können überhaupt nicht entspannen, müssen auf die Toilette das Handy mitnehmen. Weil sonst müsse man ja eine Minute mit sich selbst sein und hält das nicht aus. Man hat das Gefühl, man steht ständig unter Strom.

Hat Schlafstörung und Verspannungen, weil es immer alles angespannt ist. “Ich muss diesen ganzen Druck in meinem Körper irgendwie managen und das mache ich automatisch durch Anspannung.” Auch so das Gefühl von getrieben sein. 

Das ist alles in diesem Fensterbereich zu finden. Ein weiteres Kennzeichen ist auch, dass da sehr viel Energie verbraucht wird. Den anderen Bereich, wenn wir nach unten aus dem Fenster raus fallen, nennen wir dann Untererregung. Da spielt sich das Gegenteil ab: Alles ist zu wenig. Wie so ein Schluck Wasser in der Kurve. Denkschwierigkeiten. Dass man so das Gefühl hat, dass es früher mit dem Denken besser geklappt hat. Dass man auf der Leitung steht. 

Dass man das Gefühl hat: “Irgendwie ist die Welt so weit weg, alles so wattig. Und die Zeit ist auch so anders. Irgendwie habe ich keine Verbindung zu Menschen, fühle mich immer so ein bisschen wie weg.“ Burnout und Depression als Diagnose ist da drin. Alles was so ein bisschen zu wenig ist, der Körper sich schlapprig und wabblig anfühlt, das ist alles eher ungesund. Und es ist so, dass wir meistens eine Präferenz für einen bestimmten Bereich haben. Aber man kann durchaus auch zwischen diesen beiden Bereichen hin und her switchen.

Es kann sein, dass ich den ganzen Tag in der Untererregung bin, sodass schon zum Herd gehen und mir eine Tiefkühlpizza rein machen zu viel Anstrengung darstellt. Und nachts liege ich aber so (jauchzt dramatisch) im Bett. Bin völlig angespannt und krieg kein Auge zu. Das ist auch sehr häufig. So sieht der Alltag von jemandem aus, der vielleicht offiziell kein Trauma hat, aber nach unseren Kriterien eben doch. Dann finden wir, dass ganz schön viele Menschen darunter fallen. 

Mai: Super spannend! Ich finde das Window of Tolerance ist so ein tolles Modell. Das ist einfach total easy und verständlich. Ich habe oft das Gefühl, dass in der Gesellschaft gar nicht verstanden wird, dass dieses Fenster bei jedem Menschen unterschiedlich ist.

Bei mir in der Ausbildung war es dann quasi ein Fass, das sich füllt, aber das ist ja auch egal wie rum. Nicht der Alltagsstress ist anders, sondern dieses Fenster ist schlicht bei jedem unterschiedlich groß. 

Jemand, der dem gleichen Stress ausgesetzt ist, aber ein anderes Fenster besitzt, kann anders damit umgehen. Es ist spannend, da mal wieder den Menschen in den Fluss zu bekommen. Nicht diese Standardsätze: “Ach komm, stell dich nicht so an. Ist doch nicht so schlimm.” Und ich so: “Nee Moment, es ist für dich nicht so schlimm, weil bei deinem Fenster alles easy ist. Aber der andere hat ein anderes Fenster und für ihn ist es schlimm oder schwer raus zu gehen, jemanden anzusprechen, einkaufen zu gehen, Zähne zu putzen.” 

Als ich in meiner Akutphase war, war für mich aufstehen und Zähneputzen schwierig. Es gab Tage, da habe ich den ganzen Tag nichts geschafft, außer Zähne zu putzen und dachte so: “Ja, ich habe Zähne geputzt!” Und das ist so krass in eine gewisse “Menschlichkeit” zu kommen. Und nicht in das “Funktionieren müssen” innerhalb unseres Systems. 

Deine Reaktionen waren sinnvolle Schutzmechanismen

Traumatherapie

Traumatherapie

Sasja: Es ist auch nochmal ganz wichtig zu sagen: Es geht nicht darum, dass Menschen mit diesem Symptom denken, dass mit denen was verkehrt ist und dass wir als Therapeuten wieder etwas richtig machen müssen.

Das ist glaube ich auch so eine vorherrschende Meinung: Wie so ein Auto, das man in die Werkstatt bringt. Da tauscht man irgendetwas aus oder repariert es, denn es gibt irgendeinen Makel an diesem Auto. Irgendwas ist verkehrt. Irgendetwas ist nicht richtig. 

Und für mich ist es ein ganz anderes Bild: Du hast irgendwas erlebt, was nicht so toll war, und das sind deine Stressverarbeitungsstrategien daraufhin gewesen oder das sind deine Mechanismen darauf gewesen, wie du dich am besten selbst schützen konntest. 

Übrigens: Sasja hat einen super Selbstlern-Online-Kurs auf die Beine gestellt, um dein Nervensystem nachhaltig auf Trab zu bringen, um dein Trauma aufzuarbeiten. Mit dem Code: METOO10 bekommst du 10% Rabatt.

Realisiere das es jetzt vorbei ist

Und mit dir ist nichts verkehrt, sondern mit dem, was du erlebt hast. Damit ist was verkehrt. Alles, was du jetzt zeigst, ist eine natürliche Reaktion, die dich beschützt haben. Der einzige Fehler, den du jetzt vielleicht machst, ist, dass du nicht realisierst, dass du das alles schon überstanden hast. 

Ich gehe jetzt mal davon aus, wir sind nicht mehr in einer gewalttätigen Beziehung oder wir sind jetzt nicht mehr in irgendwelchen toxischen Strukturen. Das ist ja jetzt vorbei. Es ist vorbei und wir sind jetzt hier in 2020. Wir haben das geschafft. Und auch wirklich zu realisieren, es ist nichts verkehrt mit mir, sondern das was ich erlebt habe war verkehrt.

Und ja, da würde ich auch gerne mehr hin. Auch den Leuten zu zeigen: Es ist alles schon da. Es ist nichts mit dir, wir müssen jetzt nichts reparieren, wir müssen auch kein neues Bauteil rein tun, und dann funktionierst du. 

Wir müssen auch keine Selbstoptimierung machen, oder wir müssen jetzt 100 Jahre meditieren, oder positiv denken und dann bist du richtig. Nee, du bist jetzt schon richtig. Und das ist mir so wichtig, wenn sich das mehr durchsetzen würde. Und wenn wir auch mehr in der Psychotherapie so auf die Menschen schauen würden. Das es auch ein Miteinander ist. Ich philosophiere (lacht).

Mai: Ich finde das mega schön. Das kommt total rüber, was du da transportieren willst (haucht verträumt): “Oh ja, sie sagt ich bin in Ordnung”. Ich finde, das ist so wichtig gerade in unserer Gesellschaft. Auch hier wieder: Wir leben in einer so krassen Selbstoptimierungs-Gesellschaft, wo höher, schneller, besser wichtig ist. Hier dein Essen tracken, hier die Workouts und hier noch zum nächsten Persönlichkeitsentwicklungs-Seminar. 

Jeden Tag muss man meditieren, sonst wird man auf keinen Fall ein Superunternehmer oder sonst was. Uns wird ganz viel suggeriert, was wir tun müssen, um gut zu sein. Um richtig zu sein. Ich spüre das auch mit meinen Klientinnen ganz arg. 

Jede Sitzung kommt mindestens einmal die Frage: “Oh Mai was stimmt mit mir nicht? Was ist kaputt bei mir?” Und jedes Mal kommt von mir die Antwort: “Mit dir ist alles richtig. Das ist total super, dass dein Körper so reagiert hat.” Und dann kommt noch ein bisschen logische Erklärung dazu: “Hey, das hat geholfen. Du lebst. 

Das waren ganz tolle Reaktionen von deinem Körper, aber die brauchen wir heute nicht mehr. Und deshalb schauen wir, wie wir deinem Körper zeigen können, dass er so nicht mehr reagieren braucht. Denn jetzt ist alles easy. ”Dann ist jedes Mal ganz großes Aufatmen da, ein ganz großes “Haaah, ich bin in Ordnung, ich darf so sein, das ist gut. Und ich darf mich verändern, aber nicht aus dem Drang heraus, dass ich jetzt falsch bin.” Ich glaube, das ist super heilsam für die meisten. Und deswegen ist es so toll, dass du das gerade nochmal so hochphilosophisch aufgearbeitet hast. 

Sasja’s eigene Traumatherapie Erfahrungen

Traumatherapie für Opfer sexuellen Missbrauchs

Traumatherapie

Sasja: (lacht) Da mag ich noch eine persönliche Anekdote teilen. Ich habe auch eine ganz lange Traumageschichte, ganz lange Therapiegeschichte. 2001 habe ich mich auf meine eigene Traumareise begangen und habe viel Therapie gemacht. Ich war selbst in einer Klinik für acht Wochen oder so und hatte Angststörung, Panikstörung, Depression. 

Danach habe ich ganz klassische Therapie gemacht, tiefenpsychologisch fundierte und habe viel dann noch selbst bezahlt usw. und dachte: “Okay, es ist jetzt alles gut. Ich bin jetzt aus der Panikstörung raus, ich bin aus der Angststörung raus, Depression war auch weg.” 

Ich hatte mein Leben wieder im Griff. Wenn ich jetzt aber zurück schaue, dann merke ich: Ich habe immer noch nicht gelebt, ich war immer noch nicht lebendig. 2017 war ich auf einem Yoga Seminar, obwohl ich selbst gar kein Yoga mache, aber irgendwie hat mich das angesprochen und ich musste dahin. Es ging um Trauma Yoga und da war ein Amerikaner, David Emerson.

Es ging über 4 Tage und da war sowieso eine ganz tolle Atmosphäre. Da stand so ein riesiger Buddha rum. Es war einfach schön, diese vielen hübschen Yoga Menschen, und ich so exotisch, passt so gar nicht. (lacht) Er hat Trauma Yoga vorgestellt und hat, glaube ich, in jedem dritten Satz gesagt: “Es war nicht deine Schuld. Du bist okay.” Und am dritten Tag habe ich es wirklich gehört.

Ich habe da gesessen und angefangen zu weinen. Mir sind so die Tränen runter gerannt und ich habe gedacht: “Ja es stimmt, es ist nichts mit mir verkehrt.” Und da ging auch für mich wirklich eine andere Tür auf. Als ich das zum ersten mal verstanden habe. Also auch, dass mein Körper so reagiert hat, wie er reagieren musste, um dieses Drama überhaupt zu überstehen. 

Mai: Danke. Wow. Sehr berührend. (Pause) Ich nehme jetzt nochmal eine Frage auf. Die kam von der Aylen: 

Sie hat ihr Problem - ich sag einfach mal - „kleingemacht“: “Ja, es ist jetzt kein so großes Trauma und kein sexueller Missbrauch.” Aber - und jetzt kommt die eigentliche Geschichte - sie hat irgendwie in ihrer Kindheit ein Trauma erlebt mit freilaufenden, bellenden Hunden, die ihr Revier markieren. 

Und das prägt sie bis heute ins Erwachsenenleben und das lähmt sie richtig. Wenn sie an Hunden vorbeiläuft, die dann genau so eine Reaktion zeigen, kriegt sie so eine Angst und kommt ins Freeze. 

Sie versteht das ehrlich gesagt gar nicht so genau, weil sie hat einerseits selber einen Hund und andererseits ist es für sie super einschränkend, weil sie auf Bali lebt und da ganz viele freilaufende Hunde sind. Und da fragt sie nach einem Tipp: Was kann sie tun? Hast du da irgendwie ein, zwei best practices, wo sie mal mit loslegen kann?

Sasja: Erstmal mal aufhören es klein zu reden. Auch wenn das wahrscheinlich der schwierigste Schritt ist. Sich mal Unterstützung suchen und so eine Situation anschauen. Was mir sofort als Idee kommt: Es könnte zum Beispiel eine ähnliche Situation in der Kindheit gegeben haben und da waren die Eltern nicht wirklich als Unterstützung da. 

Sie hat ein großes Gefühl von „Ich bin hier alleine, ich muss das alleine regeln. Da ist keiner, ich bin einsam, wie soll ich das schaffen?“ Ganz große Hilflosigkeit, Ohnmacht, so in diese Richtung könnte es sein. 

Aber das musst du dann immer individuell schauen. Also mein Tipp wäre: Es einfach ernst zu nehmen. Wie wäre es denn, wenn es okay wäre, dass ich wirklich Angst habe. Und dann wird wahrscheinlich schon Widerstand in dieser Dame aufkommen im Sinne “Was soll man sich so anstellen? Ist ja nur ein bellender Hund.” Erstmal muss man mit diesem Teil in sich klarkommen. Und es sind ja immer mehrere Anteile. Das sehe ich auch immer mehr in der Therapie. 

Es gibt zwar einen Wunsch von „Ich möchte das und das loslassen“ und an ihrem Beispiel „Ich möchte jetzt gelassener mit solchen Hunden umgehen, das kann ja nicht so schwierig sein“. Und auf der anderen Seite gibt es aber eine Erfahrung, die dagegen spricht. Und dann ist es so was wie ein Tauziehen: Einer zieht nach hier, einer zieht nach da. Da kommt man nicht wirklich weiter. In der Therapie schauen wir uns beide Anteile an. 

Meistens kommt da noch mehr dazu. Und jeder hat irgendwas zu sagen. Da ist dann auch die Lösung drin. Es wird wahrscheinlich so sein, dass dieser ängstlichen Anteile sie schützen wollte. Angst ist ja eine super Emotion. Angst ist dazu da, um zu sagen: „Hey, da ist gerade was richtig gefährlich. Pass mal auf“. 

Da ist ja nichts verkehrt dran und erst wenn wir immer versuchen „Eh ne, Angst finde ich blöd“, dann muss die Angst immer größer werden, immer mehr werden, immer deutlicher anklopfen. Und dann kann sie sich, wie z.b. bei mir, sich in Panikattacken manifestieren. Davor dachte ich nämlich immer: „Ich krieg ja alles geregelt, ich habe keine Angst“. Aber: Ich war voller Angst. 

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Im zweiten Teil geht es um Somatic Experience - eine Technik, bei der man Traumata über den Körper heilt, was vor allem dann Sinn macht, wenn man sich wie bei so vielen sexuellen Missbräuchen in der Kindheit nicht mehr ganz an die Vorfälle erinnert.

Liebe Grüße,
deine Mai

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About the Author

Hi, ich bin Mai 😊 Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht Opfern sexuellen Missbrauchs zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Auch wenn eure Scham und Angst etwas anderes erzählen: Das ist nicht wahr! Und es kommt noch besser: Der richtige schöne Teil eures Lebens liegt noch vor euch! Ich habe es geschafft, aus dem schlimmsten Erlebnis meines Lebens, eine enorme Kraft zu ziehen & mein Leben nach meinen Ideen neu zu gestalten - also kannst du das auch! Deine Mai 💛

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