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Als Junge sexuell missbraucht – Tims #metoo-Story (Teil 1/2)

Aug 17
Sexueller Missbrauch bei Maennern

Als Junge sexuell missbraucht. Sexueller Missbrauch ist schon ein großes Tabu, aber ein noch grĂ¶ĂŸeres Tabu ist der Missbrauch von MĂ€nnern. Es gibt Vermutungen, dass die Dunkelziffer von missbrauchten bzw. vergewaltigten Jungen und MĂ€nnern viel höher ist, da diese noch viel seltener anzeigen.

In diesem Interview habe ich meinen ersten mĂ€nnlichen Gast im Interview: Tim, der ĂŒbrigens ein Pseudonym benutzt, da er anonym bleiben möchte.

Ich habe zum ersten Mal einen Mann zu Gast, der mit mir, offen und ehrlich ĂŒber den sexuellen Missbrauch spricht, den er erlebt hat. Tim hat ĂŒber meinen Podcast von meinem Gerichtsverfahren gehört, und sich dadurch entschieden auch anzuzeigen.

Er ist im Moment am Anfang des Prozesses und wir dĂŒrfen ihn dabei begleiten. Er erzĂ€hlt davon, wie er nach dem Missbrauch mit dem Thema umgegangen ist und dem jetzigen Verlauf seiner Strafanzeige.

Es wird vor allem interessant, wie er als Mann mit Scham umging und wie es ist, wenn der TĂ€ter ein Freund der Familie ist. Wir sprechen außerdem ĂŒber den Opferschutz im deutschen Rechtssystem und ĂŒber meine Einsamkeit, in der ich mit dem Thema gefangen war, bevor ich damit an die Öffentlichkeit ging.

Im zweiten Teil erzĂ€hlt Tim von seinem Umgang mit der Einsamkeit, der VerdrĂ€ngung seiner GefĂŒhle und wieso er so lange geschwiegen hat. Dabei erzĂ€hlen Tim und ich von SchlĂŒsselmomenten, die unser Schweigen gebrochen haben. Wie der Umgang und Kontakt zum TĂ€ter ist und ob Tim ihm vergeben hat.

Mai: Hi und herzlich willkommen zu einem ganz besonderen Blogpost mit Tim. Der Name ist wie gesagt ein Pseudonym, da er anonym bleiben möchte. Warum, darauf gehen wir spĂ€ter detailliert ein. Ich wĂŒnsche euch, dass ihr viele Aha-Momente haben werdet. Es wird ein sehr tiefgehendes, intensives Interview. Hi, Tim schön, dass du da bist.

Tim: Hi, danke, dass ich da sein darf.

Mai (lĂ€chelt): Du hast mich vor drei, vier Wochen kontaktiert und hast mich gefragt, ob ich Lust und Zeit hĂ€tte, mit dir einen Kaffee trinken zu gehen. Du meintest, dich haben meine Posts zu meiner Gerichtsverhandlung und dem sexuellen Missbrauch, den ich erlebt habe, sehr berĂŒhrt, da du selber auch einen erlebt hast.

Als Junge sexuell missbraucht, Tims #metoo-Story

Traumata in der Kindheit - sexueller Missbrauch bei MĂ€nnern

Traumata in der Kindheit - sexueller Missbrauch bei MĂ€nnern

Tim: Genau, als ich relativ jung war, hat ein Freund meiner Eltern öfter mal auf mich aufgepasst und fing an, irgendwann komisch zu werden. Was dann in ungewollte BerĂŒhrungen und Videoaufnahmen geendet haben, die fĂŒr ein junges Kind nicht angemessen waren.

Mai: Das hast du viele Jahre mit dir herum geschleppt, Àhnlich wie ich.

Tim: Genau.

Mai: Hast du es jemals erzÀhlt?

Tim: Ja tatsĂ€chlich. Ich habe dazu geneigt, das Freundinnen von mir zu erzĂ€hlen. Das ging fĂŒr mich irgendwie besser.

Mai: Deinen engen Freundinnen?

Tim: Ja, richtig! Irgendwie ist das was anderes.

Mai: Ich hab es auch immer nur meinen engen Freunden erzÀhlt.

Tim: Generell fand ich es immer unangenehm, mittlerweile geht es aber. Ich fand es immer angenehmer, mit Frauen darĂŒber zu reden, weil der TĂ€ter ein Mann war und man in diesen Situationen mehr getriggert wird, als es nötig sein mĂŒsste.

Mai: Du hattest mir auch erzÀhlt, dass es oft hochkam, wenn du angetrunken warst. Gerade dann, wenn man in den spÀten Stunden unterwegs war und sehr melancholisch wird und einen diese Gedanken verfolgen.

Tim: Trinken nimmt einem eben die Hemmung. Da ist die Frage, trinke ich viel, um mich abzulenken, oder lenke ich mich ab und trinke deswegen viel? 

FĂŒr mich war es wichtig, irgendwann festzustellen, dass es vielleicht zusammenhĂ€ngt, da es betrunken immer öfter hochkam und das Thema durchaus immer prĂ€senter wurde.

Weiterer Verlauf: Als Junge sexuell missbraucht

Mai: Wie kam es dann bei dir zu dem Schritt, dich wirklich bei mir zu melden und dich mir gegenĂŒber zu öffnen?

Tim: Es ist wie gesagt lĂ€nger in meiner Kindheit/Jugend passiert, und hatte dann erst eine Therapie aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung. 

Ich habe damals dann aber fĂŒr mich entschlossen, dass ich das gerade nicht kann und will. Ich fĂŒhlte mich einfach nicht dazu in der Lage, mich damit auseinander zu setzten. Ich hatte dann eigentlich auch erst einmal damit abgeschlossen.

Nichtsdestotrotz ist das natĂŒrlich immer ein bisschen im Hinterkopf. Gibt es vielleicht noch andere Leute? War ich vielleicht gar nicht der Einzige? Steckt da vielleicht mehr dahinter?

Wie kam er auf Mais #metoo-Story und den Podcast?

Tim: Dann hab ich deine Posts gesehen und es klang interessant. Sich mal zu informieren, das anzuhören und miteinander quatschen kann nicht verkehrt sein. 

Ich habe darin eine Chance gesehen und diese auch genutzt, weil die Frage: “Soll ich, das so belassen oder ergibt es vielleicht Sinn dagegenzuwirken?”, immer prĂ€senter wurde. 

Wenn ich schon die Vermutung habe, dass da noch mehr dahinter steckt, dann weiß ich, dass ich da nicht mitmachen möchte.

Ich hatte das GefĂŒhl, wenn ich da einfach nur zuschaue, mache ich mit. Deswegen bestand so die Chance auch das ganze Verfahren aus erster Hand von dir kennenzulernen. 

Sich im Internet darĂŒber schlau zu machen ist extrem schwierig.

Gerade an öffentlichen Stellen wird doch sehr professionell geschrieben, was nochmal ganz anders, ganz nĂŒchtern ist.

Durch deinen Podcast hatte ich einfach mal die Chance einen realistischen Einblick zu bekommen, und genau das hat mich dann gereizt.

Mai: Dein Hauptanliegen fĂŒr unser Treffen war zu erfahren, wie mein Gerichtsprozess ablief und was davor alles passiert war, richtig? Ich hatte das GefĂŒhl, dass die Informationen welche Schritte, wie gelaufen sind und wie mit mir umgegangen wurde, dich sehr interessiert haben.

Tim: Genau. Gerade in so einer Situation schwimmen immer Gedanken mit, ob das Ganze klappt. Man muss ja eventuell auch mit seiner Familie darĂŒber reden. Was auch nicht so einfach ist.

Es ist fĂŒr mich interessant zu sehen, wie andere das erlebt haben. Gab es da Probleme, oder lief das vielleicht super? Gerade auch der Umgang mit öffentlichen Stellen und wie wird man dort behandelt hat mir Sorgen bereitet.

Ich hatte immer eher gemischte Erfahrungen mit der Polizei. Das kommt aber auch immer auf die Situation an.

Es ist wirklich gut zu hören, wenn es bei jemandem geklappt hat. Ist doch noch mal anders, wie wenn man online liest: “Im Falle einer Anzeige können Sie sich an diese Stellen wenden
”

Mai (lacht): Ja total.

Tim: Schwierig. Gerade so der erste Anlauf. Was googelt man da?

Es geht nicht nur um dich “Ich könnte mit der Anzeige vorbeugen, das es weitere Opfer gibt”

Der Missbrauch eines Mannes

Interview mit Tim: Als Junge sexuell missbraucht

Mai: Das war fĂŒr mich auch eine RiesenhĂŒrde, als ich Anfang Dezember 2016 angezeigt habe. Das war fĂŒr mich auch nerven-raubend, dass alles zu googeln und nachzuschauen. Im Endeffekt hatte ich mich dafĂŒr entschieden, mir beim “Weißen Ring” Hilfe zu holen.

Selbst die Texte dort, die ja Hilfe fĂŒr Opfer sein sollen, sind schwer zu lesen und kompliziert geschrieben. Was mir damals am meisten Sorgen gemacht hat, war zu lesen, dass es Aussage gegen Aussage ist und im Zweifel fĂŒr den Angeklagten fallen gelassen wird.

Das hat mich viele Jahre meines Lebens geprĂ€gt, dass ich es lieber gelassen habe, bevor ich meine ganze Kraft dafĂŒr aufwende. Bei mir war ganz spannend, dass ich auch wie du irgendwann an einen Ă€hnlichen Punkt gekommen bin, wo es bei mir Klick gemacht hat und ich gemerkt habe das es da nicht nur um mich geht.

“Ich habe keine Ahnung, was dieser Typ die letzten Jahre getan hat. Ich weiß nicht, wie viele andere Kinder, Jungen oder MĂ€dchen er angefasst hat.” Du beschreibst es so leicht, aber fĂŒr mich war das GefĂŒhl noch viel hĂ€rter: Wenn ich nichts mache, dann helfe ich dem TĂ€ter, dann schĂŒtze ich ihn weiter. Dann kann er weiterhin andere Kinder anfassen.

Tim: Der TĂ€ter ist auf unser Schweigen angewiesen. Wenn jemand anfĂ€ngt, darĂŒber zu sprechen, bricht das Kartenhaus in sich zusammen. Es beruht auf der Hoffnung, dass das Opfer sich schĂ€mt und keine Lust auf die Konfrontation oder einfach Angst hat.

Thema Scham, wenn man als Junge sexuell missbraucht wurde

Als Opfer mit Scham umgehen - sexuell missbraucht

Als Opfer mit Scham umgehen - als Junge sexuell missbraucht

Mai: Ja das ist richtig! Wie ist es denn fĂŒr dich mit dem Thema Scham? Wie war das fĂŒr dich die letzten Jahre?

Tim: Schwierig. Gerade als Kerl. Ich habe letztens auf der Arbeit eine Konversation gehabt, oder viel mehr zugehört, in der es darum ging, ob es ĂŒberhaupt Missbrauch bei Jungs und MĂ€nnern gibt. Eine meinte dann: Hat sie noch nie gehört.

Wo ich mir dann dachte: “Ok interessant, es gibt auch Ă€ltere Leute, die durch ihr komplettes Leben durchkommen, ohne jemals was davon gehört zu haben. Und das ist ja schon mal was, gerade, wenn man jetzt als Kerl/Jugendlicher der Starke und SelbststĂ€ndige sein möchte. In dem Alter schwierig... also ja, ich hatte starkes SchamgefĂŒhl.

Heute ist es fĂŒr mich eher ein Zeichen der StĂ€rke darĂŒber zu reden, um ehrlich zu sein. Ich habe nichts, wofĂŒr ich mich schĂ€men muss, ich habe nichts falsch gemacht. Ich habe immer nach bestem Gewissen gehandelt und es gibt keinen Grund sich dafĂŒr zu schĂ€men, dass einem jemand etwas Schlechtes angetan hat.

Scham, Wut, Hass, das sind alles GefĂŒhle, die sind in mir, davon hat niemand anderes was. Das macht am Ende nur mich selbst kaputt. Es bringt nichts, wenn ich mich dafĂŒr schĂ€me und mich selbst kaputt mache, obwohl ich keinen Grund dazu habe.

Aktuell, wo ich diese Einstellung habe, und versuche diese Einstellung auch zu leben, geht alles besser.

Mai: Du wirkst auf mich unglaublich reflektiert. Bist du mit dem Thema schon immer so umgegangen oder meinst du, dass die Therapie auch viel dazu beigetragen hat?

Tim: Ich glaube viel Therapie. Die Zeit die eine gewisse Distanz zu dem Vorfall gab und auch der Rest des Lebens, das ja weitergeht. Therapie hat aber auch geholfen, zu lernen, das kein böses Monster in der Ecke sitzt und mich anguckt, sondern zu schauen, was da eigentlich hockt und den Scheinwerfer darauf zuhalten.

Das war stellenweise extrem unangenehm, gerade in den ersten Situationen. Ich erinnere mich an richtig doofe Tage. Da habe ich ganz viel gelernt, wie zum Beispiel ĂŒber das Thema ĂŒberhaupt erst einmal zu sprechen, und zu sagen: “Ja, ich wurde sexuell missbraucht. Das ist so und das gehört zu mir.” 

Am Anfang war das fĂŒr mich ganz schwer.

Ich weiß noch, als die Therapeutin das erste Mal zu mir sagte: “Es ist rum.” Dieses glĂŒckliche GefĂŒhl: Sie hat ja recht, es ist rum. Es passiert mir heute nicht mehr, es ist nicht Teil meiner PrĂ€senz, es ist nicht mehr da.

Das hat einfach viel geholfen auch fĂŒr sich selbst einen Abschluss zu finden. “Hallo Monster, du kannst aus der Ecke rauskommen, wir quatschen eine Runde und dann schau, dass du die ZimmertĂŒr findest.”

 Mai: Ist das Monster ein Teil von dir oder siehst du den TĂ€ter als Monster?

Tim: Ich versuche, in meiner rosaroten Welt gar keine Monster zu haben. (Mai lacht.) Ich sehe es nicht mehr als Monster, es ist nicht die schönste Erinnerung, aber es ist, glaube ich, trotzdem eine Erinnerung, die mich sehr geformt hat.

Weil ich glaube, dass ich mich heute ein bisschen mehr in andere Menschen hineinversetzen kann, oder wenn ich es nicht kann, zumindest verstehe, dass jeder anders fĂŒhlt.

Jeder geht mit einer Situation, wie dieser anders um. Ich verstehe, wenn man sagt, dass man keine Anzeige machen möchte. Ich habe mich anders entschieden, aber ich kann es trotzdem verstehen. 

Ich sehe ihn nicht als Monster und ich mag auch kein Monster in mir tragen. Von Monstern hat man Angst, vor Monstern fĂŒrchtet man sich, man verkriecht sich unter dem Bett oder im Schrank und man ist nicht aktiv. Das mag ich nicht.

Ich sehe nicht ein, den TĂ€ter als Monster zu sehen. Ich weiß nicht, was ihn dazu bewegt hat, oder was ihm vielleicht Schlimmes zugestoßen ist. Es ist keine gute Tat, nichts Gutes in meinem oder der gesellschaftlich angesehen Moral.

Ich kann es nicht nachvollziehen. Ich muss es zum GlĂŒck auch nicht nachvollziehen. Will ich, glaube ich auch gar nicht. Auch, wenn es manchmal schön ist zu wissen, warum es so gelaufen ist, wie es gelaufen ist.

Aber wenn ich den TĂ€ter als ein Monster sehe, dann ist das wie eine Glorifizierung von etwas Schlechtem, was jemand gemacht hat. Das will ich nicht. Von Monstern hat man Angst und ich mag keine Angst haben.

Mai: Ich finde es unglaublich großartig, wie du erzĂ€hlst. Man merkt, dass du die FĂ€higkeit hast, positive Dinge durch deine Geschichte zu finden. Manche mögen sagen “trotz” des Missbrauchs ich sage “durch” den Missbrauch, denn den Mut hast du fĂŒr dich gefunden und kannst diesen wertschĂ€tzen.

In allem, was man erlebt, kann man positive oder negative Aspekte herausziehen. Ich finde, es zeugt von deiner Reflexion und von deiner Fortgeschrittenheit mit dem Thema umzugehen, dass du die positiven Sachen sehen kannst und die negativen Sachen, die dich lang verfolgt haben, abhaken kannst. Trotzdem schiebst du diese aber nicht weg, weil ich glaube, das ist, was vielen passiert und was ich auch jahrelang getan habe.

Ich habe sie weggeschoben, gesagt, dass es gar nicht so schlimm war, anderen geht es viel schlimmer, andere haben viel schlimmere Sachen erlebt. Ich habe meins kleingemacht. Man selber ist immer der schlimmste Kritiker.

Jahrelang habe ich mir gesagt, ich soll mich nicht so anstellen, es ist doch nicht so schlimm. Du hÀttest doch dies und jenes machen können. All diese Dinge, die ich mir jahrelang gesagt habe, hat nie jemand anderes zu mir gesagt.

Nicht bei der Polizei, keiner meiner AnwÀlte, keiner meiner Freunde, und niemand aus meiner Familie. Das wirkt sehr alles voll in dir integriert.

Tim (geschmeichelt): Das freut mich, danke.

Was wenn der TĂ€ter, der mich als Junge sexuell missbraucht hat, ein Freund der Familie ist?

Nur wer schweigt tut dem Taeter einen Gefallen

Nur wer schweigt tut dem TĂ€ter einen Gefallen

Mai: Du hattest auch von deiner Familie erzĂ€hlt und das der TĂ€ter ein Familienfreund war, genau wie bei mir. Wie gehst du damit um? Du hast mir schon erzĂ€hlt, dass du sehr lange nichts gesagt hast. Wie ist es fĂŒr dich jetzt? ErzĂ€hlst du es deiner Familie? Hast du es ihnen erzĂ€hlt?

Tim: Noch habe ich es ihnen nicht erzÀhlt, was mit anderen Schritten, die ich jetzt getan habe, zusammenhing. Aufgrund dessen, das ich mich jetzt dazu entschieden habe, nicht so weitermachen zu wollen, dass ich aus diesem SchweigegefÀngnis ausbrechen will.

Jetzt ist es fĂŒr mich, glaube ich wichtig, die Ruhe zu bewahren, damit ich nicht in Panik ausbreche. Nicht versuche, dieses GefĂ€ngnis zu sprengen, sondern koordiniert rauskomme.

Ich stelle es mir extrem schlimm vor, wenn ich jetzt diesen Schritt tue und am Ende scheitert es daran, dass ich zu voreilig war. Ich weiß, dass ich es meinen Eltern erzĂ€hlen muss. Lieber ich, als die Polizei. Der Punkt wird kommen und es wird bestimmt nicht angenehm werden.

Ich glaube, meine Eltern wird es stark treffen, das wird ihnen wehtun. Nichtsdestotrotz werden auch meine Eltern lernen mĂŒssen, damit umzugehen und dass sie nichts dafĂŒr können. Es ist meine Erfahrung. Ich habe mich entschieden, wie ich damit umgehen will.

Man kann jetzt nichts mehr daran Ă€ndern. Was bringt es mir, jetzt wĂŒtend zu sein? Die Welt zu verfluchen und meine Kindheit infrage zu stellen, oder in dem Fall dann die Erziehung?

Man kann da nichts dran Àndern. Scheinbar wurde ja trotzdem etwas aus mir, das hat trotzdem geklappt.

Mai(ĂŒberzeugt): Das wĂŒrde ich auch sagen.

Tim: Genau deswegen habe ich viel ĂŒberlegt, ob ich es meinen Eltern sagen will, ich möchte ihnen nicht wehtun. Am Ende denke ich mir aber, ich habe nichts falsch gemacht, warum sollte ich mir ĂŒberlegen mĂŒssen, ob ich mit jemandem darĂŒber sprechen darf, oder nicht. 

Es ist ja meins, ist ja nicht die Geschichte eines anderen. Nichts, was ich fĂŒr mich bewahren mĂŒsste. Deswegen habe ich mich dafĂŒr entschieden, dass es wichtiger ist, da nicht mehr mitzumachen und dann, wenn es so weit ist, den offenen Dialog mit meinen Eltern zu suchen.

Als es auf ewig fĂŒr mich zu behalten. Es gehört zu mir. Es ist so. Ich bin optimistisch, die bekommen das auch hin.

Mai: Da bin ich mir sicher.

Verlauf einer Strafanzeige bei sexuellem Missbrauch, so war es bei Tim

Als Mann missbraucht

Als Junge sexuell missbraucht

Mai: Wir laufen jetzt die ganze Zeit so ein bisschen wie die Katze um den heißen Brei herum. Wie ist es bei dir weitergegangen, nachdem wir uns getroffen haben? Du hast dir sehr viele Informationen bei mir eingeholt.

Bist sehr neugierig gewesen. Hast sehr viele und gute Fragen gestellt. Und dann bist du nach Hause gegangen. Jetzt sehen wir uns gerade das erste Mal, seit dem wieder, was ist seitdem passiert?

Tim: Ja ich habe mir tatsĂ€chlich ein Herz gepackt. Ich habe zunĂ€chst mal den “Weißen Ring” angeschrieben, hab mal nachgefragt, wer denn da der richtige Ansprechpartner wĂ€re. Die waren auch sehr hilfsbereit, aber die haben dann auch schnell gemerkt, dass ich recht abgeklĂ€rt bin.

Sie haben mir dann einen Ansprechpartner genannt. Ich hatte dann zufÀllig eine Woche Urlaub. Habe mir dann den Montag als Tag gesetzt, wo ich das Angehen möchte. Sonst schiebt man es immer weiter vor sich her und manchmal muss man die Dinge auch einfach mal angehen und ins kalte Wasser springen.

Habe mir dann den Zettel geschnappt, bin furchtbar nervös in die Bahn eingestiegen und auf die entsprechende Polizeiwache gefahren. Dort furchtbar aufgeregt angekommen, habe ich erst einmal den armen Mann am Empfang, ich will nicht sagen verstört (Mai lacht), aber er schien doch etwas perplex und ĂŒberrascht. Ich glaube auch fĂŒr die, ist es nicht alltĂ€glich oder das schönste Thema.

Bei mir hatte dann leider die zustÀndige Stelle keine Zeit. Nichtsdestotrotz habe ich es dann trotzdem machen wollen, weil ich nicht wusste, ob ich mich noch einmal aufraffen hÀtte können, an einem anderen Tag wiederzukommen.

Sie haben dann einen sehr freundlichen Hauptkommissar organisiert bekommen, um zumindest die Anzeige aufzunehmen. Es war jetzt noch nicht das volle Interview, mit allen Details, das kommt noch auf mich zu.

Es war ein sehr nettes GesprĂ€ch, natĂŒrlich ein komisches GefĂŒhl, weil dann nach Telefonnummern gefragt wird und ich mich dabei dann ganz komisch gefĂŒhlt habe. Verpetze ich jetzt jemanden? Nein, ich will ja nicht mehr mitmachen.

Ich verpetze ja nicht, wenn ich andere vor Schaden bewahre. Der Herr hatte das Ganze dann aufgenommen und es schien so, als ob er es sehr ernst nimmt. Ich hatte nicht den Eindruck, dass er oder der Herr am Empfang mich nicht ernst nehmen.

Mai: Das war ja auch eine große Sorge von dir, dass man dir nicht glaubt.

Tim: Genau. Aber das war gar nicht der Fall, ich war aber auch unglaublich nervös.

Auf jeden Fall habe ich da ein nettes GesprĂ€ch gehabt und er hat das Ganze aufgenommen. Ich habe eine halbe Stunde spĂ€ter noch vom selben Herrn einen Anruf bekommen, da er noch RĂŒckfragen gehabt hatte, was super war.

Mai (erstaunt): Wow.

Tim: Also er hatte sich direkt damit befasst und noch ein paar Fragen gehabt. Abends am selben Tag habe ich tatsĂ€chlich auch noch einen Anruf von dem Kommissariat bekommen. 

Dass sie nur Bescheid geben wollten, dass sie den Fall direkt an die dafĂŒr zustĂ€ndige Staatsanwaltschaft weiterleiten, weil immer die Staatsanwaltschaft, aus der Region, wo es passiert ist, zustĂ€ndig ist.

Sie leiten es aber direkt weiter, was ich auch schon mal als gutes Zeichen sehe, dass sie jetzt nicht noch weiter checken wollten, sondern mich einfach direkt ernst genommen haben.

Das war dann auch fĂŒr mich ein schönes Feedback einfach zu sehen, das sich sofort jemand damit beschĂ€ftigt hat. Was mich sehr ĂŒberrascht hat, weil es doch recht schnell mit der RĂŒckmeldung ging.

Und jetzt ist der Fall irgendwo auf dem Weg dahin. Es gibt ein Aktenzeichen. Es existiert. Habe den Herrn auch im Nachhinein noch mal danach gefragt und mich bedankt, was ihn glaube ich, auch sehr gefreut hat.

Er hat es mir dann auch gleich geschickt. Jetzt bin ich ein Aktenzeichen reicher. Ich habe jetzt den Punkt erreicht egal, was jetzt passiert, was dabei rauskommt: Ich habe meinen Teil getan.

FĂŒr mich ist das gerade auch ein unglaublich befreiendes GefĂŒhl. Es liegt jetzt nicht mehr in meiner Hand, ob das Ganze jetzt am Ende ein “Erfolg” wird. Wie erfolgreich kann so ein Thema schon sein.

Erfolgreich wĂ€re es, wenn es gar nicht so weit gekommen wĂ€re. Ich habe getan, was ich konnte und ob das Ganze jetzt am Ende auf Aussage gegen Aussage hinauslĂ€uft, oder ein voller Erfolg wird. 

Keine Ahnung, ich weiß es nicht. Das wird die Zukunft zeigen. Mir jetzt darĂŒber den Kopf zu zerbrechen wĂŒrde nichts bringen, es wĂŒrde nichts Ă€ndern, außer dass ich mir meinen Tag damit kaputt mache.

Ich habe das Ganze ins Rollen gebracht und jetzt mĂŒssen andere das Ganze im Rollen halten. (Mai grinst.)

Es ist cool, ich finde das gut so. Wenn ich auf mein Leben zurĂŒckblicke, dann wird das mit Sicherheit einer der Momente sein, wo ich sagen kann: “Da habe ich etwas getan, um die Welt ein StĂŒckchen besser zu machen.”

Mai: Mit Sicherheit.

Sich Hilfe holen, wenn man als Junge sexuell missbraucht wurde

neue Wege gehen - Heilung von sexuellem Missbrauch

 Neue Wege gehen - als Junge sexuell missbraucht

Mai: Du hast dir auch schon eine AnwĂ€ltin genommen und bist fĂŒr alles vorbereitet, was als NĂ€chstes kommt.

Tim: Ja genau, ich habe mir eine AnwĂ€ltin genommen, was bei so schweren Anschuldigungen, bei schwerem Tatverdacht sinnvoll ist. Man hat als GeschĂ€digter unglĂŒcklicherweise nicht ganz so viel Beteiligung, wie man sich das vorstellt.

Mai: Das hat mich auch damals voll geschockt.

Tim: Man ist eigentlich nur Zeuge.

Mai (empört): Das ist so krass. Man ist nur eine besondere Art von Zeuge, wo ich mir damals dachte: “ What the f***! Wollt ihr mich verarschen?”

Tim: Ja das ist eigentlich echt krass. Aber es gibt die Option hinzugehen und eine Nebenklage zu machen. Dazu ist es einfach wichtig, sich einen Anwalt zu suchen, weil nur ein Anwalt als Nebenklage auftreten kann.

Dem kann man eine Vollmacht ausstellen und der bringt dann im richtigen Moment das Ganze ins Rollen. Er kann dann auch entsprechende Akteneinsicht anfordern und hat deutlich mehr Rechte und auch andere Rechte, als man es selber als “einfacher Zeuge” hĂ€tte.

Sodass, man auch mal ein bisschen was mitkriegt, wo steht der Fall gerade? Was ist denn da passiert? Gab es vielleicht Durchsuchungen oder gab es noch weitere Zeugenbefragungen?

Hochinteressant da auch als Nebenklage aufzutreten. Ich möchte da auch Teil von sein, nicht nur als Zeuge, wo ich einfach nur Teil der Gesellschaft bin, sondern auch als Betroffener aktiv dagegen vorgehen kann.

Mai: Du hast dich dazu entschieden, falls es dazu kommt eine Nebenklage zu erheben?

Tim: Genau. Das kann jetzt alles ein bisschen dauern.

Mai (lacht): Das kann eine Weile dauern, ja.

Tim: Ich lasse mich da jetzt ĂŒberraschen. FĂŒr mich trotzdem ein gutes GefĂŒhl. Ich habe es losgetreten. Ich brauche mich da jetzt nicht mehr verrĂŒckt zu machen, ob ich soll, oder nicht. Ich brauche mir nicht den Kopf darĂŒber zu zerbrechen, was meine Eltern, Freunde, Verwandte, Bekannte denken. Es ist meine Angelegenheit.

Als Junge sexuell missbraucht: Jeder geht anders damit um

Neue Wege, Heilung von sexuellem Missbrauch als Mann

Neue Wege, Heilung - als Junge sexuell missbraucht

Als Junge sexuell missbraucht worden zu sein ist heftig und es ist jedem freigestellt, wie man damit umgehen möchte. Du gehst extrem offen damit um, was super ist, was vielen Mut macht.

Mai (lacht): Zum Beispiel dir.

Tim: Richtig. Wo ich aber sage, das wĂ€re nichts fĂŒr mich, so wie du damit umzugehen. So wie ich es jetzt mache, geht das ganz gut fĂŒr mich.

Mai: Um das nochmal ganz klar herauszustellen, ich finde es super cool, dass du deinen persönlichen Umgang und deinen ganz eigenen Weg der Heilung gefunden hast.

Ich finde es vollkommen legitim, zu sagen: “Nein ich zeige nicht an. Ich habe das fĂŒr mich abgeschlossen. Ich kann und werde nicht anzeigen.”

Genauso finde ich es gut, anzuzeigen, aber nicht groß raus zu gehen, so wie du zu sagen: “Das geht alles seine Wege.” Oder so wie ich zu sagen: “Ich schreibe ein Buch darĂŒber.”

Gleichzeitig finde ich es bei dir cool, dass du sagst, auch wenn du es nicht groß breittreten möchtest, dich dazu bereit erklĂ€rt hast, anonym mit mir ein Interview zu machen.

Das ist einfach sehr mutig und stark von dir, dass wir dich gerade bei einem fĂŒr dich so wichtigen Schritt, begleiten dĂŒrfen. Ich kann mir vorstellen, dass es auch, wenn es lange dauern wird, irgendwann einfach noch mal ein Interview machen und schauen, was sich dann getan hat.

Tim: Auf jeden Fall interessant dann zu sehen, was sich getan hat.

Mai: Ich finde es so stark, dass du dich als missbrauchter Mann zeigst. Ich gehe raus als Frau und Frauen passiert das einfach sehr hĂ€ufig. Bei MĂ€nnern weiß man gar nicht, ob es wirklich viel weniger als Frauen passiert, oder ob sich unser toxisches MĂ€nnerbild von einer vermeintlichen MĂ€nnlichkeit und StĂ€rke, was in unserer Gesellschaft so unglaublich seltsam aufgebauscht wird, die Zahlen tĂ€uscht.

Ob das nicht einfach viele MĂ€nner daran hindert anzuzeigen, wenn sie in dem Alter sind, wo sie es reflektiert haben. Ich bin mir sicher, dass du mit diesem Interview unglaublich vielen MĂ€nnern Mut machst oder genauso auch Partnerinnen.

Du hast ja auch deinen Partnerinnen viel erzĂ€hlt, was du erlebt hast. Vielleicht liest auch eine Partnerin den Blogpost und zeigt ihn ihrem Partner. “Du bist nicht allein, du bist gar nicht komisch.”

Tim: Es ist immer schade, wenn man sich allein fĂŒhlt. Ich denke, es ist wichtig, dass man sich gut fĂŒhlt. Sein Leben lang muss man mit sich selbst klar kommen, man ist sich eben selbst immer am nĂ€chsten. Am Ende des Tages steckst nur du in deinem eigenen Kopf.

Wenn ich das GefĂŒhl habe, allein zu sein, dann ist das immer ein schlechtes GefĂŒhl. Dann traue ich mich nicht, bestimmte Dinge zu machen, oder ich selbst zu sein. Deswegen einfach eine kleine UnterstĂŒtzung von meiner Seite.

Zum Thema, ob man anzeigt oder nicht: Am Ende muss man selbst damit klarkommen. Und wenn man in einem Zustand ist, wo man damit klarkommt, ist das spitzenmĂ€ĂŸig. Wichtig is, wenn man sich nicht gut fĂŒhlt, dass man versucht zu ĂŒberlegen, was ich fĂŒr mich Ă€ndern kann, sodass ich mit mir selbst wieder klarkomme.

Und wenn es darum geht, die eigene Einstellung zu Ă€ndern, was erst einmal negativ klingt. Aber ich kann mich natĂŒrlich von dem Ganzen fertig machen lassen, oder es selbst in die Hand nehmen.

Und das man nicht in dieser schlechten Situation verharrt nur, weil man Angst hat, weil am Ende sind wir stÀrker zusammen. Das ganze System: Missbrauch, lebt von AnonymitÀt. (Mai stimmt zu.)

Das Gericht schĂŒtzt die AnonymitĂ€t der Opfer ja doch sehr weit, wenn man nicht öffentlich auftreten will, dann wird man auch nicht in die Öffentlichkeit gezerrt.

Mai: Schöner Punkt.

Opferschutz im deutschen Gesetz

Als junge sexuell missbraucht

Als Junge sexuell missbraucht

Mai: Da kann ich auch noch mal kurz nĂ€her erlĂ€utern und erzĂ€hlen: Ich hatte lange Angst das zu erzĂ€hlen, weil ich sieben Jahre lang in Großkonzernen gearbeitet habe. Was denken die Kollegen?

Man stellt sich das ja irgendwie wie im Fernsehen vor, dass die Reporter dann vor der TĂŒr stehen und Fotos von einem machen. Das ist aber gerade im deutschen Rechtssystem ĂŒberhaupt nicht so. Das war fĂŒr mich unglaublich erleichternd, das alles zu erleben.

FĂŒr mich war es dann “egal”, weil ich zu dem Zeitpunkt auch gekĂŒndigt hatte und aus dem angestellten Systemen und Großkonzernen raus bin, aber es war unglaublich heilsam zu sehen, wie sehr Opfer geschĂŒtzt werden.

Es waren tatsĂ€chlich Journalisten da, die auch ĂŒber den Fall berichtet haben, aber komplett anonymisiert. Ich wurde nur als “junge Frau mit kurzen schwarzen Haaren” bezeichnet und mein Alter wurde in den Zeitungsartikeln nicht genannt. Aus SchutzgrĂŒnden, dass man es gar nicht zurĂŒckverfolgen kann.

Als Foto bei einem Zeitungsbericht war dieses Klischee Foto vom TÀter, der sich den Ordner vors Gesicht hÀlt, drin. Als ich den Artikel das erste Mal gesehen habe, musste ich echt lachen, weil das ist so Standard und so absurd.

Opferschutz auch im Sinne von, dass man als Opfer nicht zwingend zur Verhandlung kommen muss, sondern nur zu der eigenen Aussage. Ansonsten könnte das Opfer dem Prozess komplett fernbleiben, wenn es dies wĂŒnscht.

Das finde ich einfach großartig, weil ich glaube nicht, dass so viele so weit sind wie wir beide. Die sagen, dass sie dabei sein möchten. Ich wollte den Mann aber damals sehen und ihm zeigen, dass es nicht in Ordnung war und ihm zeigen, dass er mich nicht gebrochen hat.

Es gibt viele Wege damit umzugehen. Man kann, so wie ich, zu jedem verdammten Verhandlungstag hingehen oder man kann es einfach komplett lassen und nur zu dem Termin gehen, wo ich als Zeugin geladen bin und als Zeuge muss man ja vor Gericht auftauchen.

Ich war anfangs sehr baff und positiv begeistert vom Rechtssystem. In meiner wilden Jugend und meiner Studienzeit war ich sehr links unterwegs und da hat man eher kein positives Bild vom Rechtssystem und der Polizei.

Deswegen war ich wirklich baff und bin sehr dankbar fĂŒr die Erfahrung, dass ich die auch so weitergeben kann und darf. Ich hoffe, dass es bei dir auch weiterhin so positiv ablĂ€uft wie bisher.

Tim: Ich bin gespannt. Ich werde berichten. Ich bin zuversichtlich.

Einsamkeit: Als Junge sexuell missbraucht

Als Mann sexuell missbraucht

Als Junge sexuell missbraucht - einsame GefĂŒhle

Mai: Du hattest vorhin noch vom Alleinsein gesprochen. FĂŒr mich war das ein sehr vorrangiges GefĂŒhl, da es sehr prĂ€sent war, bis ich es zum ersten Mal ausgesprochen habe.

Vor zwei, drei Jahren ging der Hashtag #metoo und #aufschrei los, was fĂŒr mich der erste Moment von Verbundenheit war. So blöd es klingt, wenn man googelt, findet man eigentlich direkt Statistiken, das jede dritte Frau in ihrem Leben sexuell belĂ€stigt beziehungsweise missbraucht wird.

Und ich dachte immer, wo sind diese dritten Frauen? Bis ich angefangen habe, es auszusprechen und anzuzeigen, hat mir keine einzige Frau in meinem gesamten Leben erzÀhlt, dass ihr das passiert ist.

Durch die Annahme, dass ich allein und einsam bin, habe ich mir einen Kokon gesponnen. Ich bin damals nach Ludwigshafen gezogen und habe meine erste Geburtstagsparty geschmissen. In meiner 50 Quadratmeter WG. Wir waren 100 Leute da drin und ich habe mich einfach nur einsam gefĂŒhlt.

Meine Freunde waren da, aber ich war einsam, weil ich das GefĂŒhl hatte, ich bin die Einzige mit diesem Gedanken, ich bin die Einzige, der es so schlecht geht, die Einzige, die einen Missbrauch erlebt hat.

Deswegen war fĂŒr mich dieser #metoo Moment, dieser Aufschrei heilsam. Ich habe auf einmal gemerkt, dass ich nicht allein bin. Selbst wenn es keine Frau in meinem Umfeld sagt, sehe ich zumindest irgendwie online den Hashtag und ich kann anderen Leuten folgen und schauen, was die machen.

Dann als ich öffentlich darĂŒber gesprochen habe, haben auf einmal Menschen nach und nach angefangen, sich bei mir zu melden und sich zu öffnen. Du bist einer von zwei MĂ€nnern und ĂŒber hundert Frauen.

Allein in den letzten zwei Jahren in denen ich darĂŒber schreibe.

Wenn du erfahren möchtest, wie Tim mit dieser Einsamkeit umgegangen ist, wie er verdrĂ€ngt hat und wieso er so lange geschwiegen hat, dann lies gerne den zweiten Teil des Interviews. 

Dabei erzĂ€hlen Tim und ich außerdem von SchlĂŒsselmomenten, die uns dazu gebracht haben unser Schweigen zu brechen. Und wie der Umgang und Kontakt zum TĂ€ter heute ist und ob Tim ihm vergeben hat.

Bis bald! Deine Mai

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About the Author

Hi, ich bin Mai 😊 Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht Opfern sexuellen Missbrauchs zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Auch wenn eure Scham und Angst etwas anderes erzĂ€hlen: Das ist nicht wahr! Und es kommt noch besser: Der richtige schöne Teil eures Lebens liegt noch vor euch! Ich habe es geschafft, aus dem schlimmsten Erlebnis meines Lebens, eine enorme Kraft zu ziehen & mein Leben nach meinen Ideen neu zu gestalten - also kannst du das auch! Deine Mai 💛

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