Somatic Experience - dein Trauma mit deinem Körper heilen 😍

Somatic Experience – dein Trauma mit deinem Körper heilen

Sep 30
Trauma mit Traumatherapie heilen

Dies ist ein zweiteiliges Interview mit Sasja die Heilpraktikerin für Psychotherapie und Traumatherapien ist und Somatic Experience bei vielen ihrer Kunden anwendet. Dies ist eine Technik, bei der man Traumata über den Körper heilt, was vor allem dann Sinn macht, wenn man sich wie bei so vielen sexuellen Missbräuchen in der Kindheit nicht mehr ganz an die Vorfälle erinnert.

Schau außerdem zuerst hier rein, für den ersten Teil des Interviews in dem Sasja genauer auf die Definition eines Traumas eingeht und auch von ihrer eigenen Traumatherapie-Erfahrung spricht.

Somatic Experiencing - körperorientiertes Traumatherapie-Verfahren

Somatic Experiencing - denn dein Koerper weiß bescheid

Somatic Experiencing - denn dein Körper weiß bescheid

Mai: Und jetzt gehen wir mal in die Traumatherapie rein. Wir haben jetzt ganz viel Basic Wissen klären können und auch müssen, um zu verstehen. Was ist jetzt Traumatherapie und ganz explizit: Was ist Somatic Experiencing, was du machst? Es ist ja eine Art von Traumatherapie. Erzähl uns doch mal was passiert dort genau? Was machst du da mit den Leuten?

Sasja: Da fangen immer meine Augen an zu leuchten (lacht).

Mai: (lacht mit) Ja, ich sehe es. 

Sasja: Somatic Experiencing ist ein körperorientiertes Traumatherapie-Verfahren, was ein Amerikaner entwickelt hat, Peter Levine. Und der hat ursprünglich diese ganz klassischen Traumata behandelt, also Schocktraumata, worüber wir vorhin gesprochen haben

Die Therapiemethode ist ungefähr 40 Jahre alt. Ich weiß es nicht ganz genau, ich will es immer nachgucken und vergesse es. (lacht) Aber worum es eigentlich geht - und das ist auch ein großer Unterschied zu dem Traumatherapie-Verfahren, die es auch gibt: Wir haben wirklich dieses körperliche Nervensystem entdeckt. 

Wo sind wir im Window of Tolerance (wird im ersten Teil erklärt)? Sind wir gerade in diesem guten Bereich, wo auch überhaupt Kommunikation möglich ist? Wenn wir uns nochmal an das Window of Tolerance erinnern: 

Ob wir uns in der Übererregung oder halt Unterregung befinden, in beiden Bereichen ist kein wirklicher Kontakt möglich. In der Übererregung ist hier der präfrontale Cortex, wo logisches und analytisches Denken stattfindet, eingeschränkt. Die Sprachfindung ist nicht da. 

Deswegen kommen diese Leute auch in meine Praxis, die bei den Kollegen 10, 15 Jahre Therapie hatten. Ihre Beschwerden sind einigermaßen gebessert, aber das Leben ist so: “Joa könnte besser sein.”

Dann holt man das Nervensystem da mit rein. Was wir eigentlich machen, ist nichts anderes, als das dysregulierte, das aus dem Ruder gefallene Nervensystem wieder regulieren und quasi dadurch dieses Window of Tolerance größer zu machen. 

Denn das ist die gute Nachricht: Das geht. Das wissen wir ja mittlerweile auch von MRT Untersuchungen, dass auch das Gehirn sich neu vernetzen kann, neue Bereiche dazu gewinnen kann und das da ganz neue Verbindungen entstehen können. Das können wir uns zu Nutze machen. 

Mai: Und jetzt die Preisfrage: Wie geht das? (lacht) Wie kriege ich ein Nervensystem-Upgrade?

Wie setzt man die  Somatic Experience in der praxis um?

Somatic Experiencing Koerperheilung

Somatic Experiencing - Trauma Heilung durch den Körper

Sasja: Nervensystem-Upgrade! Das ist gut, das merke ich mir. (lacht) Ja, wie krieg ich das? Ich tu mich immer sehr schwer, das wirklich zu beschreiben. Eine ganz übliche Therapiesitzung sieht so aus:

Lass uns vorstellen, du wärst meine Klientin und du hast Schlafstörungen und du erzählst mir das. Ich würde an deinem Hals sehen, dass da so rote Flecken an der Haut auftreten. Dann könnte ich daraus schon folgen: „Ah, Mai ist jetzt total aufgeregt von diesen Schlafstörungen. Irgendwie ist da mehr Aufregung.” 

Danach würde ich z.b. sagen: „Ach guck mal Mai, ich sehe gerade du hast da rote Flecken im Dekolteebereich. Ist dir das schon aufgefallen? Kann es sein, dass du ein bisschen aufgeregter wirst?“ Und du so: „Ach ja, ist mir gar nicht aufgefallen“. Danach würde ich wieder versuchen ein bisschen mehr Ruhe reinzubringen. 

Eigentlich geht es darum ganz viel Ruhe reinzubringen und dich immer wieder mit dem “Lasso” in diesen resilienten Bereich zu bringen. Denn wir stellen uns das so vor, dass es diesen Traumastrudel gibt. 

Es ist auch einfach nur ein Konzept, denn es gibt keinen Ort am Körper, wo so ein Traumastrudel beheimatet ist. Aber wir stellen uns das einfach so vor. Und was gerne in anderen Therapien gemacht wird ist, dass man so volle Kanne in diesen Traumstrudel rein geht. 

Wie wenn wir in einem Sturm drin stehen würden und dann reißt uns das mit. Dann sind wir völlig orientierungslos und überwältigt. Und was machen wir? Wir gehen quasi nur an diesen äußeren Rand vom Traumastrudel und gehen dann zurück. 

Auch so eine ganz spielerische Entdeckungstour. Wir gucken einfach, dass wir gemeinsam etwas entdecken und ganz oft ist es so, dass wir da eigentlich ja schon wissen, wie wir mit uns umzugehen haben. 

Wir sollen in die Akzeptanz gehen, wir sollen positiv denken usw. Da gibt es aber Anteile in uns, die aber genau das nicht wollen. Und die müssen wir alle mit ins Boot holen. Dann wird es auch klarer. Ich weiß jetzt nicht, ob das wirklich deutlich geworden ist. 

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Das Prinzip Reaktionen zu spiegeln, um auf sie Aufmerksam zu werden

Traumatherapie

Traumatherapie

Mai: Was du gerade schon schön beschrieben hast: Das ist auch etwas, dass ich sehr schätze. Ich glaube, das mag ich einfach nochmal herausstellen für diejenigen, die nicht vom Fach sind. Einfach um ein bisschen mehr vom Konzept dahinter zu verstehen, da du gerade sehr im Detail warst.

Im Prinzip geht es der Gestalttherapie ähnlich zu. Erstmal sehen: Was ist gerade da? So eine Art spiegeln: “Hey Mai, ich sehe gerade bei dir das und das, kann es sein, dass es so ist?” 

Denn ganz oft bekommt der Patient oder Klient es in der Regel nicht mit, weil es ja für die Person normal ist. Und in dem Moment, in dem du der Person spiegelst: “Hey du, guck mal ich sehe das und das, ist es bei dir so?”, kommt schon mal eine Aufmerksamkeit darauf, sodass es nichts Unterbewusstes mehr ist. 

Dann gehst du mit der Person quasi in der Gestalttherapie, in die Gestalt - schwer sich vorzustellen - was es ist. Jede Reaktion, jede Aktion hat einen Anfang und ein Ende. 

Und ganz oft ist es bei Traumata oder auch bei Reaktion auf ein Trauma, dass der Schluss nicht passiert. Dass in dem Moment quasi so viel Angst, so viel Sorge, so viel irgendwas ist, dass irgendwas in uns sagt: „Okay lass uns den Prozess abbrechen“. 

Prozess ist für die meistens einfacher zu verstehen als Gestalt. Und d.h. sie haben ganz viele abgebrochene Prozesse, abgebrochene rote Fäden und du nimmst diese Fäden mit den Leuten auf und schließt den Kreis, beendest den Prozess. Und dadurch darf das gehen, oder?

Die Vollendung der Impulse im Trauma erlauben

Traumatherapie - Trauma heilen

Traumatherapie - Trauma heilen

Sasja: Wir sprechen von der Vollendung des Fluchtimpulses. Das gibt es ganz oft. Das ist auch ganz spannend, ich arbeite ja hauptsächlich online und habe aber auch noch Klienten hier in der Praxis. Dann fangen auf einmal bei ihnen an, die Beine zu zittern. Oder sie werden ganz unruhig. Und wenn man mal den Fokus da drauf lenkt: „Oh guck mal, deine Beine wollen gerade gehen“ Und da so: „Ach stimmt“. 

“Und wenn wir mal deinen Beinen erlauben würden, jetzt einfach weg zu gehen - wir haben hier gerade ein Thema, was schon ziemlich heavy ist - wie wäre es, wenn wir das mal erlauben, was deine Beine jetzt gerade schon so ganz unbewusst gemacht haben? 

(seufzer) „Ach, ich würde so weit wegrennen“. “Was ist denn da an diesem Ort? Ruhen wir uns da an diesem guten Ort aus. Einfach nur vorstellen.” Dadurch vollenden wir sozusagen diese Reaktion, die aufgrund dieses Traumas cut gefunden hat. 

Und das ist auch kennzeichnend von einem Trauma. Es passiert zu viel, zu schnell, zu plötzlich.  Und ich habe gar nicht die Möglichkeit einfach körperlich, also vom Gedächtnis oder von der körperlichen Aktion her, angemessen zu reagieren.

Und das holen wir sozusagen in das Gewahrsein zurück. In die Aufmerksamkeit zurück. Ganz oft ist so, dass wir Sachen einfach gedächtnismäßig abspalten müssen. 

Müssen, weil sie zu schrecklich sind. Weil da zu viel Trauer, Schmerz, Angst, Panik, Hilfloskeit, Todesangst, was auch immer da drin, ist. Dann sind das wie Gesteinsbrocken, die ins All geschossen werden, aber wie mit dünnen Fäden noch verbunden sind.

Auf ihre Art und Weise, z.b. als Trigger, machen sie uns dann das Leben schwer. Und wir stehen im Aldi an der Kasse, nehmen den Geruch wahr und auf einmal geht hier irgendwie eine schlechte Party in meinem Körper ab. 

Und diese Gesteinsbrocken, die irgendwie abgespalten sind, holen wir so ganz vorsichtig wieder rein. Alles langsam. In Portionen. Leicht verdaulich. Mit so einer Haltung: „Wollen wir mal zusammen schauen“. 

Der Lieblingsspruch, den meine Lehrerin immer sagte: „Wollen wir es uns mal gemeinsam gemütlich machen“. Und das wie bei den vielen Youtube Videos von Peter Levine. Das ist einfach magisch. Zum Beispiel spricht er mit einem US-Veteranen, der als einziger einen Angriff auf sein Trupp überlebt hat. 

Alle Kameraden tot. Dieses Schuldthema steht im Raum. Der Veteran hat so Tickst und spricht über diese ganz schwierigen Sachen. Dennoch ist da eine Leichtigkeit dabei. Man denkt, dass ist wie jetzt mit uns beiden, wir haben einfach mal einen Kaffeeklatsch. Oder bei der Ausbildung haben wir mal ein Video von einer Frau mit schwerem sexuellen Missbrauch durch den Großvater gesehen. 

Levin macht das so nett, sodass es sich so heimelich anfühlt trotz dieser Geschichte. Wir müssen nicht darüber reden, dass es schrecklich ist, aber der Versuch hier eine Leichtigkeit reinzubringen, ist toll. Auch immer mit diesem Hintergrund: “Es ist richtig, es ist alles okay mit dir.” Für mich ist es dieser Zauber der Arbeit. Und dadurch fühlt es sich für mich gar nicht wie Arbeit an, sondern hach, ich krieg sogar Geld dafür. (lacht). 

Mai: Ich habe das Gefühl, das ist auch ein ganz starkes Nachnähren. So nennt man das in der Erzieherarbeit. Oli hat das mal gelernt. Manchen sagt vielleicht die Psychoanalyse was, dass wir bestimmte Stadien in der Kindheit durchleben und in jedem Stadium brauchen wir bestimmte Dinge. Wenn wir das aber nicht in diesem Stadium bekommen, dann verzögert sich quasi die Entwicklung der anderen Sachen, da alles aufeinander aufbaut. Da kam quasi Freud drauf. 

Später aber kam auch: „Ah, aber nur weil ich in der Kindheit das nicht bekommen habe, heißt das nicht, dass ich mein Leben lang ein Freak sein muss, sondern dass ich diese Dinge nachnähren kann” Damit kann man der Seele das geben, was sie damals gebraucht hätte. Danach zieht das ganze System hinten nach. Ich habe das Gefühl, dass das ist was du bzw. ihr mit eurer Somatic Experiencing Therapie macht. 

Diese Güte, diese Wertschätzung, dieses Liebevolle, diese “Mutti-Energie”: „Ja, schön, das ist alles in Ordnung. Das darf es sein. Ja, es muss weh tun, ich kann das verstehen“. Dass ihr quasi da irgendwo Mami, Vati, seid, die ja stellvertretend wieder heile machen oder dabei sind und dem Kind zuschauen, wie das Kind es heile macht. 

Sasja: Ganz genau, ja so verstehen wir uns auch. Ich bin ja keine Mutter, aber tatsächlich wird mir das auch immer nachgesagt: “Bei dir ist es so mütterlich” (lacht.) Das ist genau diese Energie, dass wir wie so ein Cheerleader daneben stehen und das begleiten. Es ist einfach schön.

Wie kann man ein Trauma aufarbeiten, wenn man sich nicht mehr daran erinnert?

Somatic Experience Therapie

Somatic Experience Therapie

Mai: Definitiv. Ich möchte gerade nochmal auf was eingehen, was du vorhin kurz angedeutet hast. Mit den schönen Gesteinsbrocken im Weltall. Da sprachst du von abgespaltener Erinnerung. Man kennt es auch unter Amnesie oder Teilamnesien, sodass man sich gar nicht genau erinnert, was passiert ist.

Das ist ja sehr klassisch bei sexuellem Missbrauch. Was die meisten Menschen, die mir zuhören oder Freunde und Angehörige, fragen: “Wie kann man damit arbeiten, wenn ich mich nicht daran erinnere?”. Was machst du da?

Sasja: So strange wie das klingen mag, aber im Grunde genommen brauchen wir keine Erinnerung. Das geht auch komplett ohne Erinnerungen. Mit der Erinnerung meine ich eine Geschichte, die du mir erzählen könntest. Tatsächlich ist es oft so. Oder der Missbrauch hat schon so früh stattgefunden, da gab es noch keine Gehirnfähigkeit das zu speichern. Wer aber von Anfang an dabei war und schon zum Zeitpunkt deiner Zeugung dabei war, ist dein Körper.

Und der reagiert auch auf eine gewisse Art und Weise. Wie ich jetzt eben fiktiv dieses Beispiel gebracht habe: „Ach guck mal, Mai, ich sehe gerade, dass du im Dekolteebereich rote Flecken hast. Ich könnte mir gut vorstellen, dass da ein bisschen mehr Aufregung ist. 

Wollen wir mal schauen, was gerade so aufregend ist?” Und wir arbeiten mit dem, was der Körper so zeigt. Und das kann ganz viel sein: Das können Fußbewegung sein oder ein zusammengebissener Kiefer.

Oder man merkt, es wird auf einmal alles steif. Es können 100.000 Dinge sein und wir gucken die ganze Zeit wie ein Detektiv, was passiert denn jetzt in diesem gegenüber. Das können wir verarbeiten und dann kommt es auch zu dem, was wir tracken. 

Das sind Körperempfindungen. In der Regel kommt auch noch irgendwie ein Gefühl dazu. Zum Beispiel ganz große Angst, Panik, Schuld, Wut oder Traurigkeit. Was auch immer. 

Vielleicht kommt dann auch so etwas wie ein Bild hoch und wir wissen ja nicht, ob dieses Bild stimmt oder sich das Gehirn das ausgedacht hat. Letzten Endes ist das eigentlich völlig egal. Aber was immer passiert, ist das der Körper auf jeden Fall zu einer Beruhigung kommt, wenn wir mal diesen Körpererinnerungen Platz geben. Denn der Körper ist ebenso bestrebt wieder heile zu werden. Es gibt ja keinen Körper, der sagt: “Das ist ja supertoll, dass ich nicht heile bin. 

Lassen wir es mal so bleiben.” Es ist alles in uns und auch in der Natur so aufgebaut, dass wir ständig nach Heilung streben. Die Symptome sind alles Versuche unseres Körpers da drauf aufmerksam zu machen:

„Mai, kannst du mir bitte helfen, kannst du da mal bitte hinschauen“. Ich sag immer so scherzhaft: “Der Körper kann uns ja keinen Brief schreiben, in dem steht er habe hier und hier Probleme.” Er bedient sich einer anderen Sprache.

Mai: Ich finde das so spannend. Ich habe das Gefühl, dass das Thema Körpererinnerung ganz lange in der Wissenschaft sehr belächelt wurde, nach dem Motto: “Jaja, Körpererinnerungen. Wir haben nur das Gehirn da oben.” Und das seit 10 Jahren. Und jetzt sind die Faszien endlich mal Thema. Und die Orthopäden sagen dann: “ Wir haben euch schon seit 100 Jahren gesagt, was los ist.” Es ist der Wahnsinn, dass das jetzt auch in der Wissenschaft erkannt wird. 

Die Faszien beherbergen unsere Körpererinnerungen

Somatic Experience - Erinnerungen sind abgespeichert

Somatic Experience - Erinnerungen sind abgespeichert

Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit beherbergen die Faszien unsere Körpererinnerung. Ich habe den Faktor vergessen, aber ich glaube sie haben 3 Mal so viele Nervenverbindungen wie die Muskeln. 

Und wir reden ständig von: „Unsere Muskeln sind so wichtig, ich muss jetzt zum Bizeps Training“  Dabei sind unsere Faszien neuronal noch stärker an unser System angebunden. Es ist faszinierend einerseits, dass sich unser Körper erinnert und andererseits, dass er tatsächlich Erinnerung im Körper an bestimmten Körperstellen verkapselt. 

Es ist ja kein Zufall, dass zum Beispiel ganz viele Frauen im Yoga bei Hüftöffnung anfangen zu heulen. Es gibt einfach ganz bestimmte Körperbereiche, die mehr für bestimmte Themen zuständig sind. Du hast vorhin schon von der An- und Verspnannung gesprochen. Ich war früher auch in der Wirtschaft. Die ganzen gestressten Manager und so, die haben es alle im Nacken.

Und die Frauen haben es dann eben in der Hüfte, ganz viele haben es auch an der Brust, in der Atmung, Angst und Beklemmung. Ich finde das so spannend, sich mal darauf einzulassen, was wäre wenn das wirklich wahr wäre. Und andererseits, sich vielleicht einfach mal die aktuellen Forschungen anzuschauen und zu verstehen: Krass, das was lange als Humbug hingestellt wurde, kann die Wissenschaft jetzt auch bestätigen. 

Wie wäre es denn jetzt mit den Sachen, die heute noch nicht so gut erforscht sind? Wie reden wir in der Erinnerung und was ist, wenn diese Bilder gar nicht stimmen? Es muss nicht immer alles stimmen, es muss nicht immer alles wahr sein oder „der Realtität entsprechen“ um dich zu heilen. Und das ist das Coole.

Erinnerungen werden neu geschrieben

Somatic Experience - Koerperheilung

Somatic Experience - Körperheilung

Sasja: Wir denken allgemeinhin, dass Erinnerung wie so ein beschriebenes Blatt ist. Was wir einmal geschrieben haben liegt dann irgendwie im Archiv. Und bei Bedarf holen wir es wieder raus. Aber wir wissen mittlerweile, dass die Stimmung, in der ich eine Erinnerung speichere schon ganz grundlegend und entscheidend für die Qualität der Erinnerung ist.

Wenn ich gerade schlecht drauf bin und ich erinnere mich an meinen Hochzeitstag, dann wird es anders gefärbt sein, als wenn ich gerade einen super Tag mit meinem Mann hätte. Und wir wissen folgendes: Denn dieses Blatt hier zum Beispiel bildet nicht meine Erinnerung ab. 

Nein, indem ich dieses Blatt raushole, schreibe ich diese Erinnerung erst wieder neu. Es gibt keine festgeschriebenen Blätter im Gehirn oder sonstwo, wo diese Erinnerung fest sind, sondern sie werden quasi reproduziert. Deswegen ist unsere Erinnerung nicht die beste Quelle, um sich darauf zu verlassen. 

Mai: Ich mag sogar noch eins drauflegen. Das habe ich mal gelernt und fand es so gut. Es hat mir so viel Stress abgenommen. Denn ich war in der Vorbereitung auf den Gerichtsprozess. 

Das war letztes Jahr im Spätsommer, quasi 2-3 Tage bevor ich zum allerersten Mal seit 10, 15 Jahren den Mann hätte treffen sollen, der mich als Kind sexuell missbraucht und vergewaltigt hat. Ich habe mich hingesetzt, bin nochmal meine Aussagen durchgegangen. 

Weil ich Schiss hatte, mich nicht richtig zu erinnern, wenn ich gefragt werde. Ich wollte meine Erinnerung lernen, so ein bisschen schulemäßig. Dann hatte ich ein Telefonat mit einem ganz tollen, mittlerweile Freund.

Er ist Trainer aus dem NLP und hat unglaublich viel Ahnung, was so Erinnerungssprache angeht. „Mai, leg den Scheiß weg, das bringt dir nichts.”, meinte er und ich so:„ „Aber warum? Ich muss das doch.“ Und er wieder: „Du Mai, stell dir vor, die meisten Menschen denken ihre Erinnerung seien Karteikarten aus der Schule. Auf jedem Kärtchen steht eine Erinnerung drauf und du versucht diese ganzen Kärtchen auswendig zu lernen“. 

Ich dann: „Ja, das muss ich“. Und er: “Nee, das was wirklich passiert: Du holst ein Karteikärtchen raus, liest es, zerreist es, wirfst es weg und schreibst es neu und legst das neue Karteikärtchen wieder rein. Und du glaubst aber du hättest sie gelernt. Aber man verändert sie mit jedem mal und die alte Erinnerung ist “weg“. 

Wenn man in die IT geht, hieße das „versioniert“. Dann hat man quasi mehrere Versionen: Erinnerung 1.0., Erinnerung 1.1. Erinnerung 1.2. Aber wen interessieren schon noch die alten Erinnerungen? Und die werden dann auch rausgelöscht. 

Denn das Gehirn ist quasi ein Supercomupter, der dir irgendwann sagt: „Naja, was sollen wir denn jetzt noch mit der Erinnerung vor 20 versionen. Komm weg damit.” Das hat mir so sehr geholfen aus diesem „ich muss mich doch erinnern, es gibt doch diese eine richtige Erinnerung” rauszukommen. Ich bekam das Gefühl, vertrauen zu können. Zu wissen, wenn ich befragt werde, werden die Erinnerungen, die zu der Zeit wichtig sind, schon kommen.

Sasja: Das erklärt auch, dass wir teilweise diesen Verlust der Sprache haben und gar nicht sagen können: Wo kann ich mich jetzt dran erinnern? Dass da auch Worte und so fehlen. Das hängt schlicht mit dem Gehirn zusammen und dass z.b. dieser präfrontale Cortex nicht an ist. Und damit auch nicht das Sprachzentrum. 

Dadurch bin ich dann sozusagen so verschreckt, dass mir die Worte fehlen. Wir haben jetzt so viel technische Möglichkeiten mit mrt, wir können uns ja beim Denken, beim Fühlen, bei allem zuschauen und das müssten wir viel mehr nutzen, um auch da in diesem Bereich mehr Heilung rein zu bringen. Da tut sich was, aber man kann noch mehr tun.

Welche Team-Spieler gibt es in mir überhaupt

Somatic Experiencing - Wunden in deinem Tempo heilen

Somatic Experiencing - Wunden in deinem Tempo heilen

Mai: Definitiv. Du hattest vorhin noch erwähnt, dass man alle seine Anteile an Bord holen muss. Stück für Stück. Wie macht man das? Wir hören in der ganzen Persönlichkeitsentwicklungs-Szene: Deine Inneres und dein inneres System blabla. Aber de facto: Wie funktioniert das? Wie kriegt man das hin? Wie macht ihr das?

Sasja: Ich weiß nicht, ob meine Methode so wirklich 100 % Somatic Experiencing ist. Ich stelle mir hierbei immer einen italienischen Esstisch mit einer lauten italienischen Familie vor. Dort sitzen alle dran, es wird gequatscht, getrunken, gegessen und es ist Leben in der Bude. 

So stelle ich mir auch mein inneres Team vor. Oder bei den Klienten, deren Team. Dann schauen wir mal, wer denn eigentlich zu diesem betreffenden Thema da ist: Wer sitzt an diesem Tisch, wen haben wir da? 

Wer hat was zu sagen, wer ist ganz still, wer sitzt so ganz versteckt hinter dem Stuhl und mag sich gar nicht zeigen? Wen von diesen Leuten, die da an dem Esstisch sitzen, mag ich überhaupt, wen finde ich zum kotzen? 

Wer soll sofort verschwinden usw. Und hierfür soll man erstmal so ein Gefühl bekommen: Wer ist da so in mir drin? Denn es ergibt wenig Sinn zu denken, es gäbe ein Thema, hierzu gäbe es eine Meinung und dann ist das so. Ich habe immer 1000 unterschiedliche Meinungen, alle gleichzeitig nebeneinander. 

Jetzt kommt Somatic Experiencing doch wieder ins Spiel. Wir sagen nicht “entweder oder”, schwarz weiß denken. Entweder das eine ist richtig, dann muss das andere automatisch falsch sein, sondern: Ach, da gibt es jemanden in mir, der sich jetzt nach mehr Lebendigkeit sehnt, nach mehr „Ich möcht mich zeigen, ich möchte da sein“. Und dann gibt es gleichzeitig jemand der sagt „Boah, dieses sichtbar sein, das kenn ich noch von früher. 

Wenn ich früher sichtbar war, dann war das ganz gefährlich und es gab vielleicht Schläge.” Wir müssen dann diese beiden Teile erstmal an unseren italienischen Esstisch ran bekommen, um mal mit denen zu sprechen. Wenn wir die beiden gehört haben, können wir vielleicht auch miteinander sprechen, das ein bisschen moderieren und dann wird es gut.

Was kann man selbst tun, ohne in eine Therapie zu gehen 

Traumatherapie in Anspruch nehmen

Traumatherapie in Anspruch nehmen

Mai: Das ist ein schönes Bild. Zwei Sachen noch, dann bin ich mit meinen Fragen durch: Hast du Tipps, die wir den Leuten mit an die Hand geben können, die beispielsweise noch keinen Therapieplatz haben? Denn wir wissen selber, Therapieplätze sind beschränkt. Im Durchschnitt wartet man in Deutschland neun Monate auf einen Platz, wenn es über die Krankenkasse bezahlt wird. 

Bei Menschen wie dir und mir mit Heilpraktiker Psychotherapie geht das eher schneller. Aber ich weiß auch von dir, dass deine Liste sogar voll ist. Du hast sogar deine Warteliste geschlossen, weil du ein schlechtes Gewissen hattest, dass die Leute so lange warten müssen. Das ist ja abgefahren. 

Wir haben einen riesengroßen Bedarf. Gerade wenn wir deine bzw. eure Somatic Experiencing von Trauma nehmen, dann haben wir einen riesengroßen Pool an Menschen, die Trauma erlebt haben. 

Und sie haben Themen, müssen aber entweder lange auf Therapie warten oder bekommen tatsächlich gar keinen von der Krankenkasse bezahlten Therapieplatz, weil sie nicht in die Diagnosen aus dem Krankheitskatalog fallen und deswegen heißt es: “Ja, wir können jetzt gar nicht diagnostizieren, deshalb bekommen Sie keinen Platz. 

Entweder sie bezahlen es selbst oder erkennen an, dass sie gesund sind.” Was würdest du Menschen mit an die Hand geben, die noch keinen Therapieplatz bekommen haben oder keinen bekommen werden? Wie können sie sich selbst helfen? Wie können sie selber voran kommen mit ihrem Thema?

Sasja: Ich würde auf jeden Fall raten, dass man sich dennoch ganz intensiv um einen bezahlten Therapieplatz bemüht. Beiseite jetzt wie schwierig da unser System ist und sich da nicht dran aufreibt, sondern einfach: Ok, das sind die Gegebenheiten mit denen wir anscheinend in Deutschland leider zu tun haben. 

Wir können nicht ändern, wie es ist. Es liegt nicht in meiner oder deiner Kraft das zu ändern, sondern einfach damit umzugehen. Also - ich sag mal - die Kröte zu schlucken, dass man eben eine Regelwartezeit von neun Monaten hat, was eine Katastrophe ist. 

Dennoch sollte man sich dann anderweitig auf jeden Fall Hilfe suchen. Ich weiß, dass man dann leider privat zahlen muss und das ist auch für viele Leute ein echtes Investment - vielleicht sogar nicht leistbar. Jetzt zum Beispiel im Somatic Experiencing ist das so, dass der Hauptteil meiner Klienten in allen Therapiehasen sind, die auch noch immer in konventioneller Behandlung sind. 

Sie gehen ganz brav ein Mal die Woche zur Verhaltenstherapie und kommen danach sozusagen als Sahnehäubchen oder als Kirsche auf der Schwarzwälderkirsch zu mir. Das machen wir in der Regel in Abständen von drei Wochen. 

Zum einen macht es einfach Sinn, dass man auch sagt: Ok, wir lassen das jetzt alles nachsacken, nachreifen und schauen mal, was bis sich zum nächsten Termin tut. Es macht keinen Sinn jede Woche bäm bäm bäm ne. 

Da sind wir wieder in alten Strukturen drin, sondern es macht Sinn ein bisschen Abstand zu haben. Und wenn man in der unglücklichen Lage ist, keinen Therapieplatz zu haben oder keinen zu bekommen, dann sollte man wirklich gucken: “Okay, komm ich irgendwie an eine Selbsthilfegruppe ran? Komm ich irgendwie an auch gleichgesinnte Menschen ran?” 

Ich finde, das macht schon mal einen großen Unterschied. Da ist auch Social Media toll. Ich habe letztens auf meinem Account eine “Pimp-dein-Nervensystem”-Challenge gemacht. (Mai lacht und stimmt mit „Ja“ zu) Das war so schön, wie die Leute untereinander agiert haben. 

Das Postfach war voll! Wieviele, die auch von sich sagen: „Ja, ich hab kein Trauma“ durch diese Texte aber sehen: „Ah ja, vielleicht könnte doch was dran sein.“ 

Es kamen auch ganz viele Nachrichten, also ganz rührende Nachrichten, die gesagt haben: „Boah, das tat so gut zu sehen, dass da noch andere sind, die so ticken wie ich.“ Viele haben dieses Gefühl von „Ich gehöre nirgends dazu, ich bin unter diesen 8 Milliarden Menschen. 

Ich bin der einzige auf der ganzen Welt, der so bekloppt ist, der so freakig ist und kein Mensch auf der ganzen Welt ist so bescheuert wie ich“. Und wenn wir da mal sehen: „Guck mal, die denkt ja ähnlich, die fühlt ja gleich, die hat das gleiche Problem“, dann relativiert sich das. 

Und man hat auch auf einmal endlich wieder das Zugehörigkeitsgefühl. Ich finde Social Media grandios! Was man da alles an kostenlosen und auch guten Inhalten konsumieren kann. Ich habe zufälligerweise auch ein paar Buchtipps (lacht) hier.

Mai (begeistert): Ja wie schön!

Übrigens: Sasja hat einen super Selbstlern-Online-Kurs auf die Beine gestellt, um dein Nervensystem nachhaltig auf Trab zu bringen, um dein Trauma aufzuarbeiten. Mit dem Code: METOO10 bekommst du 10% Rabatt.

Buch Empfehlungen um selbst an Traumata zu arbeiten

Therapie bei sexuellem Missbrauch

Traumatherapie bei sexuellem Missbrauch

1. Sprache ohne Worte

Sasja: Also “Sprache ohne Worte” ist vom Somatic Experiencing Gründer, Peter Levine. Das ist sein Hauptbuch, in dem Somatic Experiencing beschrieben wird. Ich habe das auch mal als Hörbuch gehört und höre immer Neues. Für mich ist einfach so was wie eine Bibel. 

2. Entwicklungstrauma heilen

Das nächste ganz tolle Buch ist “Entwicklungstrauma heilen” von Laurence Heller. 

Da geht es um diese Traumata in den ersten drei Lebensjahren. Es ist aber heavy Kost. Man muss es immer wieder zur Seite legen, weil es einem dann wie Schuppen von den Augen fällt, was da eventuell mit mir los sein könnte. Zwei gute Buchtipps!

3. Verkörperte Schrecken

Und auch ein ganz tolles Buch „Verkörperte Schrecken“ von Bessel van der Kolk. Da sind auch ganz viele Therapiemethoden drin, wie man dieses Nervensystem regulieren kann. 

Zum Beispiel durch Meditation, Yoga, Körperübungen, Somatic Experiencing, all diese Sachen werden beschrieben. Es geht auch ganz viel darum wie und was für Folgen Trauma verursacht und wie weit das überhaupt reicht.

4. Auch alte Wunden können heilen

Und hier von einer deutschen Kollegin, Dami Charf, “Auch alte Wunden können heilen”. Im deutschen Raum hat sie das mit dem Window of Tolerance ganz toll beschrieben. Sie hat auch einen super Blog und ganz viele Youtube Videos

Um sich zu helfen, kann man sich in der Art und Weise schlau machen. Dann gibt es ganz viele Körperübungen, die man machen kann und die sich jetzt gar nicht so wild anhören. 

Die Pendel Technik

Pendeltechnik - Traumatherapie

Pendeltechnik - Traumatherapie

Eine Übung ist das Pendeln. Stellen wir uns mal vor, wir zwei sitzen jetzt hier und ich würde es anleiten: “Mach es dir erstmal bequem.” Dann frage ich dich: “Kannst du jetzt im Moment einen Ort in deinem Körper fühlen oder empfinden, der sich gerade okay anfühlt? 

Und du sagst: “Ach ja, mein Bauch, der fühlt sich ganz okay an.” Da frag ich nach: “Okay, wie fühlt er sich denn gut an?” Und du: “Ja, er fühlt sich so richtig wohlig, gut genährt an. Da ist richtig Platz drin, da ist warm drin.” Und die Idee, die wir dann haben ist folgende. 

Ich mache mal das Bild von dem Schmetterlingsforscher mit einer großen Lupe und wir schauen uns dann den Bereich an, der sich so gut anfühlt. Den schauen wir uns näher an: Was ist da für eine Form, für eine Farbe? Gibt es eine Bewegung?

Ist da Material? Wie groß ist dieser bereich, wie klein? so schauen wir uns es an. Und wenn wir diesen guten Bereich haben, dann schauen wir: „Okay, und gibt es in deinem Körper einen Bereich, der sich nicht so gut anfühlt?“ Den können wir meistens schneller identifizieren. 

Da sind wir ganz schnell und nun auch wieder wie eben mit dem Bild des Traumastrudels: Wir gehen da nur an den äußersten Rand und wir gehen mal ganz nach außen an diesen schlechten Bereich. Wir fühlen uns ganz vorsichtig vor. Was können wir denn da beide entdecken? „Ja, ich habe hier so einen Druck in der Brust und wenn ich mich darauf konzentriere, dann kann ich auch nicht mehr atmen.“ 

„Ah ja okay, dann reicht es schon. Jetzt gehen wir wieder zurück zum guten Bauch“.„Jetzt ist wieder gut, ah, hier kann ich auftanken“ und daher auch der Name der Übung: Pendeln. Also wir pendeln zwischen einem guten Körperort und dem “schlechten“ Körperort hin und her. Immer wieder in deinem Tempo und bei dem „schlechten“ in der Regel nicht so intensiv. Im Guten können wir wirklich richtig reingehen. 

Was man dadurch lernt ist ganz viel. Auf den ersten Blick ist es eine einfache Körperübung, bei der man denkt: “Was machen wir denn da?”. Auf den zweiten Blick ist es: “Wow, ich kann selbst bestimmen. Es gibt einen schlechten Bereich in meinem Körper und ich kann jetzt selbst sagen, dass ich da weg gehe. 

Ich kann bestimmen, wann ich da weg gehe und ich merke auch - wow, da gibts diesen einen beschissenen Ort in meinem Körper, aber es gibt auch gerade noch einen anderen”.

Das ist vielen Leuten gar nicht bewusst. Es gibt diesen schlechten Ort, aber es gibt auch einen guten. Und das ist für sie: “Wie kann das sein?” Wir nehmen uns dann auch gerade im Trauma mit dieser Brille wahr, so ganz eingeschränkt. 

Es gibt nur das Schlechte, nur das meeh. Aber, dass da auch was anderes ist, das ist völlig aus unserem Blickfeld raus. Und das lernen wir dann. Das ist eine ganz klassische Übung, die ich auch wirklich den Klienten als Hausaufgabe aufgebe. 

Täglich wie Zähneputzen. Das ist die Gymnastik für das Nervensystem und je öfter ich das dann übe, desto mehr kann sich dieses Window of Tolerance weiten. Neben dieser Übung, gibt es noch ganz viele Körperübungen. 

Es geht im Grunde genommen darum, diese Verbindung zum Körper wieder herzustellen, aber auf ganz langsame und achtsame Art. Wenn wir nochmal zurück gucken auf die Eingangsfrage: Was musst du lernen? Dann muss ich mit unserer Idee ergänzen: Was musst du lernen, um jetzt diese Symptome zu haben?

Und ich muss dafür vielleicht lernen, fühlen ist gefährlich. Ich muss vielleicht lernen, dass ich besser angepasst sein muss, weil es sonst doof wird. Ich muss dafür lernen, dass es nur Liebe gibt, wenn ich artig und nett bin.

Oder ich muss lernen, dass es keine Verbindung zu meinen Eltern gibt, weil ich unsichtbar bin. Das sind diese alten Sachen, die wir dann mitbringen und die für einen früher auch Sinn machen. Aber heute nicht mehr, denn wir können uns selbst unsere Schokolade im Rewe kaufen, wenn wir wollen (lacht). 

Mai: Heute sind wir groß!

Sasja: Genau! (lacht) 

Sasjas Produkt für Selbsttherapie, ist jetzt erhältlich

Wir muessen uns nicht erinnern denn unser Koerper war da

Wir müssen uns nicht erinnern, denn unser Körper war da

Mai: Und es ist noch nicht fertig, aber ich finde es schön, wenn du schon darüber sprichst, vlt ist es ja fertig, wenn die Leute es hören. Du hast auch ein ganz tolles Angebot, an dem du gerade bastelst. Magst du darüber erzählen? Das ist ja auch eine Selbstlern-Ressource. Update: du kannst es dir jetzt hier holen.

Sasja: Ich arbeite gerade mit Hochdruck an so einem ganz kleinen Produkt mit genau diesen Körperübungen zu einem kleinen Preis, dass sich das wirklich jeder leisten kann. Und wo auch nochmal das, was wir erzählt haben, erläutert wird: Was ist überhaupt der Nerv? Was hat dieses Nervensystem mit Trauma zu tun? Diese Window of tolerance wird erklärt. Dass man auch versteht, warum man denn jetzt in der Panikattacke ist. 

Ah ok, ich bin die ganze Zeit in der Überregelung und jetzt verschafft sich das Nervensystem ein bisschen Luft, indem es Druck abbaut und mir eine Panikattacke schickt. Damit haben wir wieder ein bisschen mehr Platz im Körper. 

Dann gibt es ganz viele Körperübungen, zum Download oder als Audiodatei, damit die Leute das wirklich für sich zu Hause machen können und auch für sich aktiv werden können. 

Ich habe wirklich Leute, die nicht Klienten bei mir sind und nur diese Pendelübung machen. Sie schreiben mir ihre Panikattacken seien weg. Deswegen ist es so wichtig mit diesem Körper, den wir haben, zu arbeiten und wieder ins Lot zu bringen. 

Man sieht ja jetzt selbst, ich habe ja keine Modelmaße oder so. Es geht nicht um Gymnastik, sondern es sind so ganz leichte Übungen. Wir müssen keine Verrenkungen machen und Yoga oder sonstiges, da bin ich ja anscheinend nicht der Typ (lacht). 

Sondern es sind ganz einfache Sachen, die wirklich jeder zu Hause nachmachen kann. Es gibt auch Übungen, die vielleicht gerade mal fünf Minuten dauern und die man daher wirklich gut in den Alltag einbauen kann. Daran arbeite ich gerade und das soll Mitte August rauskommen. 

Mai: Das klingt gut. Da werde ich auf jeden Fall das verlinken, oder mindestens Instagram dass ihr es auch findet und da wird das dann auch alles an Infos zu finden sein, wenn es so weit ist.

Also da habt ihr schon mal eine Sneak Peek. Also ich habe da auf jeden Fall Bock. Sowohl für mich persönlich als auch aus fachlicher Sicht finde ich das super spannend. Ich bin so ein kleiner Scanner Delfin, ich liebe alles was irgendwie „ahja ach cool, da ist was neu, lass mal schauen“ ist. Ich finde deine Arbeit so mega cool, auch die ganze Aufklärungsarbeit, die du auf Instagram machst, das ist super wertvoll. 

Wie sieht ein Leben ohne Trauma aus?

Somatic Experiencing - Das Leben danach ist wie ein bunter Film

Somatic Experiencing - "Das Leben danach ist wie ein bunter Film"

Das könnte richtig geil werden. Und nun meine letzte Frage, die auf meinem Zettel steht - ich fange es mal andersrum an: Jemand, der in seiner Kindheit ein Trauma erlebt hat, für den ist das Trauma ja normal. Für den ist der gesamte Alltag so wie er ist normal. Kannst du uns erzählen, wie ein Leben ohne Trauma aussieht? 

Oder wie der Wechsel von dem einen zum anderen ist, weil du es auch selber einerseits erlebt hast und andererseits auch immer wieder den Klient*innen Alltag erlebst? Was kann ich mir darunter vorstellen, wenn ich quasi im Trauma bin und denke: Joa, ich weiß nicht, ich würde schon gerne irgendwie, aber ist das Leben danach wirklich so viel besser oder ist da nur so eine Steigerung von 2-3 %? Magst du mal beschreiben, wie ein Leben ohne Trauma im Vergleich zu vorher aussieht?

Sasja: Ich arbeite gerne mit Bildern und denke in Bildern. Und mein Bild dazu ist, dass mein Leben mit Trauma wie ein Schwarzweißfilm war, ohne Ton und das war mein Normal. Denn anscheinend wusste ich nicht, dass es mittlerweile auch schon Farbfernsehen mit Ton gibt.  

Durch diese Trauma-Arbeit, durch eine Therapie ist es mittlerweile in Farbe und mit Ton und es ist phänomenal anders. Es ist lebendig. Und ich glaube, wenn man in diesem Schwarzweißfilm drin ist, dann hat man vielleicht eine Idee davon. 

“Soll es jetzt das Leben sein? Kann da nicht noch irgendwo mehr sein? Soll das alles sein?” Aber man kennt dieses andere nicht. Und ich kann jetzt nur aus der Rückschau oder aus dem Rückblick sagen: Wow, was war das wenig Leben! 

Und damals habe ich gedacht: “Naja, das ist ja mein normal, das ist halt so wie Leben ist.” Deswegen ist es wahrscheinlich schwierig aus dem Schwarzweißfilm heraus zu erkennen, da könnte noch mehr gehen. Wenn man aber wirklich so einen kleinen Hauch davon erfahren hat, dann will man auch unbedingt mehr.

Für mich ist es wirklich lebendig. Das heißt aber nicht, dass mir 24 Stunden am Tag die Sonne aus dem Arsch scheint, sondern d.h. auch, dass ich natürlich ganz normale Probleme habe. Ich streite mich mit meinem Mann, mein Hund funktioniert nicht, ich muss Steuererklärungen machen usw. Aber so diese Gelassenheit wie ich mit dem Leben umgehen kann, das ist komplett anders geworden. 

Früher war immer alles Drama in meinem Leben. Und jetzt wieder ein anderes Bild: Es ist so als ob zwischendurch auch hohe Wellen kommen, aber ich habe ein super Surfbrett dabei und kann diese Wellen mitnehmen. Ja, manchmal kriege ich noch eine Ladung Wasser ins Gesicht und muss Salzwasser schlucken, aber okay. 

Es wird einfacher, das Leben wird viel einfacher und es ist echt ein Geschenk. Und deswegen würde es mich auch so freuen, wenn man mit diesem Thema noch viel mehr Menschen erreichen kann, sodass auch andere endlich Farbfernsehen mit Ton kennen! 

Übrigens: Sasja hat einen super Selbstlern-Online-Kurs auf die Beine gestellt, um dein Nervensystem nachhaltig auf Trab zu bringen, um dein Trauma aufzuarbeiten. Mit dem Code: METOO10 bekommst du 10% Rabatt.

Wie ist es denn bei dir?

Mai: Genau so! Bei mir ist es witzigerweise genau das gleiche Bild mit dem Fernseher. Ich finde das so stimmig. Ich habe - bis bei mir die „Krankheit“, die posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden ist - in meinem grau und normal gelebt. Es war für mich normal, dass ich getrieben bin. Normal, dass es mir wichtiger war, was andere von mir denken. Leistung war total wichtig. 

Bei mir ging es immer vorwärts, ich musste immer. Also dieses immer müssen, immer vorwärts, das war so als ob ich irgendwie hinter mir ein Säbelzahntiger habe, von dem ich immer weg musste. Und dieses Wegmüssen, dieses Weglaufen hat mich dann irgendwann vollkommen gecrasht. 

Man kann ja nicht dauerhaft laufen und dann bin ich in die Krankheit rein. Und wo ich vorher im Window of Tolerance ganz oben war, war ich dann ganz ganz lange in der Untererregung. Alles war schwer. 

Vorhin habe ich vom Zähneputzen erzählt. Alle Dinge, die mir vorher Spaß gemacht haben, haben mich dann überfordert. Ich bin Acroyoga-Lehrerin und habe eine große und tolle Community in Mannheim und Heidelberg um mich herum aufgebaut. 

Ich konnte da nicht mehr zu den Treffen, weil mir das zu viel war, zu viele Menschen, zu laut. Alles war zu viel. Vorher war es ein richtiger Actionfilm, aber auch in schwarz und weiß und die ganze Zeit laufen. 

Und dann war es auf einmal so ein Krisselfilm, wo einfach nichts mehr passiert. Und dann wurde ganz langsam das Bild besser, so Stück für Stück wie in der Technologie. Es entwickelt sich ganz langsam bis es heute Ultra HD ist. 

Der Fernseher ist größer und alles ist geiler und schöner. Und die Inhalte, die dort laufen, sind auch nochmal cooler. Vorher waren das irgendwie komische Seifenoper und Müll und heute so: “Geil, meine Lieblingsserie.”

Dein eigenes Leben wieder gestalten können. Den Sender umschalten können. Vorher hat irgendjemand die Sendung angemacht und man saß davor und konnte nicht weg.  Es ist der Film der läuft, im wahrsten Sinne des Wortes. Jeder hat seinen Film und seine Geschichte. 

Jetzt einfach zu merken: “Nee, ich kann umschalten.” Und jetzt kann ich auch an meiner Lebensgestaltung arbeiten. Ganz lange konnte ich mir keine Zukunft vorstellen. Vielleicht hilft da irgendwie die Fernsehzeitschrift. Ganz lange konnte ich aber nur sehen, was in der Vergangenheit war, was bisher im Fernsehen lief und was jetzt läuft. 

Aber ich konnte nicht schauen, was morgen läuft oder mich dazu entscheiden, was ich morgen gucken möchte. Es ist so, dass der Blick sich weitet und das ist so schön. Ich bin so dankbar dafür und da rührt irgendwo der Podcast her, dass ich sage: “Hey Leute, das Thema ist so wichtig. Heute haben wir sehr viel über Trauma gesprochen, aber das Überthema bei mir ist ja der sexueller Missbrauch. 

Da geht es auch wieder ähnlich zum Somatic Experiencing einfach darum, erstmal hinzuschauen. Was ist denn da eigentlich so? Und dann zu spüren: Ah da sind auch andere. Das #metoo hatte ich auch. Es hat so eine Stärke und sagt aus: Boah krass! Da geht es noch anderen so wie mir. Deshalb finde ich deinen Traumaheldinnen-Stammttisch so großartig, bei dem  ihr euch einmal monatlich online trefft und austauscht. 

Eine Gemeinschaft kann dir helfen dich nicht allein damit zu fühlen und neue Wege aufzeigen

du bist nicht allein mit dem Trauma

Du bist nicht allein mit dem Trauma

Das ist so stark, denn auch über eine virtuelle Gemeinschaft oder auch selbst wenn es nur über Podcast, nur über das Zuhören geht, fühlt man sich ja trotzdem verbunden. Man denkt, dass es anderen auch so geht und dann geht es Schritt für Schritt in die eigene Heilung. Das ist geil. Denn mit jedem Schritt werden wir stärker und ich habe das so sehr gespürt. Das mag ich so sehr teilen. 

Dabei geht es mir tatsächlich gar nicht darum, dass es die eine Heilung gibt oder das eine gesund, den einen Weg mit Missbrauch umzugehen. Mein Weg war, dass ich angezeigt habe. Mein Weg war, dass ich vor Gericht gegangen bin. Aber das ist einer von vielen Wegen und deswegen habe ich auch andere Menschen, Opfer, Betroffene, Überlebende, wie auch immer sie sich heute nennen, im Interview, um einfach zu zeigen: Es gibt ganz viele Wege damit umzugehen. 

Und ich lade jeden der gerade zuhört - ich lade dich - dazu ein, deinen Weg zu finden, mit deinem Thema umzugehen, mit deiner Geschichte, aber auch deine Geschichte umzuschreiben. Du hast die Macht dazu. 

Und ich glaube, die Sasja hat dir heute ganz viele Infos mitgegeben und ganz viel Wissen, wie und wo du anfangen kannst. Dabei geht es bei weitem nicht um Perfektion, sondern einfach darum zu machen, loszulegen und mal zu schauen, wo du ankommst. 

Sasja: Wunderbar hast du das gesagt. Es geht darum eine Gelassenheit fürs Leben zu entwickeln. Und wenn Traumata da sind, kann man da so mitgrooven und es macht das Leben so viel einfacher. So viel schöner vor allen Dingen.

Mai: Ich bin am Ende meines Lateins und meiner Konzentration sowie meiner Spucke (lacht). Ich glaube wir haben ein unglaublich schönes und bereicherndes Interview hinter uns. Und in die Welt gebracht. Liebe Sasja, ich bin dir super dankbar dafür, für deine Zeit und Offenheit und Ehrlichkeit, Authentizität. Dass du dein Wissen und deine eigene Geschichte mit mir und uns geteilt hast. Ich würde dir das letzte Wort überlassen.

Sasja: Wow, ich bin dir dankbar, Mai, dass ich da diese Plattform habe. Lass es uns in die Welt bringen (und lacht).

Wenn dir dieser Blogpost gefallen hat, dann teile ihn gerne mit deinen Freunden, denen diese Informationen weiter helfen könnten.

Schau außerdem in den ersten Teil des Interviews rein (wenn du das noch nicht gemacht hast), in dem Sasja genauer auf die Definition eines Traumas eingeht und auch von ihrer eigenen Traumatherapie-Erfahrung spricht.

Liebe Grüße, 

Deine Mai 

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About the Author

Hi, ich bin Mai 😊 Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht Opfern sexuellen Missbrauchs zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Auch wenn eure Scham und Angst etwas anderes erzählen: Das ist nicht wahr! Und es kommt noch besser: Der richtige schöne Teil eures Lebens liegt noch vor euch! Ich habe es geschafft, aus dem schlimmsten Erlebnis meines Lebens, eine enorme Kraft zu ziehen & mein Leben nach meinen Ideen neu zu gestalten - also kannst du das auch! Deine Mai 💛

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